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Unternehmer in Thailand: Betriebsausflug in den Regenwald

Foto: Sven Ernst

Deutscher Unternehmer in Thailand "Mobbing gibt es hier nicht"

Thailänder sind ehrgeizig und nicht so verwöhnt wie die Deutschen, sagt Sven Ernst, der in Chiang Mai eine Softwarefirma leitet. Einen entscheidenden Standortnachteil gebe es trotzdem.

"Ich habe nie geplant auszuwandern, aber mittlerweile muss ich von mir wohl sagen: Ich bin ein Auswanderer.

Ich lebe schon seit zehn Jahren in Thailand. Damals bin ich zum Studieren nach Chiang Mai im Nordwesten gezogen, weil ich ein paar Jahre in Asien leben, die Kultur besser kennenlernen wollte.

Als ich 2007 mit Freunden eine Softwareagentur  aufgebaut habe, bin ich erstmal gependelt - die anderen sitzen in Stuttgart. Vor drei Jahren haben wir dann beschlossen, einen Standort in Chiang Mai aufzubauen, mit 1,6 Millionen Einwohnern immerhin die zweitgrößte Stadt des Landes. Dass es kostengünstiger ist, war nicht unsere Hauptmotivation - vom klassischen Outsourcing halten wir nichts. Nein, ich wollte etwas aufbauen, in der Stadt, in der ich schon so lange lebe.

Abendessen für 80 Cent, Käse für acht Euro

Ach ja, das liebe Geld. Die Sache mit dem Gehalt ist ein sehr komplexes Thema. Denn natürlich ist Thailand als Standort auch deshalb attraktiv, weil es für uns als Unternehmen günstiger ist als in Deutschland. Wir zahlen nicht auf thailändischem Niveau, das wäre reine Ausbeutung. Aber deutsche Gehälter zu zahlen würde bedeuten, die Strukturen hier durcheinanderzubringen.

Ein gesundes Mittelmaß zu finden, ist eine Herausforderung. Wir zahlen teils etwa das Doppelte eines entsprechenden thailändischen Gehalts. Obendrauf packen wir noch Bonuszahlungen am Ende des Jahres, das sind noch mal zwei bis drei Monatsgehälter.

Um mal einen Vergleich anzustellen: Hier kann man an einem der vielen Straßenstände für umgerechnet 80 Cent ein frisch gekochtes, wahnsinnig leckeres Abendessen bekommen, eine Pizza kostet etwa vier Euro. Mit 400 Euro im Monat kommt man hier gut über die Runden - wenn man lebt wie ein Einheimischer. Aber alles, was importiert werden muss, ist richtig teuer. Für Camembert muss man acht Euro hinlegen, eine Flasche Wein bekommt man nicht unter zwölf.

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Kulturschock: Arbeiten in fremden Welten

Foto: Daniel Garofoli

Unsere Entscheidung, hier einen Standort aufzumachen, fiel uns besonders leicht wegen eines Förderprogramms des thailändischen Wirtschaftsministeriums, speziell konzipiert für Start-ups in Wachstumsbranchen: acht Jahre steuerbefreit, Hilfe bei der Bürokratie, dazu fallen ein paar Regeln weg, etwa dass man einen inländischen Partner braucht, dem mindestens 51 Prozent des Unternehmens gehört oder dass man eine bestimmte Anzahl Thailänder beschäftigen muss.

Von unseren 16 Mitarbeitern sind zehn von hier, der Rest kommt aus Deutschland, USA, Kanada und der Schweiz. Unsere Firma sitzt in einem dreistöckigen Haus mit 300 Quadratmetern, wir pflegen eine sehr offene Atmosphäre, mit flachen Hierarchien, Tischfußball und Lounge - in Deutschland ja nicht unüblich. Aber für Thailand ist das eine Herausforderung. Hier arbeitet man sehr hierarchisch, selbst in der Kreativbranche sind die Großraumbüros in Cubicles unterteilt.

Es war nicht immer einfach, eine gemeinsame Arbeitskultur zu etablieren. So sind es Thailänder etwa nicht gewohnt, nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben, oder zu sagen, dass sie einen besseren Lösungsansatz haben als den, den der Chef vorgeschlagen hat. Und selbst wenn wir vor einem Bewerbungsgespräch am Telefon erzählen, wie wir so arbeiten, was uns in unserer Firma wichtig ist, tauchen sie in den hier typischen Uniformen auf, geschniegelt im Anzug. Andere ausländische Unternehmer hatten uns im Vorfeld auch vor einer hohen Fluktuation unter den Mitarbeitern und Unzuverlässigkeiten gewarnt. Diese Erfahrungen haben wir bislang aber nicht gemacht.

Das Land der vielen Feiertage

Im Gegenteil, ich finde es für unser Unternehmen sehr befruchtend, wie unsere thailändischen Mitarbeiter eingestellt sind. Sie sind einerseits sehr ehrgeizig, nicht so saturiert und verwöhnt von Sozialleistungen, einer 9-to-5-Kultur wie wir. Außerdem gehen die Mitarbeiter sehr hilfsbereit miteinander um - so etwas wie Mobbingkultur gibt es hier gar nicht.

Wie wenig sich der Einzelne in den Mittelpunkt rückt, erlebte ich, als ich neulich einen neuen Mitarbeiter fragte, ob er nicht zehn Tage in unser Stuttgarter Büro fliegen wolle, als Teil unseres Austauschprogramms, das wir von Anfang an betrieben haben. Das erste, was er sagte, war: Aber die eine Kollegin ist doch schon länger da als ich, sie wäre als nächste dran. Ich war perplex, ich hatte daran einfach nicht gedacht.

Die digitalen Nomaden kommen

Starre Arbeitszeiten haben wir nicht, wir sind in etwa zwischen 9 und 18 Uhr im Büro. Anders als im Land üblich ist bei uns aber der Samstag frei. Auch unsere Urlaubsregelung ist sehr offen, die Mitarbeiter können nach Belieben freinehmen. Ausgeschöpft wurde das noch nie. Die meisten nehmen nur etwa 10 Tage. Das liegt auch an den viele gesetzlichen Feiertagen hier - 16, 17 sind das je nach Jahr noch obendrauf. Und wenn einer davon auf ein Wochenende fällt, muss als Ausgleich der Montag freigegeben werden.

Das einzige, was uns fehlt, ist die Möglichkeit zum Netzwerken. Deshalb bin ich nun mit meiner zweiten Firma, einem internationalen Yogaportal , das ich vor einem Jahr gegründet habe, bis Ende des Jahres in San Francisco, um uns in einem Gründerzentrum mit anderen auszutauschen und gezielt gefördert zu werden.

Aber ich freue mich schon wieder auf Chiang Mai. Das Tolle an dieser Stadt ist neben der Landschaft mit ihren Bergen, Wasserfällen und heißen Quellen, dass sie das beste beider Welten vereint: Sie hat einerseits kulturell wahnsinnig viel zu bieten, es gibt Hunderte Tempel, hier bewahrt man die Tradition - und andererseits ist sie ultramodern. Wegen dieser Facetten kommen wahrscheinlich auch immer mehr digitale Nomaden hierher.

Von dem guten Wetter ganz zu schweigen. Ehrlich, jeden Tag in kurzer Hose zur Arbeit zu gehen, das möchte ich nicht mehr missen."

Aufgezeichnet von Anne Haeming

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