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Knatsch im Job Was hat dich bloß so ruiniert?

Niemand muss seine Kollegen lieben. Aber mit ihnen auskommen schon, und wenn's noch so schwerfällt. Denn nichts lässt Energie so sinnlos verpuffen wie schwelende Bürokonflikte. Da hilft es, dem Ärger Luft zu machen - nur sollte man sich dabei schlau genug anstellen.
Von Margarete Hucht
Ärger im Job? Dem Ärger Luft machen darf man - aber klug genug

Ärger im Job? Dem Ärger Luft machen darf man - aber klug genug

Foto: Corbis

Max und Franziska (Namen geändert) reden nicht mehr miteinander. Ein knappes "Hallo" würgen beide am Morgen noch heraus, dann herrscht Funkstille bis zum Feierabend. Im Prinzip sind sie geschiedene Leute.

Dabei waren sie nie liiert oder gar verheiratet. Sie haben lediglich einen Job im selben Versicherungsunternehmen. Als Franziska vor 18 Monaten dort anfing, hatte Max sich seine Lorbeeren bereits verdient. Dachte er jedenfalls. Sein Vorgesetzter lobte ihn, die Zeit schien reif für einen Karrieresprung.

Dann kam Franziska und wurde sogleich zur Teamleiterin befördert. Max war sauer, widersetzte sich ihren Anweisungen und machte unmissverständlich deutlich, dass er die neue Kollegin für unfähig hielt. Franziska schaltete den Vorgesetzten ein. Der hielt sich aber raus, um es sich nicht mit seinem langjährigen Mitarbeiter zu verderben.

Max ist jetzt häufig montags "krank", wenn sich das Team zur Wochenplanung trifft. Eine Sitzung unter Franziskas Leitung - das tut er sich nicht an. Die Geschäftsleitung schaut zu. Vorerst.

Verpulvertes Geld

Nach einer Befragung des Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG, an der sich 111 Firmen beteiligten, sind solche "Beziehungspannen" in Unternehmen eher der Normalfall als eine Seltenheit. Die Folgen sind bekannt: Durch kaputte Beziehungen unter Kollegen kommt es zu Fehlern, die Arbeitsmotivation sinkt, die Fehlzeiten steigen wie auch die Personalfluktuation.

Kleine Befindlichkeiten können großen Schaden anrichten. Laut KPMG summierten sich die Kosten von Projekten, die aufgrund von Konflikten scheiterten oder verschleppt wurden, in jedem zweiten der Unternehmen jährlich auf mindestens 50.000 Euro, in jedem zehnten sogar auf mehr als 500.000 Euro.

Auch Detlev Berning, Wirtschaftsprüfer und Mediator in Hannover, hat den Schaden zu beziffern versucht. Anhand von Beispielen aus seiner Beratertätigkeit schätzt er: "20 Prozent aller Kosten in Unternehmen sind Konfliktkosten - dieses Geld lässt sich sicher besser investieren."

Dabei haben Zank und zwischenmenschliche Dramen am Arbeitsplatz meist banale Gründe. "Die typischen Konflikte beruhen auf Neid, Konkurrenz, Verlustängsten", sagt Jutta Baden, Supervisorin aus Königswinter. Die Auslöser sind in allen Branchen gleich. Für Frust und Wut sorgt etwa die ungerechte Belastung bei der Aufgabenverteilung. Oder jemand ist "Chefs Liebling" und erfährt dadurch mehr Wertschätzung als ein anderer, der zudem noch bessere Leistung bringt.

Böses Blut entsteht auch, wo Kollegen unsauber arbeiten. Wo Informationen zum eigenen Vorteil halb oder gar nicht weitergegeben werden. Wo Teammitglieder offen vorgeführt werden. Wo Schleimer an anderen vorbei Karriere machen. Oder wo Vorgesetzte bestimmte Mitarbeiter in Geschäftsentwicklungen einweihen - und andere gar nichts erfahren.

Auf den Tisch mit den Gefühlen

"Konflikte entfalten einen Sog", sagt Rolf Schulz, Konfliktcoach aus Baden-Baden. So liegen in der Regel nicht nur zwei Mitarbeiter im Streit - das gesamte Umfeld wird hineingezogen. Kollegen fühlen sich genötigt, Partei zu ergreifen. Unbeteiligte leiden unter der schlechten Arbeitsatmosphäre.

