Verwandlung nach Dienstschluss Nachts auf Geisterjagd

Ist das da wirklich der Schalterangestellte, der tagsüber so mausgrau seinen Dienst verrichtet? Viele Menschen verwandeln sich, sobald sie ihr Arbeitsbiotop verlassen, und machen Dinge, die man ihnen am Arbeitsplatz nie zutrauen würde. In loser Folge zeigt KarriereSPIEGEL die verrücktesten Beispiele.
KarriereSPIEGEL: Spreche ich jetzt mit der Sachbearbeiterin oder mit der Geisterjägerin?
Köllner: Wenn Sie mich fragen, womit ich mich eher identifiziere, dann mit der Geisterjägerin. Ich interessiere mich schon seit meiner Kindheit für paranormale Phänomene. Als in einem Internetforum jemand Mitglieder für ein Ghosthunter-Team suchte, habe ich mich sofort gemeldet.
KarriereSPIEGEL: Und was machen Sie als Geisterjägerin genau?
Köllner: Bei uns melden sich Menschen, die glauben, dass es in ihrem Haus oder ihrer Wohnung spukt. Mit Vor- und Nachbereitung brauchen wir etwa vier bis sechs Wochen für eine Untersuchung. Geld nehmen wir dafür nicht.
KarriereSPIEGEL: Wie findet man denn einen Geist?
Köllner: Wir legen zum Beispiel ein Blatt Papier auf den Boden und platzieren Gegenstände darauf, von denen wir glauben, dass sie den Geist provozieren. Im Verlies einer alten Burg, in dem angeblich Geister von Verhungerten herumspuken, würden wir zum Beispiel Lebensmittel nehmen. Wir umranden sie mit einem Stift, gehen weg und kommen nach einer bestimmten Zeit wieder, um zu gucken, ob sich die Sachen aus der Umrandung wegbewegt haben. Das ist der so genannte "Movetest".
KarriereSPIEGEL: Hat sich schon jemals ein Gegenstand bewegt?

Esoterische Berufe: Ihr haltet uns für verrückt. Na und?
Köllner: Nein.
KarriereSPIEGEL: Sind Sie denn überhaupt schon mal auf einen Geist gestoßen?
Köllner: In einem leer stehenden Haus haben wir mal ein Diktiergerät im Keller versteckt. Wir haben uns um das Haus herum postiert, so dass niemand unbemerkt hineingelangen konnte. Als wir das Diktiergerät später abhörten, waren in der Mitte der Aufnahme Schritte zu hören, die nicht von uns waren. Das können wir uns bis heute nicht erklären.
KarriereSPIEGEL: Aber gejagt haben Sie den Geist dann nicht?
Köllner: Etwas nicht erklären zu können, bedeutet nicht gleich, dass die Ursache ein Geist sein muss. Wir besprechen das ausführlich mit dem Klienten und bleiben auf Wunsch in Kontakt. Das leer stehende Haus wurde inzwischen saniert und die neuen Eigentümer haben bisher keine Probleme.
KarriereSPIEGEL: Was sagen denn Ihre Kollegen zu Ihrer, nun ja, unkonventionellen Freizeitgestaltung?
Köllner: Ich habe es nicht an die große Glocke gehängt, aber irgendwann kam es raus. Mit meinen Kollegen habe ich echt Glück. Sie haben alle genau nachgefragt, viele waren auch beeindruckt. Wirklich negatives Feedback habe ich von keinem bekommen. Ein paar haben nur ungläubig gefragt: "Wie, glaubst du an Geister?"
KarriereSPIEGEL: Für ihr Hobby sind Sie immer nachts unterwegs. Können Sie sich am nächsten Morgen überhaupt auf Ihren Job konzentrieren?
Köllner: Ich bin sowieso ein Nachtmensch. Da wir unsere Einsätze häufig auf einen Freitag oder einen Samstag legen, habe ich ja auch mindestens einen Tag zum Ausruhen dazwischen, bevor es wieder an die Arbeit geht. Ablenken kann es einen aber schon, klar. Ich stelle mir dann bildlich vor, dass ich die Geister in eine Schublade packe und diese zumache, während ich im Büro arbeite. Das hilft wirklich gut.
KarriereSPIEGEL: Einige Geister sollen aber durch Wände gehen können...
Köllner: Ja, wenn man nicht aufpasst, tun sie das tatsächlich. Aber wenn viel im Büro zu tun ist, trauen sie sich aus der Schublade gar nicht raus.
KarriereSPIEGEL: Jetzt mal ganz ehrlich: Ist das alles nicht ein Riesenhumbug?
Köllner: Nein. Ich finde es sinnvoll, Menschen zu helfen, denen kein anderer helfen kann. Zum Psychiater trauen sich viele nicht, aus Angst, für verrückt erklärt zu werden. Die meisten Klienten haben aber tatsächlich ein psychisches Problem, der Spuk ist hausgemacht. Er kann aber auch auf Wahrnehmungsfehlern oder Fehlinterpretation basieren.
KarriereSPIEGEL: Dann sind Sie also gar keine Geisterjägerin, sondern eine Art Therapeutin?
Köllner: Den Begriff Therapeut finde ich sehr heikel. Die Menschen, die sich bei uns melden, sind nicht verrückt. Sie haben nur ein Problem, mit dem sie sich an keinen anderen wenden können. Oft stellt sich ein gruseliges Wimmern als defektes Lüftungsrohr heraus. Die Wahrscheinlichkeit, auf Geister zu treffen, ist verschwindend gering. Aber das soll jetzt nicht heißen, dass wir nicht an Geister glauben.
KarriereSPIEGEL: Sachbearbeiterin ist ja nicht gerade der aufregendste Beruf. Wäre Ihr Leben ohne Ihr Hobby zu langweilig?

Das Interview führte Almut Steinecke (Jahrgang 1972), Online-Redakteurin und freie Journalistin in Köln.
Köllner: Die Arbeit im Büro macht mir auch Spaß. Aber sie ist natürlich ziemlich ruhig, und man bewegt sich nicht viel. Da ist die Geisterjagd, die oft gruselig ist und bei der man viel um die Ecke denken muss, ein guter Ausgleich. Gerade weil beides so gegensätzlich ist, ergänzen sich Hobby und Beruf perfekt, so dass ich mich immer jeweils für den anderen Bereich wieder aufgetankt und fit fühle.