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Managerinnen: Kinder statt Job

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Trotz Frauenquote Rückfall in alte Rollenmuster

Mehr Familie, weg von der Präsenzkultur: Die Frauenquote soll die Arbeitswelt umkrempeln. Was aber, wenn das nicht funktioniert? Schon heute ziehen immer mehr junge Managerinnen das Familienleben dem Aufstieg im Job vor.

Es war eine dieser typischen Veranstaltungen zum Thema Frauen in Führungspositionen, Ende November im holzgetäfelten großen Saal des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB). 90 Prozent Frauen im Publikum, 10 Prozent Männer; auf dem Podium Personalmanager von Allianz, Daimler, K+S, Deutscher Telekom und ThyssenKrupp, gerahmt von Expertinnen zur Frauenfrage. Wie immer ging der Diskussion ein peinlicher Befund voraus: Weibliche Manager sind in deutschen Unternehmen unterrepräsentiert.

Was ist in den vergangenen Jahren nicht alles unternommen worden, um mehr Frauen in die Topetagen der Wirtschaft zu schleusen! Aktionärinnen schlagen auf Initiative des Deutschen Juristinnenbundes (DJB) seit 2009 regelmäßig Alarm auf Hauptversammlungen. Anfangs wurden sie ausgebuht, heute ergreifen die Vorstände bestens vorbereitet das Mikrofon und verkünden stolz jede noch so kleine Frauenbewegung in ihrem Betrieb.

Diversity-Programme, Mentoring, Betriebskindergärten, Netzwerke, Zielvereinbarungen - die Unternehmen haben mächtig aufgerüstet. Der Versicherungskonzern Allianz unterzieht nach Angaben seines Chefpersonalers Christian Finckh männliche Führungskräfte inzwischen sogar einem "unconscious bias", einem Selbsttest, um altbackene Denkmuster zu entlarven.

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Frauenquote: Was spricht dafür, was dagegen?

Foto: Michael Kappeler/ picture alliance / dpa

Frauen sind gut ausgebildet, führungstauglich und werden in einer Gesellschaft, die geprägt ist von zunehmendem Fachkräftemangel, dringend gebraucht. Darin waren sich im Saal des WZB am Reichpietschufer wieder einmal alle einig. Und doch passiert nichts.

Elke Holst, Direktorin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat gerade frisch gerechnet: Der Anteil der weiblichen Vorstände in Dax-30-Konzernen ist 2013 trotz seines ohnehin lächerlich niedrigen Niveaus wieder zurückgegangen, von 7,8 auf 6,3 Prozent. Auf 173 Männer kommen 12 Damen, im vergangenen Jahr waren es immerhin noch 15 (und 178 Männer).

Kinder kaum mit der Karrierewirklichkeit vereinbar

Selbst im mittleren Management der Dax-30-Gilde sind so gut wie keine Fortschritte erkennbar. Der Juristinnenbund hat die Statusberichte der Konzerne ausgewertet: Danach liegt der Anteil der Frauen durchschnittlich bei konstanten 16 Prozent. Wo also sollen künftig all die neuen Topmanagerinnen herkommen, wenn nichts nachwächst?

Die Soziologin Jutta Allmendinger, die seit Jahren ergründet, wie die weibliche Führungsreserve tickt, fürchtet bereits einen Rückfall in längst überholte Zeiten. Studien des von ihr geführten WZB belegen, dass wieder mehr Frauen unter 34 glauben, Kinder und Karriere seien hierzulande nicht vereinbar. Dachte vor fünf Jahren ein Drittel der Frauen so, war es 2012 schon mehr als die Hälfte.

Frauen sollen heute alles liefern: vollen Karriereeinsatz für die Firma und möglichst viele Kinder für die Volkswirtschaft. Status-Kids selbstredend, perfekt erzogen, gebildet und glücklich. In einer Welt durchgetakteter Arbeitstage, permanenten Präsenzdrucks und knallharter Aufstiegsregeln ist das kaum zu leisten. Man muss sich entscheiden.

Junge Akademikerinnen entscheiden sich laut Geburtenstatistik wieder häufiger für Nachwuchs. Und weil sich Kinder kaum mit der Karrierewirklichkeit in deutschen Unternehmen in Einklang bringen lassen, droht der Pool an weiblichen High Potentials auszutrocknen, bevor er richtig voll war. Die von der großen Koalition beschlossene Frauenquote wird daran wenig ändern. Sie könnte sogar kontraproduktiv wirken.

