In Kooperation mit

Job & Karriere

Fotostrecke

Bakschisch und Co.: Noch beschenkt oder schon bestochen?

Foto: Corbis

Korruption zum Fest Schmutzig schenken

Korrupte oder korrekte Weihnachten? Viele Geschenke kommen vom Christkind, manche auch von Geschäftsfreunden. Doch nach Korruptionsskandalen wie bei Siemens grassiert die Angst vor Präsenten, jetzt muss selbst ein bisschen Marzipan versteuert werden. Hört da der Spaß endgültig auf?
Von Julia Graven

Der Siemens-Mitarbeiter hat es nicht leicht. Wenn die Poststelle ein Geschenk ins Büro bringt, vielleicht eine Kiste Orangen vom Geschäftspartner aus Israel, muss der Mitarbeiter die sogenannte Annahme-Scorecard aus der Schreibtischschublade ziehen und prüfen, ob er den Weihnachtsgruß annehmen, ablehnen oder lieber gleich der Compliance melden soll, die über die Einhaltung der Verhaltensrichtlinien wacht.

Fällt das Geschenk durch die Kontrolle, muss es entweder zurückgeschickt oder gespendet werden. Selbst kleine Aufmerksamkeiten zu Weihnachten haben im korruptionsgeplagten Konzern ihre Unschuld verloren.

In den achtziger Jahren ging es bei Siemens noch weniger förmlich zur Sache. "Da kam vor Weihnachten in den Chefetagen durchaus kistenweise Wein an", erinnert sich eine frühere Mitarbeiterin aus München. Besonders beliebt waren die Geschenke von Siemens Österreich. Dort schickte man den lieben Kollegen in der Zentrale gerne Sachertorten - auf Firmenkosten. Das alles lief unter "Pflege der guten Beziehungen" - und war auch rechtlich durchaus im Rahmen.

Strenge Regeln erst seit 1997

Erst 1997 wurde der Paragraf 299 ins Strafgesetzbuch aufgenommen, der Bestechlichkeit und Bestechung im Geschäftsleben unter Strafe stellt, bewehrt mit bis zu drei Jahren Gefängnisstrafe. Die Konzerne haben daher heute beim Thema Geschenke klare Vorgaben für ihre Mitarbeiter. Henkel etwa verbietet es seinen 48.000 Beschäftigten im arbeitsrechtlich verbindlichen "Code of Conduct", Geld, Geschenke oder sonstige Zuwendungen zu fordern, anzunehmen, anzubieten oder zu gewähren.

Ab welchem Wert es knifflig wird, wann ein Geschenk unangenehm nach Bestechungsversuch duftet, dafür gibt es keine klare gesetzliche Vorgabe - es bleibt eben Ermessenssache. Zur Sicherheit geben sich oft auch kleine Firmen strenge Regeln. Das kann schwierig werden, wenn man sich nicht auf einen Döner-Teller treffen will. Marius Richter, Experte für Korruptionsbekämpfung, Buchautor und Wirtschaftsermittler, regen die strikten Vorgaben vieler Unternehmen auf. "Es geht doch darum, den freien Wettbewerb zu schützen, da machen feste Beträge keinen Sinn", sagt er.

Wenn das Vorgehen transparent sei und mit dem Geschenk nicht ein konkreter Auftrag an Land gezogen werden soll, dürfe eine Flasche Wein ruhig auch mal 50 Euro kosten, findet Richter. Auch ein luxuriöser Bildband für einen Geschäftsführer könne durchaus angemessen sein. Je höher das Einkommen, desto größer darf das Geschenk sein. Die Gesetze seien nicht so streng, wie viele glauben, sagt Richter. "Aber momentan geht die Angst um: Um Gottes Willen, ich darf nichts annehmen."

Selbst Ärzte jammern über zu wenig Geschenke

So kommt es zum Geschenke-Downsizing: Vorbei ist die gute, alte Zeit der Champagnerkisten und Präsentkörbe. Der langjährige Projektleiter eines Bauunternehmens erzählt, dass er heute nur halb so viele Geschenke erhält wie vor 20 Jahren. Was noch an Pralinen und Taschenlampen ankommt, landet in einer Tombola auf der Weihnachtsfeier. Selbst Ärzte jammern, dass die Apotheke ihres Vertrauens nur noch ein Standard-Geschenkset mit zwei Flaschen mäßig gutem Rosé überreicht.