Ist es so weit gekommen, könne eine Klärung nur "von oben" herbeigeführt werden, sagt Mediator Berning. "Konfliktklärung ist eine Führungsaufgabe, denn die Organisation hat den Gewinn." Führten etwa undurchsichtige Entscheidungen zu Unruhe, müssten die Verfahren geändert werden. Dann könnten Konflikte wichtige Impulse für Veränderungen geben. Ganz falsch sei es, sie zu unterdrücken: "Das Arbeitsklima profitiert davon, wenn Unstimmigkeiten erlaubt sind. Wenn eine solche Atmosphäre nicht zugestanden wird, dann fehlt der Raum zum Atmen."

Auch wenn es fast überall Ärger und Stress unter Kollegen gibt, so meiden doch viele Menschen die offene Auseinandersetzung im Job. Sie fürchten einen Gesichtsverlust, wollen nicht unprofessionell wirken, schweigen lieber in sich hinein.

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Mensch ärgere dich: Gadgets für Kollegenhasser

Foto: getdigital

Tatsächlich lassen sich viele aus dem Lot geratene Arbeitsbeziehungen nicht rein sachlich befrieden. Bei schon lange schwelenden Konflikten müssen die Gefühle auf den Tisch. Denn oft sind Sach- und Beziehungsebene verwoben, im schlimmsten Fall kann niemand mehr sicher sagen, worum es letztlich geht. Anders als bei Meinungsverschiedenheiten, mit denen beide normalerweise gut leben können, tragen Konfliktpartner persönliche Verletzungen mit sich herum. Die müssen sie trennen lernen von der inhaltlichen Ebene des Konflikts.

Konflikte diskret klären, nicht firmenöffentlich

"Viele fürchten abzublitzen, wenn sie das strittige Thema ansprechen, oder haben Angst, sich eine ironische Bemerkung einzufangen", sagt Coach Rolf Schulz. Wenn man es klug anstelle, sei die Gefahr einer Eskalation gering. Dazu gehört für Schulz, dass man sich über das eigene Empfinden Klarheit verschafft: Was genau ist es, was mich so ärgerlich macht? Niemand könne ja damit rechnen, dass der andere die Situation gleich erlebt hat. Tief Luft holen oder eine Nacht über die Sache schlafen, das sei immer gut, um Affekthandlungen zu vermeiden. Daneben gibt Schulz Arbeitnehmern drei einfache Spielregeln mit auf den Weg:

  • "Niemals sollte man die Person, mit der man im Clinch liegt, in der Öffentlichkeit konfrontieren" - denn eine Konfliktklärung braucht Diskretion.
  • Eine halbwegs günstige Situation abpassen und den Kollegen nicht ausgerechnet dann anzusprechen, wenn er sehr im Stress ist oder sich gerade auf den Heimweg machen möchte.
  • Den ersten Satz gut überlegen, dann das Anliegen kurz und knapp ansprechen. Zum Beispiel so: "Heute morgen in der Konferenz, als du mir das Wort abgeschnitten hast, habe ich mich ganz schön überfahren gefühlt." Das reicht. Klug ist es, den anderen direkt einzubeziehen: "Vielleicht hattest du deine Gründe? Wie hast du denn die Situation erlebt?"

Höflichkeit, Respekt, ehrliche Wertschätzung für das Gegenüber erleichtern die Konfliktklärung enorm. Da hilft die Einsicht, dass selbst das größte Ekel ein Mensch ist. "Wir ordnen dem Anderen immer eine Böswilligkeit zu, das macht Stress", sagt Mediator Detlev Berning. "Die Situation stellt sich aber schon viel entspannter dar, wenn man sich bewusst wird, dass er ohne böse Absicht so handelt und sein Verhalten Gründe hat, die zuerst einmal mit ihm selbst zu tun haben."

Supervisorin Baden sieht's ähnlich und wird dabei ein wenig philosophisch. "Wir sollten uns klarmachen, dass der Andere uns durch sein Anderssein in Frage stellt", sagt sie, "das ist eine Herausforderung, die man annehmen muss". Schließlich könne man sich seine Kollegen selten aussuchen.

KarriereSPIEGEL-Autorin Margarete Hucht (Jahrgang 1968) ist freie Journalistin in Berlin.

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