In Kooperation mit

Job & Karriere

Karriere-Zwischenruf Frei zu gehen, frei zu bleiben

Das nächste Ziel im Job ist immer das wichtigste? Irrtum. Viel wichtiger ist es, das übernächste Karriereziel zu kennen, meint Personalberaterin Uta von Boyen. Nur dann ist man bei aller Zielstrebigkeit flexibel genug, seine Chancen zu erkennen. Und rechtzeitig zu kündigen.
Karriereplan: Die Richtung kennen, keine Abzweigung verpassen

Karriereplan: Die Richtung kennen, keine Abzweigung verpassen

Foto: Stephanie Pilick/ dpa

Ein diffuses Unwohlsein breitet sich in Ihnen aus, wenn Sie über Ihre Arbeit nachdenken: Die Entwicklungsmöglichkeiten sind deutlich weniger geworden. Interessante Projekte schrammen an Ihnen vorbei, der Arbeitsalltag wird zur langweiligen Routine, der Eindruck verstärkt sich, nicht mehr am richtigen Platz zu sein.

Die meisten Menschen haben so eine Gefühlslage im Laufe ihres Arbeitslebens selbst schon einmal erlebt. Das ist kein Drama. Eine Karriere kann auch nach spannenden Zeiten des Aufbruchs einmal ins Stocken kommen. Doch was tun, wenn der Job immer unbefriedigender wird, wenn die Aufstiegschancen sich verschlechtern? Wer sich in einer solchen Lage befindet, sollte sich auch bei turbulenteer Terminlage ein wenig Zeit nehmen, um in aller Ruhe einen passenden Plan zu erstellen und eine individuelle Strategie zu entwickeln.

Am besten ist natürlich, man hat sich schon vorher orientiert. Wer eine stabile und kontinuierliche Laufbahn absolvieren will, braucht einen Plan. Der sollte sich nicht allein an den naheliegenden Optionen beim aktuellen Arbeitgeber orientieren, denn dann schränkt man seine persönlichen Möglichkeiten ein, ohne es zu merken.

Wenn Kandidaten zu mir ins Coaching kommen, um ihre Karriereplanung zu besprechen, stelle ich ihnen nie die Frage, wie sie sich ihren nächsten Karriereschritt vorstellen. Neben ihrem grundsätzlichen Plan und ihrem beruflichen Ziel frage ich in erster Linie danach, welches ihr übernächster Karriereschritt sein soll. Auf diese Weise entsteht Distanz zu den derzeitigen, scheinbar zwingenden Umständen. Man legt persönliche Werte und Motive offen und besinnt sich auf die eigenen Stärken.

Was ist übermorgen wichtig?

Damit richtet man sich mehr auf das eigene Potential und die eigenen Wünsche aus als auf den äußeren Unternehmenskontext, in dem man sich gerade befindet. Das kann auch dann hilfreich sein, wenn man gerade in eine Frustphase hineingerutscht ist.

Ist das Fernziel klar formuliert, besteht der nächste Schritt im Blick auf die eigene Stelle: Dient die Position, so wie man sie derzeit gestalten kann, noch diesem Fernziel oder nicht? Lautet die Antwort nein, ist das ein Alarmzeichen. Dennoch sollte man sich noch nicht direkt wegbewerben. Die Regeln der Karriereplanung ändern sich momentan. Berufsbilder sind im Wandel, Arbeitgeber durchlaufen ständige, komplexe Veränderungsprozesse und die Bindung zwischen Mitarbeitern und Unternehmen wird schwächer. Trotzdem dürfen Erfolge nicht nur über Wechsel produziert werden: Leistungsträger müssen unter Beweis stellen, dass sie sich auch innerhalb einer Organisation erfolgreich geschlagen haben und mindestens einen internen Aufstieg produzieren konnten.

Bevor man den Weggang anstrebt, sollte man sich daher fragen, welche internen Veränderungen möglich sind: Gibt es zusätzliche Projekte, Aufgabengebiete oder Verantwortungsbereiche, die man übernehmen könnte, um sich zu profilieren? Besteht die Möglichkeit, auf eine andere Stelle im Unternehmen zu wechseln? Ließen sich ähnliche Aufgaben etwa in einer Auslandsfiliale übernehmen, ist eine andere Veränderung möglich?