Immer mehr Firmen setzen da gleich auf totalen Geschenkeverzicht und geben das bisherige Weihnachtsbudget lieber für soziale Projekte aus. Der Baustoff- und Agrarhändler Wittenzellner aus Patersdorf im Bayerischen Wald hat 2009 zum letzten Mal Kugelschreiber und Mützen mit Firmenlogo verschenkt. "Etliche Kunden haben uns gesagt: Macht doch mit dem Geld etwas Sinnvolles", erzählt Mitarbeiter Klaus Jakob.

Seither dürfen die Kunden bestimmen, welche sozialen Projekte aus der Region die zehn mal 500 Euro Weihnachtsgeld bekommen. Die Sieger werden per Online-Voting ermittelt. 2011 wurden mehr als 6000 Stimmen abgegeben, so feiert ganz nebenbei auch die Homepage des Unternehmens neue Besucherrekorde.

Ist eine Uhr für 5000 Mark "sozial adäquat"?

Was bei den Firmen eher Ausdruck des vernunftbetonten Zeitgeists ist, hat bei Behörden einen handfesten juristischen Hintergrund. Teure Geschenke für Beamte oder städtische Angestellte waren noch nie erlaubt. Doch auch hier ging es einst anders zu. Da wurde der Begriff der "sozial adäquaten" und damit gerade noch erlaubten Geschenke in einigen Amtsstuben der Republik beliebig gedehnt. So diskutierte man im Fall des CSU-Manns Peter Gauweiler, der Anfang der achtziger Jahre Münchner Kreisverwaltungsreferent war, ob eine Uhr für fast 5000 Mark nicht doch als sozial adäquates Weihnachtsgeschenk eines Immobilienunternehmers gelten könne.

Ein Lehrer aus einem Münchner Vorort erzählt, dass er früher von Bauern aus dem Umland regelmäßig vor den Weihnachtsferien einen "Zenterling Gselchtes" bekommen hat. Das Geräucherte vom Schwein wurde mit dem Nebensatz überreicht, man wisse ja, was er für einen Ärger mit dem schwierigen Sohn habe. Auch der Postbote kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als er in der Weihnachtswoche mit einem Stapel Geldkuverts von seiner Tour zurückkam.

"Da hätte man ja einen emotionalen Vorteil!"

Doch die fetten Jahre sind vorbei. Der Weihnachtsobulus für Kindergärtnerin, Hausarzt oder Friseur wird bestenfalls als antiquiertes Geschleime interpretiert. Nur Kundschaft im Rentenalter steckt der Müllabfuhr noch Briefumschläge mit kleinen Scheinen zu. In München ist sogar das seit drei Jahren verboten. Die 750 Müllmänner des Abfallwirtschaftsbetriebs München dürfen Bargeld oder Gutscheine nicht annehmen. Wer bei der Annahme erwischt wird oder zufällig einen Schein in seiner Jackentasche findet, muss das Geld beim Anti-Korruptions-Beauftragten abgeben.

"Bakschisch widerspricht der Würde des Beamten", sagt der Hauptamtsleiter der Kleinstadt Dachau, Günther Domcke. Während außen an der Rathausfassade der größte Adventskalender Bayerns hängt, der die Besucher des Weihnachtsmarktes mit Geschenken beglückt, darf das städtische Personal in den Amtsstuben nicht einmal ein paar Münzen für die Kaffeekasse annehmen. "Um Gottes Willen, Bargeld", ächzt Domcke. "Das geht ja überhaupt nicht!" Auch die Umleitung von Geschenken ans örtliche Altersheim sei verboten, "da hätte man ja einen emotionalen Vorteil". Domcke hat seine strenge Politik allerdings so gut kommuniziert, dass "eh nichts mehr kommt außer Plastikkugelschreibern und Abreißkalendern".

Zu allem Übel wird der spaßfreie Umgang mit Geschenken noch vom Fiskus verschärft. Steuerfrei sind nur sogenannte Streuwerbeartikel für weniger als zehn Euro. Alles darüber muss versteuert werden, am besten gleich von der schenkenden Firma mit pauschalen 30 Prozent. Sonst muss der Beschenkte den geldwerten Vorteil nämlich selbst versteuern.

Steuerberater Henning Röttger rollt da verzweifelt mit den Augen. "Stellen Sie sich vor, mein Mandant kriegt eine Packung Marzipan geschenkt, für 15 Euro. Die muss er versteuern - selbst wenn er Marzipan hasst. Wo ist denn da der geldwerte Vorteil?"

KarriereSPIEGEL-Autorin Julia Graven (Jahrgang 1972) ist freie Wirtschaftsjournalistin in München.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten