Berlin Nur rund ein Drittel aller neuen Lehrer hat ein Lehramtsstudium absolviert

Unterricht an einer Berliner Schule (Archiv)
Foto: imagoBerlin geht ungewöhnliche Wege, um den Lehrermangel in der Stadt zu bekämpfen. Zum neuen Schuljahr konnte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zwar alle offenen Stellen besetzen, allerdings nicht mit Lehrkräften, die auch ein Lehramtsstudium absolviert haben.
Von den 2700 neu eingestellten Lehrern haben nur 1047 den Beruf an einer Hochschule erlernt, also ein Lehramtsstudium abgeschlossen. Das entspricht ungefähr 39 Prozent. Die restlichen Stellen haben Quereinsteiger (27 Prozent), sogenannte Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung (34 Prozent) sowie Masterstudenten auf Lehramt (knapp vier Prozent) bekommen.
Die Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung haben weder ein Lehramtsstudium noch ein Fach studiert, das an Berliner Schulen unterrichtet wird. Es handelt sich hier zum Beispiel um Absolventen der Archäologie, die etwa als Geschichtslehrer eingesetzt werden sollen.
Lücken können nicht mehr durch Quereinsteiger gefüllt werden
Zum ersten Mal konnten die Lücken nicht nur durch Quereinsteiger gefüllt werden, das hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) schon im Juni angemahnt. Nach Ansicht der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sich die Personalsituation an Berliner Schulen im neuen Schuljahr damit noch einmal deutlich verschlechtert.
"Wir erkennen an, dass Senatorin Sandra Scheeres es trotz des gravierenden Fachkräftemangels geschafft hat, alle offenen Stellen zu besetzen", sagte der Vorsitzende der GEW Berlin, Tom Erdmann. "Allerdings musste sich die Senatorin dafür einiger Tricks bedienen."
Die GEW kritisiert, dass die Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung nur befristet angestellt seien und dass unklar sei, welchen Ausbildungsgrad sie haben und auf welcher rechtlichen Grundlage sie eingestellt worden sind. Die Gewerkschaft fordert daher, diese Lehrkräfte umfangreich weiter zu qualifizieren. Sie bräuchten wie die Quereinsteiger Vorbereitungskurse und Perspektiven.
Scheeres kündigte zudem an, Quereinstiger von nun an besser auf ihre Tätigkeiten vorzubereiten. Sie werden zwei Wochen vor Unterrichtsbeginn in einem Studienzentrum in die wichtigsten Themen des Unterrichtens und Erziehens eingeführt.
Zudem wird ihnen in den ersten acht Wochen an der Schule eine erfahrene Lehrkraft - das kann ein Ausbilder, ein Pensionär oder ein externer Coach sein - an die Seite gestellt. Und sie sollen ein Jahr lang an wöchentlich stattfindenden Workshops teilnehmen.
Stipendien für Studiengangswechsler
Außerdem lobt die Stadt 100 Stipendien für Bachelorabsolventen aus, die sich zum Wechsel in ein Lehramtsmasterstudium entscheiden. Sie sollen vier Semester lang 500 Euro brutto im Monat erhalten.
Bereits Anfang des Jahres hatten sich Scheeres und der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) darauf geeinigt, Lehrkräften im Pensionsalter 20 Prozent Zuschlag auf das Gehalt zu zahlen. Damit wollten sie solche Lehrer motivieren, bis zu drei Jahre nach der Pensionsgrenze weiterzuarbeiten.
Heinz-Peter Meidinger, der Präsident des Deutschen Lehrerverbands warnte zum Ende der Sommerferien bereits vor "massiven Versorgungsengpässen" - nicht nur in Berlin. "Auch in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist die Unterrichtsversorgung auf Kante genäht", hatte Meidinger gesagt.
Mehrere Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, versuchen, durch Imagekampagnen mehr Interessenten für ein Lehramtsstudium zu gewinnen. Geworben wird auch um Quereinsteiger ins Lehrerzimmer - was Experten wegen der fehlenden pädagogischen Qualifikation kritisch sehen.
Sachsen will mit einer Geldprämie versuchen, den Lehrermangel auf dem Land einzudämmen: Referendare sollen von Januar 2019 an bis zu 1000 Euro Zulage bekommen, wenn sie das Referendariat im ländlichen Raum absolvieren.
Wie viele Lehrer in Deutschland genau fehlen, ist nicht bekannt. Belastbare Zahlen werde es erst im Herbst geben, teilt die Kultusministerkonferenz (KMK) mit. Klar sei nur, dass der Bedarf an Lehrkräften in den kommenden Jahren enorm sei.
Nach der offiziellen KMK-Prognose wird die Zahl der Schüler bis 2030 bundesweit um 278.000 auf 11,2 Millionen steigen - über zwei Prozent mehr als 2016. Verantwortlich dafür sind gestiegene Geburtenzahlen und viele Zuwanderer, auch aus anderen EU-Ländern.
Video: Lehrermangel in Deutschland