Selbst in Frankreich, über Jahrzehnte Hort der emanzipierten, berufstätigen Superfrauen, kommt es zu einer Gegenbewegung. Junge, gut ausgebildete Französinnen beschließen neuerdings häufiger, nach der Geburt zu Hause zu bleiben, um den Kindern eine perfekte Kindheit zu bieten. "Lassen Sie es mich so formulieren", frotzelt die Philosophin und Feministin Elisabeth Badinter, "sie wollen wie eine deutsche Mutter sein."

Lineare Karrieren bevorzugt

Man mag es kaum glauben. Trotz Homeoffices und Eltern-Kind-Emergency-Rooms in jedem größeren Unternehmen, trotz Elterngeld und Vätermonaten, trotz der Aufrufe der Politik, das Land brauche mehr Nachwuchs und mehr weibliche Karrieren, soll sich nichts zum Besseren gewandelt haben?

Wer bei den Ikonen der etablierten Managerinnenwelt nachfragt, also jenen Frauen, denen man keine mangelnde Ambition nachsagen kann, der stößt auf ein erschreckend nüchternes Fazit. Facebook-Vorzeigefrau Sheryl Sandberg, 44, hat vor einigen Monaten in einem Interview mit McKinsey davor gewarnt, dass der Anteil an Frauen in Führungsjobs schon bald wieder sinken könnte: "College-Absolventinnen befürchten heutzutage wieder, dass beides nicht zusammengeht: Kinder und Karriere. Das lässt sie zögern."

Sandberg selbst hat es geschafft. Sie hat zwei Kinder und ist die Nummer zwei bei Facebook. Eine absolute Ausnahmeerscheinung, deren Erfolg für die meisten Jungmanagerinnen - seien wir ehrlich - eher Ansporn als konkretes Vorbild ist.

In Deutschland zählt Daniela Weber-Rey, 55, zu den Spitzenfrauen, die sich Gedanken machen um die Motivationslage der jüngeren Generation. Sie stand viele Jahre als Partnerin in der ersten Reihe der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance, ist Mitglied der Corporate-Governance-Kommission und gilt als eine der versiertesten Gesellschaftsrechtlerinnen der Republik. Kürzlich wechselte sie als Chief Governance Officer ins Topmanagement der Deutschen Bank.

Erwartungen sind hoch

Mutter dreier erwachsener Kinder ist sie auch. Dem Erfolgsdruck, unter dem ihre Tochter und Schwiegertochter heute stehen, möchte sie nicht ausgesetzt sein, sagt sie offen: "Die Erwartungen sind so hoch, dass sie den jungen Frauen die Freiheiten und den Spaß zu nehmen scheinen." Rückfall in alte Rollenmuster nicht auszuschließen.

Frauen auf der Flucht vor der Konzernwelt - so deutlich würde Verena Delius, 34, das niemals ausdrücken. Die Mutter zweier Söhne mit Wohnsitz Berlin ist eine jener jungen Frauen, denen Konzerne nur zu gern den roten Teppich ausrollen würden. Sie hat ein Examen der renommierten Universität St. Gallen in der Tasche, bei der Munich Re gearbeitet und 2007 den von McKinsey und manager magazin initiierten Ideenwettbewerb "CEO of the Future" gewonnen. Und doch wollte sie raus aus dem Korsett von Zwängen und Hierarchien. Delius gründete eine Beteiligungsgesellschaft, eine App-Entwicklungsschmiede, dann noch eine. Sie kann ihr Leben so viel flexibler gestalten als bei einem etablierten Unternehmen. "Wenn die Konzerne zukunftsfähig bleiben wollen, müssen sie ihre Arbeitskultur an die neue Lebensrealität junger Frauen und moderner Familien anpassen", sagt Delius.

Margarete Haase, 60, Finanzvorstand beim S-Dax-Wert Deutz in Köln und Mutter eines erwachsenen Sohnes, kam auch gut ohne Quote durch. Dennoch will sie nicht von sich auf andere schließen. "Die Unternehmen bevorzugen immer noch lineare Karrieren", kritisiert sie. "Den Frauen und Männern in der Rushhour des Lebens ist damit nicht gedient."

