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Job & Karriere

Kündigung Gehen und gegangen werden

Für ein Unternehmen ist es ein kleiner Schritt, für einen Angestellten ein großer Bruch: Eine Kündigung kann das Leben völlig auf den Kopf stellen. Wie ist das, wenn man selbst den Hut nimmt, wenn man gefeuert wird oder Mitarbeiter entlassen muss? Vier Menschen erzählen.
Von Anna Brüning

Heuern und feuern, kommen und gehen, es ist ein ewiger Teil des Wirtschaftslebens. Von einer "normalen Dynamik am Arbeitsplatz" sprach Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, im Zuge der Entlassungswelle bei der Drogeriekette Schlecker: "In Deutschland verlieren jeden Tag fast 20.000 Menschen ihre Arbeit, und mehr als 20.000 finden einen neuen Arbeitsplatz. Jeden Tag", so Alt in einem "Zeit"-Interview.

Für die, die auf die Straße gesetzt werden, ist eine Entlassung alles andere als alltäglich. Sie ringen mit Zukunftsängsten und Geldsorgen, oft bricht für sie eine Welt zusammen. Andere gehen aus freien Stücken, weil sie andere, bessere Pläne haben. Schockstarre, Wutausbrüche oder auch Jubel und ein Gefühl der Befreiung - wer schon einmal eine Kündigung erlebt hat, weiß, dass dabei die Emotionen hochkochen.

Was passiert, wenn man selbst betroffen ist und die ferne Statistik zur persönlichen Realität wird? Vier Menschen berichten aus ganz verschiedenen Perspektiven über Demütigungen, Zorn, fliegende Wechsel und schwierige Kündigungsgespräche.

  • Kündigung aus Überzeugung:
    "Meine Familie und die Weltreise waren mir wichtiger als mein Job"

Thomas Ganslmayr, 45, Trainer und Coach, gab seinen Job in der internationalen Personalentwicklung eines großen Handelskonzerns auf, um die Welt zu bereisen und eine Familie zu gründen.

Thomas und Olivia Ganslmayr: Weltenbummler mit großen Plänen

Thomas und Olivia Ganslmayr: Weltenbummler mit großen Plänen

"Als Olivia und ich uns kennenlernten, führten wir eine Fernbeziehung. Das sollte kein Dauerzustand bleiben. Zudem wollten wir reisen. Olivia, die als Bankmanagerin arbeitet, brauchte nach 13 Jahren auf der beruflichen Überholspur eine Auszeit, um sich selbst neu zu entdecken. Ich war sowieso ein Weltenbummler. Also nahm Olivia ein Sabbatical - und ich kündigte.

Das war emotional schwerer, als ich dachte. Was war ich als Mann, wenn nicht der Ernährer? Manche Kollegen beneideten mich, andere fragten, ob ich mein Leben lang vom Geld meiner Frau leben wolle. Doch es war eine Entscheidung für die Beziehung, die ich nie bereut habe. Vor meiner Kündigung habe ich genau überlegt, wie es danach weitergeht. Ich hatte bereits eine Ausbildung zum Stress-Coach begonnen. Nach der Weltreise  wollte ich mich damit selbständig machen, Olivia sorgte für die finanzielle Sicherheit. Dieser Gedanke und viele Gespräche halfen gegen meine Angst.

Kurz vor der Weltreise wurde Olivia schwanger. Wir reisten trotzdem. Für viele Kulturen sind Schwangere fast schon heilig - Olivia blühte auf, hatte keinen Stress, konnte essen und schlafen, wann sie wollte. Wir lernten viele Menschen kennen, die den Mut hatten, ihre vermeintlich sicheren Jobs zu kündigen, um ihren Traum zu leben. Viele sind glücklicher, als sie es mit gutem Gehalt und Dienstwagen je waren.

Das europäische Wertesystem ist von Sicherheitsdenken und Angst geprägt. Ein Freund in Bangkok sagte mal: Wenn man in Asien eine Idee hat, muss man sie sofort aufschreiben. Sonst fressen die Realität des Alltags und die Angst der Leute in Europa die Gedanken auf. Auch wir hatten eine Idee: Da wir überall wunderschöne Dinge für Babys fanden, entwickelten wir Babyssimo , einen Onlineshop mit Babysachen aus aller Welt. Seit März 2012 ist die Seite online, noch können wir nicht davon leben.

Olivia arbeitet wieder in ihrem alten Job. Ich habe mich als Trainer und Coach selbständig gemacht, es läuft gut. Wenn im Januar das zweite Baby kommt, werde ich neben meinen Aufträgen Hausmann und Vater sein, damit Olivia wieder durchstarten kann."

"Das Arbeitsklima war schrecklich" - Befreiung nach zwei Jahren Qual

Am letzten Tag fuhr Lena Eller vom Büro aus direkt zum Flughafen, um auf Bali den Stress der letzten zwei Jahre zu vergessen

Am letzten Tag fuhr Lena Eller vom Büro aus direkt zum Flughafen, um auf Bali den Stress der letzten zwei Jahre zu vergessen

"Die Kündigung war ein tolles Gefühl"

Lena Eller (*Name geändert), 29, Online-Producerin, kündigte 2012 nach zwei Jahren in einem großen Hamburger Verlagshaus.

"Als ich 2010 die Stelle antrat, war alles gut, das Team nett, die Aufgaben waren spannend. Nach vier Monaten ging der Alptraum los. Meine Mutter lag im Sterben, und ich hatte mir frei genommen, um bei ihr zu sein. Obwohl meine Chefin das wusste, bekam ich Aufgaben geschickt, die ich von zu Hause aus erledigen musste.

Als meine Mutter starb, wurde ich eine Woche krankgeschrieben. Daraufhin rief meine Chefin an: 'Sei mal ehrlich, bist du wirklich so krank, das du nicht arbeiten kannst? Du bist noch in der Probezeit, Fehlzeiten sehen die hier nicht gern. Ich erwarte dich Montag im Büro.' Ich war sprachlos und verletzt, wollte aber nicht auch noch arbeitslos werden, also ging ich ins Büro. Mein Chefin war nicht da - freigestellt, sie hatte gekündigt. Das wusste sie schon bei unserem Telefonat.

Ich schleppte mich durch die folgenden Tage und weinte im Büro. Nach Feierabend räumte ich die Wohnung meiner Mutter leer, nahm zehn Kilo ab. Zeit zum Trauern blieb nie. Mit der neuen Chefin verstand ich mich gut, wir telefonierten sogar privat. Doch von einem Tag auf den anderen änderte sich alles. Ich hatte ihr Verbesserungsvorschläge geschickt. Daraufhin kam sie an meinen Schreibtisch: Wie ich es wagen könne, ihr zu widersprechen. Sie sei die Chefin, ich solle nur ausführen. 'Du hast hier keine eigene Meinung.'

Von da an wurde es immer schlimmer. Sie grüßte nicht mehr, auch andere Kolleginnen litten unter ihren Launen. Das Arbeitsklima war schrecklich. Ich hatte Bauchschmerzen, schlechte Haut, Schlafstörungen. Als ein schmerzhafter Tinnitus dazukam, kündigte ich. Ein tolles Gefühl!

Jetzt habe ich einen neuen Job in einem anderen Verlag, in dem ich sehr glücklich bin. Ich trage mehr Verantwortung, das Arbeitsklima ist viel besser. Heute frage ich mich, wieso ich nicht schon viel früher gegangen bin. Mit meinen ehemaligen Kolleginnen bin ich gut befreundet. Fast alle suchen eine neue Stelle, weil die Stimmung so schlecht ist."

"Mein Team war klasse" - aber sie musste alle entlassen

Andrea Beyer entließ 15 Leute - und sucht nach dem Positivem

Andrea Beyer entließ 15 Leute - und sucht nach dem Positivem

"Jede Kündigung ist eine Chance"

Andrea Beyer, 49, Unternehmensberaterin und Coach, musste als Leiterin eines Callcenters einer Bank 2007 ihr komplettes Team aus 15 Mitarbeitern entlassen.

