In Kooperation mit

Job & Karriere

Stephanie Huber

Tipps von der Karriereberaterin Warum lasse ich mich ständig provozieren?

Stephanie Huber
Ein Gastbeitrag von Stephanie Huber
Karolina schafft es nicht, sich zu beherrschen: Immer wieder streitet sie trotz aller guten Vorsätze mit den Kolleginnen, oft auch richtig heftig. Wie kann sie in Zukunft entspannter reagieren?
Foto: Niels Blaesi / DER SPIEGEL

Karolina, 37 Jahre, Fachangestellte, fragt: »Warum schaffe ich es oft nicht, mich zu beherrschen und einem Streit aus dem Weg zu gehen, wenn die Kollegen mich nerven oder provozieren? Kürzlich hatte eine Kollegin eine solch verquere Sichtweise darüber, wie man unsere Arbeit optimieren könnte, dass ich regelrecht ausgeflippt bin. Es fühlt es sich für mich so an, als ob eine Tsunamiwelle auf mich zuströmt und alle guten Vorsätze unter sich begräbt. Statt ruhig zu bleiben, tobe ich dann wie Rumpelstilzchen herum. Im Nachhinein schäme ich mich. Wie kann ich es lernen, die Fassung zu wahren, statt mich mit den Kollegen zu streiten?«

Zur Autorin

Stephanie Huber arbeitet als Mediatorin mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsmediation  und Konfliktmanagement, seit sie 2013 ihr Unternehmen verkauft hat – und dabei die Erfahrung machte, dass es Situationen gibt, in denen Worte nicht reichen, um vom Gegenüber verstanden zu werden. Dadurch angespornt fand sie ihre Berufung, Menschen aus Konflikten und Krisen zu führen.

Liebe Karolina,

schön, dass Sie sich fragen, warum sie so reagieren. Denn das ist der erste Schritt dahin, zu lernen, den Konflikt zu führen, anstatt von ihm geführt oder sogar vorgeführt zu werden.

Oft verlieren wir in Momenten, in denen unsere Gefühle und Emotionen mit uns Achterbahn fahren, die Beherrschung – und nicht selten bereuen wir dies im Nachhinein. So, wie es Ihnen mit Ihren Kollegen zu ergehen scheint.

Wo konkret kommen Sie an Ihre Grenzen?

Damit sind wir bei einem weiteren und wichtigen Aspekt. Um etwas ändern zu können, sollten Sie zuerst einmal sich selbst kennen (lernen):

• Was konkret hat Ihre Kollegin zur betrieblichen Optimierung gesagt/getan, dass Sie die Fassung verloren haben?

• Was konkret bringt Sie auf die Palme?

• Wie reagieren Sie meist in konfliktgeschwängerten Situationen?

• Wann reagieren Sie, anstatt souverän zu agieren?

• Wo kommen Sie an Ihre Grenzen?

Um herauszufinden, wo Ihre persönliche Grenze ist, könnten Sie ein Konflikttagebuch anlegen und für eine gewisse Zeit aufschreiben:

• Was Sie konkret ärgert

• Wann Sie reagieren

• Worauf Sie reagieren

• Wann Sie ruhig und souverän bleiben

• Wo Sie an Ihre persönliche Grenze kommen

Bewusst oder unbewusst: Sie treffen die Entscheidung

Wenn Sie sich selbst und Ihre Grenzen gut kennen, dann wird es leichter, bewusst zu stoppen, anstatt immer wieder unbewusst vom Tsunami weggespült zu werden. Kennen Sie das Gefühl, wenn es innerlich anfängt zu brodeln? Wenn sich Unverständnis zeigt und Sie nicht glauben wollen, was gerade geschieht? Vielleicht kommen in solchen Situationen Fragen und Gedanken wie diese:

• Wie blöd ist das denn?

• Warum um alles in der Welt kann der Kollege…?

• Woher nimmt der oder die sich das Recht…?

• Unverschämtheit…!

Genau an dieser Stelle sollten Sie stoppen und sich bewusst machen: Der Konflikt hat in erster Linie nichts mit dem Gegenüber zu tun. Sie haben richtig gelesen: Ihr Ärger hat nichts mit der Kollegin oder deren verqueren Meinung zu tun!

Ihre Kollegin hat mit ihrem Verhalten, ihrer Meinung oder Handlung Ihren Ärger nur ausgelöst und befeuert. Doch die Grundlage dafür müssen Sie zuvor schon in sich getragen haben, sonst hätten Sie darauf nicht reagiert.

Vergleichen wir es mit zwei Personen, die ein und dasselbe erleben. Die eine ist außer sich, die andere reagiert nur ganz leicht darauf. Warum reagiert nicht jeder gleich?