Nach wie vor wird in deutschen Firmen Präsenz mit Output gleichgesetzt. Netzwerkveranstaltungen erstrecken sich in den Abend. Da tummeln sich dann fröhlich Männer, "während viele Frauen eben doch schon mit schlechtem Gewissen auf dem Weg zur Familie sind", beobachtet Deutz-Dame Haase.

Imitation männlicher Alphatiere

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelte immer noch als eine außerplanmäßige Herausforderung für weibliche Führungskräfte und stelle nicht den Normalfall dar, schreiben die Forscherinnen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung in einer Studie für das Bundesfamilienministerium. Wer als Frau Instrumente zur besseren Vereinbarkeit in Anspruch nimmt, muss "mit Karrierenachteilen rechnen". Schwacher Trost: Für Männer sei es "noch schwieriger", sich familienorientiert zu geben.

Wer auf Teilzeit geht, leitet bis heute vielerorts sein Karriereaus ein. Und wer einmal aus privaten Gründen ein Aufstiegsangebot ausschlägt, riskiert, nie wieder gefragt zu werden. Rückkehroptionen für Akademikerinnen mit früher Familienphase fehlen. Ebenso Vorbilder.

Jene Frauen, die sich ganz nach oben gekämpft haben, hätten sich lieber die Zunge abgebissen, als die Kinderfrage zum Thema zu machen. Sie imitierten, um zu überleben, das "Rollenmodell des männlichen Alphatiers", sagt Joachim Sauer, Präsident des Bundesverbands der Personalmanager; "physisch stark, fachlich überragend, extrem durchsetzungsstark, immer verfügbar".

Der Ehemann der Vorstandschefin übernimmt Familienarbeit

Kamen dann doch Kinder, so drehten die Mütter das herkömmliche Familienmodell häufig einfach um, wie Ines Kolmsee, 43, vom S-Dax-Unternehmen SKW Stahl-Metallurgie. Die bis dato einzige weibliche Vorstandsvorsitzende eines großen deutschen Börsenunternehmens hat einen Ehemann, der bereitwillig Familienarbeit übernimmt und seine Berufstätigkeit stark reduziert hat.

Toll gelöst, vom Ende her betrachtet. Und doch nur realistisch, wenn absehbar ist, dass sich einer von beiden Partnern (in diesem Fall die Frau) auf der Überholspur befindet und für die finanzielle Sicherheit der Familie sorgt.

Auf den mittleren Managementebenen ist das zumeist nicht absehbar. Wenn sich eine Gesellschaft zum Ziel setzt, die Masse der Frauen trotz Familie auf dem Aufstiegspfad zu halten, muss ab sofort mehr Ehrlichkeit her, fordert Ann-Kristin Achleitner, 47, BWL-Professorin an der TU München, Aufsichtsrätin bei Linde sowie Mutter zweier Teenager und eines Neunjährigen: "Wir müssen aufhören, die Komplexität dieser Lebensentwürfe zu leugnen."

Geht die Quote nach hinten los?

Der tägliche Vereinbarkeitsk(r)ampf ist nicht einfach durch weitere Krippenplätze und Betriebskindergärten zu befrieden. Kinder wachsen aus dem Kita-Alter schnell heraus und lassen sich dann kaum noch umfassend wegorganisieren.

Da hilft auch das schöne Konzept der Quality Time wenig, demzufolge gemeinsam verbrachte Zeit nicht lang sein müsse, wenn sie nur intensiv genug sei: "Unsinn" sei solch ein Familienleben im Viertelstundentakt, sagt Annedore Streyl, 53, Partnerin im Gesellschaftsrecht der internationalen Anwaltskanzlei Freshfields und Mutter dreier Kinder zwischen 10 und 15 Jahren.

Streyl hat mit dem Nachwuchs gewartet, bis sie mit Mitte 30 den Partnerstatus erreicht hatte, und ist nach jeder Geburt rasch wieder ins Büro zurückgekehrt. Junge Associates bedenken sie dafür mit Staunen, nicht unbedingt mit Beifall. Nun ist Streyl eine von denen, die bei Freshfields darauf achten, es den Nachrückerinnen etwas einfacher zu machen. "Wir müssen auf die veränderten Bedürfnisse der Frauen reagieren, sonst verlieren wir sie. Das gilt im Übrigen auch für immer mehr Männer."