"Harmonisch, motiviert und erfolgreich - mein Team war wirklich klasse. Es war auch für mich ein Schock, als ich erfuhr, dass die Abteilung aufgelöst werden sollte. Vorher musste ich schon Zeitarbeitsmitarbeiter oder Angestellte in der Probezeit wegen unzureichender Leistungen entlassen. Doch 15 Leuten zu kündigen, obwohl sie ihre Arbeit gut machen: Das war auch für mich ein schwerer Schritt.

Test: Wie hoch ist Ihr Scheiter-Risiko?
Foto: Corbis
Foto: Corbis
Foto: Corbis

Ich habe mit jedem ein Einzelgespräch geführt und über Stärken, Chancen und Wünsche gesprochen. Meine Erfahrung hat gezeigt: Auch wenn eine Kündigung erst als harter Schnitt erscheint, geht meist etwas Besseres daraus hervor. Die Energie, die durch Wut und Enttäuschung entsteht, lässt sich umleiten, um neue Wege zu gehen.

Das kann man aber nicht jedem vermitteln. Eine Mitarbeiterin wurde laut, wollte partout in der Bank bleiben und keine anderen Chancen annehmen. Da fiel es mir schwer, ruhig zu bleiben, Geduld zu bewahren und nach Feierabend abzuschalten. Ich habe daraus gelernt: Es ist wichtig, Mitarbeiter mitfühlend und unterstützend hinaus zu begleiten. Doch wenn jemand die Hilfe nicht annimmt und lieber einen anderen Weg geht, ist das seine Entscheidung und bleibt in seiner Verantwortung.

Auch ich wurde vor vielen Jahren schon mal entlassen, auf eine sehr unschöne Art und Weise. Eine wichtige Erfahrung, denn so habe ich gelernt, dass es anders laufen sollte - das hilft mir, wenn ich heute Führungskräfte coache. Da zeigt sich wieder: Auch aus einer schlimmen Erfahrung kann etwas Positives entstehen."

Eingestellt aus Versehen? Nach drei Wochen war alles vorbei

Lothar Schmidt fiel aus allen Wolken

Lothar Schmidt fiel aus allen Wolken

"Ich bin heute noch sauer"

Lothar Schmidt, 46, Unternehmer, wurde 2002 nach nur drei Wochen als Leiter im Controlling eines großen Büromöbel-Konzerns gefeuert.

"Ich hatte mich lange auf die Bewerbung vorbereitet, hier stimmte alles: Die Größe des Konzerns, das Gehalt, die Produkte, das Team. Zwar kriselte es im Unternehmen, da in der Wirtschaftskrise viel an Büroeinrichtung gespart wurde, doch gerade diese Krisenbewältigung und Restrukturierung reizte mich. Ich freute mich sehr, als die Zusage kam.

Doch die Freude nahm ein jähes Ende. Nach nur drei Wochen war alles vorbei. Die Begründung, die man mir auftischte: Meine Einstellung als Führungskraft sei nicht mit dem Mutterkonzern in den Niederlanden abgestimmt gewesen, der nun ein Veto eingelegt habe.

Im ersten Moment war ich geschockt. Risiko ja - aber dass es von einer unprofessionellen Konzernpolitik ausging, hatte ich nicht erwartet. Der Karriereknick traf mich völlig unvorbereitet. Gerade hatte ich andere Angebote abgesagt, und jetzt das! Auch meine Frau fiel aus allen Wolken. Ich war der Haupternährer unserer kleinen Familie, und meine Frau wusste, wie schwer der Arbeitsmarkt zu dieser Zeit war. Meine Hilflosigkeit vermischte sich mit Wut. Wie kann man mit einem Bewerber so unprofessionell umgehen?

Auch heute bin ich noch sauer, obwohl die Geschichte schon zehn Jahre her ist. Ich habe daraus gelernt: So werde ich nie mit meinen Mitarbeitern umgehen."

Foto: Andreas Muhme

KarriereSPIEGEL-Autorin Anna Brüning (Jahrgang 1988) ist freie Journalistin in Hamburg.

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