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Lunch Beat Mahlzeit, Mr. DJ!

Streich die Dunkelheit, das Fummeln und den Alkohol. Wie heißt die Party dann? Lunch Beat! Der Trend stammt aus Stockholm, wo Schreibtischarbeiter die Mittagspause durchtanzen. Jetzt schwappt er auch in deutsche Metropolen - und nach Osnabrück.

Die Party startet nicht ideal, wenn der erste Gast ein Rentner ist. "Ich bin ein bisschen enttäuscht", sagt Horst Winkmann. "War auf der Einladung nicht von Livemusik die Rede?" Wie auf jedem Tisch steht auch vor ihm eine Flasche Staatl. Fachingen. Ü-60-Fete mit Heilwasser - das fängt noch schlimmer an, als man sich ein Lunch Beat in Osnabrück vorgestellt hatte.

Seit vergangenem Monat versuchen Party-Veranstalter, das schwedische Kantinen-Alternativprogramm auch in Deutschland zu etablieren. Den Gast erwarten dieselben Regeln. Zusammengefasst: Der Tanzboden ist deins, von zwölf bis um eins. Und zwar ohne Drogen, ohne Alkohol, und bitte auch ohne Aufwärmphase. So funktioniert das beispielsweise in München oder Berlin (siehe Video).

Doch Osnabrück lässt sich nicht zum Tanzen zwingen. Deshalb steht Daniel Klusmann um 12.20 Uhr leicht frustriert im dritten Stock des Nobel-Griechen Almani: "Typisch Osnabrück. Nicht tanzen, sondern stehen und wippen." Klusmann organisiert normalerweise Studentenpartys. Von Lunch Beat hat ihm ein befreundeter Veranstalter aus Finnland erzählt. Klusmann mochte das Konzept und schlug es Marinos Ioannidis vor. Der betreibt seit einigen Monaten das Almani, am Rande der Osnabrücker Altstadt. Schön ist es hier. Auf einer Tafel an der Kneipe gegenüber steht ein Sinnspruch mit drei Ausrufezeichen: "Alle Männer haben nur zwei Dinge im Sinn: Geld ist das andere!!!"

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Lunch Beat: Last Lunch a DJ Saved My Life

Foto: Hendrik Steinkuhl

Im Almani stehen und wippen immer noch die meisten der rund 40 Gäste. Doch DJ Alex hilft den Osnabrückern, endlich ihren Tanzbereich kennenzulernen. Beim Stevie-Wonder-Cover "Outro Lugar" wippen manche schon etwas heftiger, bei der Tom-Jones-Version von "Venus" stellen die ersten ihre Gläser weg, und zu "Canned Heat" von Jamiroquai entern knapp zehn Frauen die Tanzfläche. Zwei von ihnen sind Daniela Barlag und Katharina Opladen. Sie arbeiten im städtischen Kulturamt, keine zwanzig Meter vom Almani entfernt. "Wir haben auf Facebook von der Party erfahren. Ist super hier!", sagt Daniela Barlag. "Die Stimmung ist gut, das Essen schmeckt."

Frauen sind klar in der Überzahl

Jeweils sechs Euro Eintritt haben die beiden bezahlt. Dafür gibt es unter anderem Sandwiches, Fisch, Erdbeer-Tiramisu - und Staatl. Fachingen. Beim ersten Lunch Beat sei das Essen noch zweitrangig gewesen, sagt Lokalbetreiber Marinos Ioannidis. "Da haben die Leute sofort getanzt und sich nur an den Sandwiches festgehalten. Jetzt stürzen sich alle auf das Buffet."

Zur Premiere kamen knapp hundert Gäste. Plus 20 Journalisten. Osnabrück war eine der ersten deutschen Städte mit einer Lunch-Beat-Party. Bei so vielen Kameras dürften sich viele wie im Zoo gefühlt haben, vielleicht sind sie deshalb nicht wiedergekommen. Eine Gruppe junger Grafikerinnen ist zum zweiten Mal da. Doch die Damen reagieren reichlich genervt, als sie fotografiert werden. "Ohh, nicht schon wieder!"

Frauen sind beim Osnabrücker Lunch Beat klar in der Überzahl. Da es keinen Alkohol gibt und Rumstehen unerwünscht ist, verwundert das kaum. Zu den wenigen Herren gehört Heiner Niemann. Wie die andere Handvoll Männer im Raum ist auch er mit dem Stehtisch verwachsen. "Ich habe es am Knie", sagt Niemann und grinst. "Ich habe erst hier erfahren, dass man tanzen soll", sagt sein Tischnachbar und grinst ebenfalls.

Eine Stunde nur beste Dance-Mucke

Selbst manche Männer wagen sich gegen Ende der Party noch an den Rand der Gefahrenzone und tanzen. Nach dem Lunch Beat geht es dann zurück zum Arbeitsplatz. Die kurzen Wege immerhin sprechen für einen Erfolg von Lunch Beat in Osnabrück. Wer in Berlin die Mittagspause durchfeiern will, steht ja im Zweifel genauso lange in der S-Bahn wie auf der Tanzfläche.

Spätestens um 12.45 Uhr spricht auch die Stimmung für einen Erfolg von Lunch Beat im Almani. Die Tanzfläche ist voll mit ausgelassenen Menschen, denn DJ Alex spielt tatsächlich eine Stunde lang nur beste Dance-Mucke.

Um 12.55 Uhr haben Osnabrücks Büromenschen für heute Mittag ausgetanzt. Trotz Stimmungshoch im letzten Partydrittel sitzen Daniel Klusmann und Marinos Ioannidis etwas enttäuscht in der Ecke. "Nur 40 Gäste. Das ist wenig", sagt Ioannidis. "Letztes Mal waren auch viele Ältere da. Die haben richtig viel getanzt." Trotzdem soll es noch ein nächstes Mal geben. Die beiden sind von dem Konzept immer noch überzeugt.

Wenn man das ganze "Neuer Trend für Büromenschen"-Gerede weglässt, ist Lunch Beat ja auch einfach eine auf das Wesentliche reduzierte Party. Nur tanzen. Ohne grapschen, abstürzen und abschleppen.

Foto: Jette Golz

KarriereSPIEGEL-Autor Hendrik Steinkuhl ist freier Journalist und lebt in der Nähe von Osnabrück.

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