Arbeit anders verteilen also: Zeitweise auf 80 Prozent gehen, wie es bei Freshfields möglich ist; solche "vollzeitnahen Teilzeitstellen" für beide Geschlechter könnten ein erster Schritt sein. Dazu: weg mit der Präsenzkultur. Und mehr Toleranz für Männer, wenn sie flexibler oder weniger arbeiten wollen, um daheim Verantwortung zu übernehmen. Anstrengend bleibt eine solche Zwei-Karrieren-Familie trotzdem.

Gesellschaft aus Vollzeiterwerbstätigen ist nicht lebbar

Ob die hehren Wünsche jemals Wirklichkeit werden? Jutta Allmendinger, die Soziologin, ist da eher skeptisch. Der missionarische Eifer der Frauenförderung nähre den Verdacht, dass die Unternehmen vor allem brachliegende Ressourcen heben wollen - und in der alten Logik der männlichen Karrieremodelle verhaftet bleiben, warnt sie. "Wir müssen aufpassen, uns nicht in eine Gesellschaft zu verwandeln, in der alles andere als Erwerbstätigkeit als störend empfunden wird."

Eine Gesellschaft der ausschließlich Vollzeiterwerbstätigen sei "nicht lebbar", schon allein aus Gründen der Demografie, die den Bürgern künftig eher mehr private Verantwortung aufbürde, vor allem in der Pflege. Allmendinger plädiert deshalb für generell verkürzte Arbeitszeiten, 32 Stunden zum Beispiel.

Auf dem Podium in Berlin kam sie damit nicht gut an. Administrativ viel zu kompliziert, konterte Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth. Man wolle ja nicht "Nichtarbeit" belohnen, schließlich stehe der Standort Deutschland im weltweiten Wettbewerb.

Und so setzt nun vor allem die Berliner Politik alle Hoffnung auf die Quote. Von 2016 an sollen börsennotierte Unternehmen mindestens 30 Prozent Frauen in ihren Aufsichtsräten vorweisen können und sich auch im Vorstand auf "verbindliche Zielgrößen" einlassen.

Frauenförderung bedeutet nicht gleich Mütterförderung

Ob das den Kind/Karriere-Konflikt löst? Von den zwölf Damen, die derzeit in einem der Dax-30-Vorstände anzutreffen sind, sind sieben kinderlos. In anderen Unternehmen dürfte es ähnlich aussehen.

Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat mit Daten aus dem Jahr 2009 die Kinderzahl von Akademikerinnen verschiedener Berufe verglichen: Danach haben Geschäftsführerinnen, die heute 42 bis 46 Jahre alt sind, am seltensten Nachwuchs - statistisch im Schnitt 1,0 Kinder pro Frau (Hochschullehrerinnen bringen 1,3 Kinder zur Welt, Ärztinnen sogar 1,5). Frauenförderung in der Wirtschaft bedeutet nicht gleich Mütterförderung, auch wenn die Politik dies gern gleichsetzt.

Insofern könnte die Quote sogar das Gegenteil dessen bewirken, was sie eigentlich bezwecken soll. Wer jetzt auf die Schnelle Frauen brauche, um die Quote zu erfüllen, könnte auf solche zurückgreifen, die allzeit verfügbar sind und nicht ständig damit rechnen müssen, dass zu Hause Chaos ausbricht.

Mit anderen Worten: In ihrer Not werden sich Aufsichtsratschefs und Konzernlenker angesichts der beschränkten Auswahl auf tradierte Karrieremuster verlassen. Und dabei können sie sich künftig auch noch auf das Gesetz berufen. Echter Wandel fühlt sich anders an.

Solange sich Unternehmen an der Norm des männlichen Rund-um-die-Uhr-Managers orientieren, sagt K+S-Personalvorstand Thomas Nöcker, "wäre auch die Quote nichts anderes als die Zementierung einer Arbeitskultur, die Frauen mit Kindern - und zunehmend mehr Männer - eher abschreckt".

Der Weg zu einer neuen, familienfreundlicheren Arbeitswelt für Frauen und Männer ist hierzulande ganz offensichtlich noch sehr lang.

Eva Buchhorn ist Redakteurin beim manager magazin.

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