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Männer als Sekretäre: "Herr Müller, bitte zum Diktat"

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Männer als Sekretäre Der Offizier im Vorzimmer

Sekretäre, sind das nicht diese wuchtigen, alten Ausklappmöbel? Immer mehr Männer interessieren sich für Sekretariats-Jobs, bisher eine Frauendomäne mit heute oft anspruchsvollen Aufgaben und gutem Verdienst. Marc Schlichtmann wurde sogar "beste Sekretärin Deutschlands".
Von Hannes Külz

Sie schafft 10.000 Anschläge pro Minute, während sie sich die Nägel macht, hält ihrem Chef den Rücken frei, stellt zuckersüß durch oder bügelt gnadenlos ab - in dieser Funktion auch bekannt als "Abfangjänger" oder "Human Firewall". Über Sekretärinnen sind viele Klischees im Umlauf. Mindestens eines aber stimmt längst nicht mehr: dass sie immer weiblich sind.

Zum Beispiel Marc Schlichtmann, 37 - die "beste Sekretärin Deutschlands". 2008 holte er diesen Titel bei einem Wettbewerb des Ordner-Herstellers Leitz. Das zog. Die Medien berichteten mit augenzwinkerndem Unterton, aber "die Aufmerksamkeit hat mir Türen geöffnet", sagt Schlichtmann. Nach seiner Ausbildung zum kaufmännischen Assistenten für das fremdsprachliche Sekretariat arbeitete er für internationale Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfungs- und Anwaltskanzleien sowie eine Werbeagentur.

Der Mann steht für einen Trend. "Ganz klar: Es gibt immer mehr Sekretäre", sagt Andrea van Harten, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Sekretariat und Büromanagement (BSB). So wie es mehr Frauen in Führungspositionen und in der Politik gibt, seien im Gegenzug auch Sekretariate kein Damenkränzchen mehr.

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Job-Exoten: Allein unter Frauen

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In den passenden Kursen der Bénédict-Studienbetriebe in Saarbrücken machen die Männer inzwischen bis zu 30 Prozent aus. Einen Grund für den Wandel sieht Leiter Jürgen Wiesen in der Erziehung: So brächten die Mütter von heute ihren Söhnen bei, "nicht nur an Oma zu delegieren, sondern ihre Hemden auch mal selbst zu bügeln". Was auch dazu beitrage, dass sich Männer für klassische Assistenz- und Dienstleistungstätigkeiten nicht mehr zu schade sind.

Andrea van Harten unterscheidet zwischen Vorstandsassistenten, die den Job nur für wenige Jahre machen und danach in operative Funktionen wechseln, einen Bereich oder gar eine Firma leiten wollen - eine Karriereoption als "rechte Hand der Macht". Etwas völlig anderes seien die Nachfolger der klassischen Sekretärin, die Office-Managerinnen, die langfristig an ihrem Job interessiert sind. Bislang waren das fast immer Frauen.

"Der Job im Vorzimmer ist genial"

Doch die Aufgaben sind viel anspruchsvoller geworden, "der Job hat sich um 180 Grad gedreht", so van Harten. Längst brauchen Bosse keine Sekretärin mehr, die durch die Tür gestöckelt kommt und sich beim Diktat auf der Schreibtischkante räkelt, die fehlerfrei tippt oder Tipp-Ex tupft. Heute bedienen Chefs ihre Tastaturen unfallfrei selbst, manche kennen sogar die Lösch-Taste und wissen, wo es in dieses Internet geht.

Stattdessen benötigen sie jemanden, der ganze Teams koordiniert, Zeitpläne kontrolliert, säumigen Mitarbeitern nachstellt. Der den Chef selbst und sein Netzwerk managt, mit Organisationstalent und interkulturellem Fingerspitzengefühl. Die Grenzen zum Vorstandsassistenten verschwimmen, van Harten beobachtet: "Männer haben erkannt, dass der Job als Office Professional genial ist."

Auch für Marco Schlichtmann endet die Geschichte nicht mit seinem Preis als Parade-Sekretärin. Heute arbeitet er für den deutschen Managing Partner einer globalen Wirtschaftskanzlei, machte nebenher eine Ausbildung als Trainer- und Business-Coach und hat inzwischen auf vier Tage pro Woche reduziert. Am fünften ist er auf eigene Rechnung unterwegs und gut gebucht: mit Vorträgen und Seminaren zum Office-Management.

Und wie reagieren die Leute? "Am Anfang waren sie noch überrascht, wenn sie in meiner Position einen Mann vorfanden", erzählt er, "inzwischen ist der Umgang völlig normal."

60.000 Euro im Jahr sind drin

Auch Renate van der Beek hat sich an Männer in ihren zweijährigen Office-Management-Kursen gewöhnt. Sie leitet die Europäische Wirtschafts- und Sprachenakademie (EWS) in Köln, die jährlich rund 30 Leute ausbildet. Waren Männer bis vor zehn Jahren noch Exoten, machen sie inzwischen bis zu einem Viertel aller Teilnehmer aus.

Gegründet wurde die EWS 1908 als erste deutsche Handelsschule für Mädchen, das Curriculum begann mit Schönschreiben. Inzwischen stehen Projektmanagement, Führungspsychologie und Grundlagen in Wirtschaftsfächern auf dem Programm. "Ebenso unabdingbar", so die Akademieleiterin: Soft Skills wie Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke. Schließlich müssen Office-Manager auch mal den Chef ersetzen, wenn er nicht da ist. "Die Rolle dann: Erster Offizier."

Ein Office-Manager mit sechs bis neun Jahren Berufserfahrung bekommt bis zu 45.000 Euro pro Jahr, ermittelte die Personalberatung Robert Half. Erfahrene persönliche Vorstandsassistenten und -sekretäre kommen auf bis zu 60.000 Euro. "Die guten Gehälter tragen natürlich dazu bei, dass sich Männer für den Job interessieren", sagt Sven Hennige, Managing Director bei Robert Half.

Und der Bedarf sei riesig, die Chancen stünden gut. "Vor allem persönliche Assistenten, Projektassistenten und Office-Manager werden händeringend gesucht", so Hennige. Gute Leute zu finden und zu halten, das sei für die Firmen manchmal "wie ein Sechser im Lotto".

Hannes Külz lebt in Berlin und schreibt Porträts und Reportagen für verschiedene Zeitungen und Magazine. Er ist Autor einer Manga-Biografie über den Industriellen Robert Bosch.

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