Weil wir Menschen unterschiedlich sind. Wir haben in unserem Leben unterschiedliche Erfahrungen, Muster und Werte angesammelt. Selbst die Definition von Richtig und Falsch beurteilen wir in aller Regel unterschiedlich. Und so reagieren wir auch unterschiedlich – jedoch können Sie sich diese Unterschiede bewusst machen. Dann werden Sie feststellen, dass die Ursache für den Konflikt in Ihnen liegt. Sie tragen den Trigger in sich, sonst hätte das Gegenüber ihn nicht auslösen können.

Unsere eigenen Emotionen sind verantwortlich für unsere Reaktionen

Wenn Sie Ihr Navigationsgerät beauftragen, Ihnen den Weg zum Ziel zu zeigen, dann wird es das souverän und emotionslos machen, egal wie oft Sie sich umentscheiden und den Weg unterwegs ändern. Es rechnet immer neu und gibt Ihnen neue Anweisungen.

Wie würde die Situation aussehen, wenn Ihre Kollegin und Sie gemeinsam auf Dienstfahrt wären? Wenn Ihre Kollegin das Fahrzeug steuerte, während Sie die Straßenkarte auf dem Schoß hielten und führen sollten. Würden Sie auch ruhig und souverän immer wieder den Weg neu berechnen? Wie lange würden Sie ruhig bleiben, wenn sie nicht auf Ihre Anweisungen hört?

Da ist die Ursache: Das Navigationsgerät hat keine Emotionen, Sie haben sie sehr wohl. Und irgendwann ist das Maß voll, und Sie reagieren nach ihren eigenen Mustern.

Doch Sie werden höchstwahrscheinlich nicht sagen: »Ich spüre, meine Emotionen triggern mich gerade, fährst du bitte kurz rechts ran, damit ich sie herauslassen kann?« Viel wahrscheinlicher fahren Sie die Kollegin an und projizieren Ihre Emotionen, die gerade mit Ihnen Achterbahn fahren auf sie. Sie reißen sie mit hinein, indem Sie sie anmeckern und sie dann irgendwann ihre eigenen Emotionen nicht mehr im Griff hat.

Immer wenn Sie sich ärgern, ein negatives Gefühl fühlen, am liebsten aus der Haut fahren würden oder das Gegenüber, den Kollegen oder Chef anfahren würden, dann haben Sie Ihre persönliche Grenze erreicht – oder sie bereits überschritten.

Deshalb ist es so wichtig, die eigene Grenze zu (er)kennen. Denn nur so kann es gelingen, an diesem Punkt zu stoppen, statt die eigenen Emotionen aufs Gegenüber zu projizieren. Wenn Sie Ihre Grenze kennen, dann fahren Ihre Gefühle und Emotionen nicht mehr Achterbahn, sondern Sie haben sie im Griff.

Eigenverantwortung übernehmen, anstatt zu streiten

Ich höre schon viele Leser sagen: »Ja, aber der oder die ist doch schuld, dass ich …« oder »Wäre dies oder jenes nicht passiert, dann hätte ich mich nicht so aufregen müssen« oder »Aber ich kann doch nichts dafür«.

Nein.

Wenn Sie lernen, Eigenverantwortung für Ihre eigenen Gefühle zu übernehmen, brauchen Sie keine Schuldzuweisungen mehr. Sondern Sie tauschen mit dem Gegenüber souverän Argumente, Daten und Fakten aus.

Übrigens fühlen nur Sie allein Ihre Gefühle. Die Kollegen haben andere Gefühle. Und Gefühle sind nur schwer vermittelbar, weil sie einzigartig sind.

Es geht um den inneren Frieden

Vorrangig geht es darum, dass Sie in einen inneren Frieden mit Ihren Gefühlen gelangen. Dann können Sie auch den Frieden im Außen leben. Dafür ist es notwendig, dass Sie bewusst Ihre Emotionen kennenlernen und steuern, sonst werden Sie davon unbewusst gelenkt.

Liebe Karolina, niemand kann Sie ärgern, auch die Kollegin nicht, außer Sie geben ihr die Macht über sich. Ob Sie Ihre Macht aus der Hand geben, sollte Ihre eigene bewusste Entscheidung sein. Dann, wenn Sie Ihre persönlichen Trigger und Grenzen kennenlernen, werden Sie auch die Steuerung über Ihren inneren Frieden in hoffentlich allen Lebenslagen beherrschen. Dann sind Sie ganz in Ihrer Kraft, eigenverantwortlich und souverän. Dann reagieren Sie nicht mehr emotional und ungehalten auf die Kollegen – sondern ruhig und souverän.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten