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Kreuzfahrt-Jobs: Ein Schiff wird kommen

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Kreuzfahrt-Jobs Junge Leute zum Mitschippern gesucht

Der Kreuzfahrtbranche geht's prächtig, aber das Personal ist knapp. Einst konnte man Seeleute einfach mit Alkohol, List oder Gewalt rekrutieren - heute will die Crew mit Career-Days überzeugt werden. Köchin Luisa und Barkeeper Robert arbeiteten zur Probe auf einem Luxusliner.
Von Annick Eimer

Der Risotto-Reis köchelt im Topf. Das Messer schnellt im Rhythmus knapp an den Fingerkuppen vorbei auf Zucchini, Aubergine und Paprika. Zack, zack, zack. Luisa - jung, blond, zierlich - ist hochkonzentriert bei der Sache. "Anrichten" brüllt jemand. Eilends platziert Luisa den Reis in kleinen Bällchen auf den Teller, dazu noch zwei Peperoni-Schiffchen gefüllt mit Gemüsebeilage, und pfeffert den Teller mit Schwung auf die Anrichte aus Edelstahl.

Luisa kämpft um ihren Traumjob. So ein Risotto ist eigentlich kein Problem für die geübte Köchin. Hier aber herrschen verschärfte Bedingungen: Nur eine Herdplatte hat sie zum Arbeiten, vor allem ist es eng. Schulter an Schulter steht sie mit ihren Mitbewerbern in der Kombüse. Sous-Chef de Cuisine Anthony - der stellvertretende Küchenchef - und sein Kollege Tino registrieren jeden Handgriff und machen sich eifrig Notizen.

Heute ist Career Day auf dem Kreuzfahrtschiff "Aida Blu". 28 Bewerber wollen einen Job an Land ziehen. Erst vor wenigen Stunden ist der Ozeanriese im Warnemünder Hafen eingetroffen und läuft bald wieder aus, Richtung Sankt Petersburg. Bis dahin müssen 2000 Passagiere ausgecheckt, ihre Spuren beseitigt und ebenso viele Urlaubshungrige samt Gepäck an Bord gebracht sein.

Anthony und seine Kollegen nutzen die Zeit, um neue Köche fürs Team anzuheuern. Vor gerade mal 36 Stunden hat Luisa ihre Online-Bewerbung abgeschickt, prompt kam die Einladung zum Auswahlverfahren. Sie warf ihre Kochjacke und das Messerset in eine Sporttasche und machte sich auf den Weg nach Warnemünde.

Die Kreuzschifffahrt boomt

"Seit ich denken kann, will ich aufs Schiff", sagt Luisa, 25. Weil es ein großes Abenteuer sei. Aber auch, weil sich ein oder zwei Jahre auf einem Kreuzfahrtschiff richtig gut im Lebenslauf machten. Die Köchin aus Waren an der Müritz hat in den letzten sechs Jahren in sieben Restaurants der Spitzenklasse gearbeitet. Schiffskoch, das wäre das i-Tüpfelchen. Ein Knochenjob, der Respekt verschafft.

Das Risotto ist fertig, nervös nestelt Luisa am schwarzen Haarreifen. Dabei hat sie keinen Grund zur Sorge. Ihre Mitbewerber sind nicht wirklich Konkurrenten, sondern wahrscheinlich bald Kollegen. Denn der Reeder ist mit einem Versprechen angetreten: Wir nehmen jeden, der heute gute Arbeit abliefert.

Früher war es die Aufgabe alter Seemänner, so genannter Heuermaate, in Hafenspelunken die Schiffsmannschaft für ein Schiff zusammenzusuchen. Heute machen das Business-Frauen wie Wiebke Laudahn. Für den Career-Day hat die Managerin für Personalmarketing Köche, Hotelfachleute und Barkeeper aufs Schiff gelockt. Und hofft inbrünstig, dass alle brauchbar sind. Denn das Personal ist knapp.

Laudahns Arbeitgeber ist die Reederei Aida Cruises. Zum Unternehmen gut passen will der breit grinsende Kussmund, der als Logo die Bugs aller Schiffe der Flotte ziert - denn die Kreuzschifffahrt boomt. Um die potentielle Kundschaft zu beeindrucken, müssen immer neue Attraktionen her. Etwa eine Bierbrauerei an Bord oder ein Spa-Bereich mit luxuriösen Einzelsuiten wie auf der "Aida Blu", die im vergangenen Jahr vom Stapel lief.

Genau 20 Milliliter Rum sollen ins Cocktailglas

Das Personal muss natürlich auch stimmen. Da knirscht es. Zwar gibt es in Deutschland über 120.000 arbeitslose Köche, darunter aber nur wenige, die wie Luisa mehrere Jahre in A-la-carte-Restaurants am Herd gestanden haben und aus dem Stegreif ein traumhaft cremiges Risotto mit Biss zaubern können.

Robert ist aus Frankfurt angereist. Auf Deck zwölf macht ihm gerade der Flaschenausgießer zu schaffen. Robert ist Barkeeper und sieht geschlaucht aus von der Fahrt im Nachtbummelzug. Pünktlich um acht erschien er zum Probearbeiten. Seine Aufgabe: Genau 20 Milliliter Rum soll er mit einem Schwung aus dem Handgelenk von der Flasche ins Cocktailglas befördern. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn.

"Darf ich noch einmal testen?", fragt er die beiden Prüfer, die auf den Barhockern sitzen und Gäste mimen. Einen ordentlichen Schluck Rum kippt er in den Abfluss. Der nächste landet im Glas, dann in einem Messzylinder. Die Prüfer nicken anerkennend. Robert hat es geschafft, den Alkohol fast auf den Zehntel-Milliliter genau zu dosieren.

Acht Schiffe besitzt die Reederei, zwei weitere befinden sich im Bau. 4400 Mitarbeiter zählte Aida Cruises 2009. Im kommenden Jahr sollen es schon 6000 werden. Das entspricht einem satten Zuwachs von 27 Prozent in drei Jahren. Die Fluktuation ist groß. Viele Mitarbeiter sind nur ein, zwei Jahre dabei, nutzen die Zeit auf dem Meer als Sprungbrett für eine Karriere auf dem Land.

Viel Arbeit für ein maues Gehalt

Laudahn muss jedes Jahr Hunderte neue rekrutieren. Sie bereist die Republik mit der Mission, dem Nachwuchs das Leben auf hoher See schmackhaft zu machen. Mit der Arbeitsagentur im thüringischen Suhl veranstaltet sie regelmäßig Messen. Zudem bucht sie in ganz Deutschland Hotels, um potentielle Mitarbeiter zu testen. Sogar im Alpenland Österreich sucht Laudahn neue Seefahrer.

Wie Luisa will auch Robert unbedingt aufs Schiff: "Das ist das Coolste." Seit fünf Jahren arbeitet er für die Hotelkette Hilton. Mit dieser Konstanz ist er hier eine Ausnahme. Die meisten Bewerber leben seit Jahren aus dem Koffer - eine Saison in Ischgl, ein paar Monate in London. Fast alle können namhafte Hotels in Berlin, Köln und auf Sylt aufzählen, wo sie gearbeitet haben. Arbeitsverträge für eine Saison sind in der Branche normal. Flexibilität ist ein Muss, die Bezahlung lausig: Zwischen 1100 und 1700 Euro brutto verdient ein Koch nach der Ausbildung. Die Überstunden müssen häufig bis zum Saisonende aufgeschoben werden. Die Reederei verrät nur so viel: Sie zahlt ein bisschen besser.

Nach einem kurzen schriftlichen Test an den Restaurant-Tischen, die schon fürs Abendessen gedeckt sind, beraten sich die Personaler im Nebenraum. Anthony erzählt, dass er sich vor zwei Jahren beim Career-Day anheuern ließ. Sechs Monate am Stück an Bord, dann zwei Monate frei - das ist seitdem der Rhythmus, wo er mit muss. Auf dem Schiff arbeitet er sieben Tage die Woche, mal Früh-, mal Spätschicht. "Das zehrt ganz schön", sagt Anthony. In der freien Zeit macht er Urlaub mit seiner Freundin, besucht Familie und Freunde. Kollege Tino fügt hinzu: "Nach ein paar Jahren auf See hat man nur noch einen ganz, ganz kleinen Freundeskreis."

Keiner der Bewerber hört richtig zu. Die alles entscheidenden Gespräche werden hinter der Tür geführt - heraus kommt alle Nase lang ein Bewerber, fast immer jubelnd. In der einen Hand der Arbeitsvertrag, in der anderen eine kleine Pappkiste. Darin liegen ein Wattestäbchen und ein Röhrchen - für die Speichel- und Kotprobe, die postwendend an ein Rostocker Labor geschickt werden müssen für den branchenüblichen Gesundheitscheck.

Gäste-Bespaßung: Halb so schlimm, "die Köche stehen ganz hinten"

Auch Luisa und Robert haben den Pappkarton bekommen, zudem eine Liste an Ländern, für die sie sich flink ein Visum besorgen müssen. Für Luisa geht's in drei Tagen los: eine Woche Sicherheitstraining, dann in Berlin die Botschaften abklappern, ab ins Flugzeug nach Rhodos, von dort in die Karibik und weiter nach New York. Sie wird in der Show-Küche stehen, täglich zehn Stunden vor Zuschauern Gerichte zaubern. "Ein echter Jackpot", sagt sie lachend.

Wie ihre künftigen Kunden so ticken, weiß sie schon. Sie hat sich im Internet Videos angeschaut. Im Musik-Clip eines Aida-Fanclubs  liefert ein betagter Partylöwe mit nacktem Oberkörper und Pudelmütze eine Ballermann-würdige Show ab. "Wir sind mal wieda auf der Aida" lautet der Refrain; Bikini-Grazien im Clubschiff-Pool wackeln zu wummernden Beats mit den Hüften.

"Ist doch lustig, oder?", sagt Luisa und lauscht weiter mit breitem Grinsen den beiden Schiffsköchen. "Kann schon passieren, dass das eigene Kind dich Onkel nennt, wenn man mal wieder zu Hause ist", sagt Tino sarkastisch. Anthony erzählt von der wöchentlichen Tanz-Darbietung der Aida-Crew zur Gäste-Bespaßung: "Ist nicht so schlimm. Die Köche stehen ganz hinten."

Früher rekrutierte man eine Crew, indem man Seeleute erst betrunken machte und dann mit Gewalt oder mit List aufs Schiff zerrte. War der Rausch verflogen, befanden sich die Trunkenbolde bereits auf hoher See. Schanghaien heißt das im Seemannsjargon; man spricht auch von Pressen oder Kobern.

Von 28 Bewerbern, die zum Career Day geladen waren, haben 26 einen Arbeitsvertrag bekommen. Auf der "Aida Blu" kann keiner sagen, er habe nicht gewusst, worauf er sich einlässt.

Foto: David Einsiedler

KarriereSPIEGEL-Autorin Annick Eimer (Jahrgang  1975) ist freie Journalistin in Hamburg.

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