Kontextwissen ist ein extremer Erfolgstreiber

Im (eher selteneren) Idealfall kann man solche Überlegungen zusammen mit dem Arbeitgeber anstellen und gemeinsam einen Plan entwickeln, wie die persönliche Laufbahn wieder steiler ansteigen soll. Meist wird auch der Arbeitgeber ein Interesse daran haben: Wer länger in einem Unternehmen arbeitet, sammelt ein enormes Kontextwissen an, das sich nicht so leicht ersetzen lässt. Das wirkt als extremer Erfolgstreiber. Andererseits bedeutet aber der Jobwechsel auch für den Arbeitnehmer, dass er Kontextwissen mühsam wieder neu aufbauen muss.

Eröffnen sich auch nach eingehender Prüfung und nach aktiven Gesprächen mit dem aktuellen Arbeitgeber intern keine realen Entwicklungsmöglichkeiten, dann sollte man aktiv den Wechsel suchen. Dabei geht es nicht darum, ständig Bewerbungen in alle Himmelsrichtungen zu schicken, um "den eigenen Marktwert zu testen", wie es eine Zeitlang propagiert wurde. Denn so verbrennt der Bewerber nur potentielle Arbeitgeber, bei denen er sich nicht gut verkaufen kann, wenn er seine Wechselabsichten nicht klar zu begründen weiß. Stattdessen sollte man sich gezielt ausschließlich auf Stellen bewerben, die eine Wertsteigerung auf dem eigenen Weg zum Ziel versprechen.

Unbedingt notwendig ist zudem eine Analyse der aktuellen Arbeitssituation: Wie ist überhaupt der eigene Frust entstanden? Gibt es strukturelle Rahmenbedingungen, die in Zukunft vermieden oder überwunden werden können? Oder sind es persönliche Schwächen und Fehler, die einen ins Abseits manövriert haben?

So früh wie möglich planen

Wechselwillige Kandidaten sind zudem gut beraten, sich ihr professionelles Profil bewusst zu machen. Sie sollten Antworten suchen auf Fragen wie: In welchen Situationen und bei welchen Aufgaben fühle ich mich wohl? Was kann ich am besten? Welche Punkte dürfen auf keinen Fall in meiner Stellenbeschreibung fehlen? Welche Aspekte der Organisation - beispielsweise Größe, Rechtsform, Branche oder Geschäftsmodell - haben zu meinem eigenen Profil gepasst, welche eher weniger?

Wer die Wahl eines möglichen neuen Arbeitgebers konsequent an den Ergebnissen einer solchen persönlichen Karriereentwicklung ausrichtet, wird sich auch im Bewerbungsprozess viel leichter tun, seine besondere Eignung zu begründen. Man kann nicht früh genug damit beginnen, die eigene berufliche Identität zu bestimmen und eine Strategie für die Zukunft zu entwickeln.

Nur wer weiß, wer er ist und was sein potentieller Wertbeitrag ist, kann Karriereentscheidungen überhaupt sinnvoll treffen. Meist tritt das Karrieredilemma erst bei reifen Karrieren zutage. In diesen Jahren verengen sich die Karrieremöglichkeiten aber automatisch. Deshalb ist es dann sehr kräftezehrend, die richtige Entscheidung zu treffen.

Darum gilt: Nur wer möglichst früh weiß, wo er hin will, hat die Freiheit zu gehen - und damit auch die Freiheit, bewusst und aus freien Stücken zu bleiben.

KarriereSPIEGEL-Gastautorin Uta von Boyen (Jahrgang 1971) ist studierte Philologin, Managementtrainerin und Executive Coach. Als Personalberaterin und Organisationsentwicklerin hat sie 1999 in München die Firma "von boyen - consulting"  gegründet, die Unternehmen und Führungskräfte zu zentralen Fragen der Neuausrichtung berät. 2011 stellte sie mit "LeadOne for Excellence"  ein neues Modell der Führungskräfteentwicklung vor.

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten