
Azubis als Globetrotter: "Inzwischen bin ich selbst ein bisschen spanisch"
Azubis als Globetrotter "Inzwischen bin ich selbst ein bisschen spanisch"
Viel weiter weg von zu Hause hätte Moritz von Kessel, 22, für die Ausbildung kaum gehen können. Seit zwei Jahren lernt er Groß- und Außenhandelskaufmann nach dem deutschen System - und zwar in China: "Ich wollte mich nach der Schule international aufstellen." Von einem Freund erfuhr er von der Option, sich über die Außenhandelskammer ins Ausland vermitteln zu lassen. Nun lernt er bei Tchibo in Hongkong.
Die Produkte, die in Deutschland in den Läden stehen, kauft zum Teil seine Abteilung bei chinesischen Fabriken ein. Will Moritz von Kessel später zurück nach Deutschland wechseln, ist das kein Problem. Sein Abschluss ist deutschen Personalern bekannt.
Im Ausland zu studieren, von dieser Option wissen viele. Aber dort eine Lehre machen? Davon haben die meisten noch nie gehört. Dabei ist auch das in vielen Ländern möglich. Wer großes Fernweh hat, kann zum Beispiel Hotelfachmann in Portugal lernen oder Industriekaufmann in Madrid.
Das Prozedere ist immer ähnlich: Jugendliche wenden sich in der Regel zuerst an die deutsche Außenhandelskammer des Landes, in dem sie eine Ausbildung machen wollen. Unter Umständen geben sie dort sogar ihre Bewerbung ab. Die Kammer erstellt dann Profile, die sie deutschen Firmen im Ausland weiterleitet. Die suchen sich passende Bewerber aus - und laden die Jugendlichen im besten Fall zum Vorstellungsgespräch ein.
"Ich wollte wissen, wo die Produkte herkommen, die ich als Groß- und Außenhandelskaufmann einkaufe", erklärt Moritz von Kessel. Nun geht er auf Messen in China und besucht Fabriken, bei denen Tchibo die Fertigung der Produkte in Auftrag gibt. In der Berufsschule sind sie derzeit 51 Auszubildende aus Deutschland.
Duzen, Küsschen, Lockerheit
Nicht ganz so weit weg hat es Johanna Köllner, 23, gezogen. Sie hat ihre Ausbildung bei Siemens in Madrid gemacht. Das Unternehmen fertigt in Spanien Röntgengeräte und Motoren für Züge. Seit mittlerweile fünf Jahren arbeitet sie in Spanien. Die sprachlichen Grundlagen hatte Johanna schon vorher gelegt: Während der Schulzeit war sie ein Jahr in Panama, nach ihrem Abschluss wollte sie wieder ins Ausland zurück. Von einer Freundin erfuhr sie, dass sie in Madrid Industriekauffrau lernen kann.
"Am Anfang hatte ich schon einen Kulturschock", erzählt Johanna Köllner. Die Menschen in Spanien seien im Arbeitsalltag viel lockerer als in Deutschland: "Man duzt jeden, selbst den Chef." Und morgens werden alle mit Küsschen begrüßt. "Daran gewöhnt man sich, und inzwischen bin ich selbst ein bisschen spanisch."
Wer sich dafür interessiert, die Ausbildung komplett im Ausland zu machen, sollte auf jeden Fall offen sein - manches laufe dort anders, sagt Tanja Nause, bei der Deutschen Handelskammer zuständig für das Thema Ausbildung in Spanien. Außerdem sind Spanisch-Grundkenntnisse Voraussetzung. In Hongkong dagegen sind Mandarin-Kenntnisse nicht erforderlich, dort sollten Bewerber jedoch sehr gut Englisch sprechen können.
Etwa die Hälfte der Azubis kommt zurück
Mit der Ausbildungsvergütung allein kommen Bewerber in der Regel nicht aus. Sie ist ähnlich hoch wie in Deutschland. Die Erfahrung zeigt: Azubis brauchen je nach Land und Stadt etwa 500 Euro zusätzlich zur Vergütung, um ihr Leben zu finanzieren. Es besteht allerdings die Möglichkeit, Ausbildungsbeihilfe zu bekommen.
Das gilt auch für Jugendliche, die nicht gleich die ganze Ausbildung im Ausland machen wollen: Sie können als Hospitanten auch für kürzere Zeit in einen Betrieb aus der gleichen Branche in ein europäisches Nachbarland gehen und werden dabei von den Industrie- und Handelskammern unterstützt.

Spanischer Azubi in Deutschland: "Es gibt mehr Chancen für junge Leute"
Wo die Bewerber nach der Ausbildung landen, unterscheidet sich je nach Land. In Hongkong bleibt ungefähr ein Drittel der Absolventen nach dem Abschluss in China, ein weiteres Drittel nimmt in Hongkong ein Studium auf. Der Rest geht zurück nach Europa, um den Job in Deutschland fortzusetzen oder um zu studieren. In Spanien bleibt ungefähr die Hälfte nach der Ausbildung im Unternehmen, die andere Hälfte geht zum Studieren zurück nach Deutschland.
Ob es seltsam ist, angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Spanien eine Ausbildung zu machen? Nein, sagt Johanna Köllner. Sie nehme niemandem einen Platz weg, denn Voraussetzung für die Ausbildung seien exzellente Deutschkenntnisse, und die haben nur wenige Spanier. Ihre Freunde dort hätten sich am Anfang gewundert, dass sie für eine Ausbildung Deutschland verlässt und ausgerechnet nach Spanien kommt. "Aber die wissen ja, dass die Deutschen Spanien mögen."