

Finanzielle Sorgen braucht sich Thomas Winkelmann nicht zu machen: Der Air Berlin-Chef bekommt trotz der Insolvenz der Fluglinie sein Gehalt weiterbezahlt - anders als vermutlich Tausende von Mitarbeitern. 4,5 Millionen Euro bis 2021 sind für Winkelmann per Bankgarantie abgesichert und können auch von Gläubigern nicht gepfändet werden, heißt es in Medienberichten.
Solch hohe Abfindungszahlungen sind längst Standard - weil sich mit ihrer Hilfe Manager auch dann zu einer Firma locken lassen, wenn es um das Unternehmen nicht mehr ganz so gut steht. Auch bei Winkelmann ist fraglich, ob er Anfang 2017 den Job als Vorstandsvorsitzender angesichts der kritischen Lage bei Air Berlin überhaupt angenommen hätte, wenn es die Gehaltsabsicherung nicht gegeben hätte.
Fakt ist: Die Abfindungen für Manager bewegen sich dabei auf einem Niveau, das schnell Sozialneid hervorruft. Denn eine oft benutzte Faustregel für normale Arbeitnehmer besagt: Pro Beschäftigungsjahr im Unternehmen gibt es ein halbes bis ganzes Brutto-Monatsgehalt als Abfindung. "Kaufmännisch betrachtet sind Abfindungen ein Tauschgeschäft", sagt der Anwalt und Arbeitsrechtler Martin Hensche: "Der Arbeitnehmer verkauft den rechtlichen Bestandsschutz, unter dem sein Arbeitsverhältnis steht, gegen Zahlung einer Abfindung."
Aus Sicht des Arbeitgebers sei die Abfindung dann "der Preis für die rechtssichere, rasche und damit kostengünstige - oder zumindest kostenmäßig kalkulierbare - Beendigung des Arbeitsverhältnisses", so Hensche. Und weil die frei verhandelt werden kann, machen manche dabei ein richtig gutes Geschäft. Klicken Sie sich durch unsere Fotostrecke und sehen Sie selbst!
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Thomas Winkelmann ist so gerade eben noch Vorstandschef bei Air Berlin. Die insolvente Fluglinie wird es in wenigen Wochen nicht mehr geben, die Arbeitsplätze der Mitarbeiter auch nicht mehr. Die reagierten deshalb empört, als bekannt wurde, dass Winkelmanns Gehalt bis 2021 durch eine Bankbürgschaft gesichert ist.
Deutlich kürzer arbeitete die frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt für den VW-Konzern. Anfang 2016 übernahm sie das Vorstandsressort "Integrität und Recht", um den Dieselskandal aufzuarbeiten. Ende Januar 2017 gab sie den Posten schon wieder auf - und kassierte für 13 Monate Betriebszugehörigkeit eine Abfindung von mindestens zwölf Millionen Euro. Das entspricht knapp zwei Jahresgehältern. Außerdem erhält die Juristin eine monatliche Rente von mehreren tausend Euro.
Ein ebenfalls exzellentes Verhältnis von Betriebszugehörigkeit und Sonderzahlungen hat Utz Claassen erreichen können. Der frühere EnBW-Chef übernahm im Januar den Chefposten bei Solar Millenium, handelte dafür eine Antrittsprämie von neun Millionen Euro und ein Monatsgehalt von 100.000 Euro aus - und kündigte nach 74 Tagen wieder. Anschließend versuchte er, in einem Gerichtsverfahren weitere 7,12 Millionen Euro als Abfindung sowie weiteren Schadensersatz zu erhalten. Nach einem Vergleich verzichtete er auf diesen Nachschlag. Claassen war übrigens, Zufall oder nicht, 1997 schon einmal für genau 74 Tage Chef gewesen, als Präsident beim Fußball-Bundesligisten Hannover 96. Nach seinem Rücktritt dort gab es keine Abfindung.
Noch mal zurück zu VW: Auch Martin Winterkorn verließ den Konzern nach dem Abgasskandal nicht als armer Mann. Obwohl er seinen Posten im September 2015 geräumt hatte, gab es bis Ende 2016, dem regulären Ende seiner Amtszeit, weiterhin Gehalt und zum Ende noch eine Bonuszahlung. Seit Januar 2017 steht ihm nach Medienberichten außerdem eine Betriebsrente von über 3000 Euro pro Tag zu, insgesamt 1,1 Millionen Euro im Jahr. Das ist mehr als das Hundertfache der Betriebsrente eines durchschnittlichen Bandarbeiters bei VW.
Eine Barzahlung von drei Millionen Dollar, dazu Aktien im Wert von knapp 20 Millionen Dollar: Das ist die Summe, mit der Marissa Mayer abgefunden wurde. Die Managerin war im Sommer 2012 an die Spitze des Internetkonzerns Yahoo gekommen. Doch nach knapp fünfjähriger Amtszeit blieb von dem Unternehmen kaum etwas übrig: Große Teile des Unternehmens hatte Mayer in ihrer Amtszeit verkauft.
Für Jens-Peter Neumann lohnte sich 2009 der Gang vors Arbeitsgericht. Der Investmentbanker hatte zuvor als Leiter der Kapitalmarktsparte für die Dresdner Bank gearbeitet und vertraglich 1,5 Millionen Euro Abfindung vereinbart für den Fall, dass er bis zum Ende der Übernahme der Dresdner durch die Commerzbank an Bord bleibt. Diese Bedingung erfüllte er - und erhielt nicht nur die Abfindung, sondern auch noch einen Bonus von drei Millionen Euro "als besondere Wertschätzung der Bank", wie es im Vertrag hieß. Neumann war nicht der Einzige, der die Dresdner Bank damals mit hoher Abfindung verließ: Sein ehemaliger Chef Stefan Jentzsch (im Bild) nahm acht Millionen Euro mit, verzichtete allerdings auf seinen Leistungsbonus.
Karl-Gerhard Eick ging, als für 21 Tochterunternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Eick war im Frühjahr 2009 Nachfolger von Thomas Middelhoff an der Spitze von Arcandor geworden und verließ den Posten ein halbes Jahr später wieder, nachdem ihm die Rettung des Konzerns nicht gelungen war. Trotzdem standen ihm 15 Millionen Euro Abfindung zu, was sogar Angela Merkel auf die Palme brachte. "Wenn jemand, der ein insolventes Unternehmen leitet, für sechs Monate Arbeit das gesamte Gehalt für fünf Jahre bekommt, wie der Herr Eick in Höhe von 15 Millionen, dann habe ich dafür absolut kein Verständnis", sagte die Kanzlerin in einem Interview. Eick selbst sagte zu seinem Kurzzeit-Job bei Arcandor: "Eine so hochriskante Aufgabe ohne Absicherung zu übernehmen, das macht kein vernünftiger Mensch." Die Summe von 15 Millionen Euro orientiere sich an dem Betrag, den er als Finanzvorstand bei der Telekom verdient hätte. Nach den Protesten kündigte Eick an, ein Drittel der Abfindung für in Not geratene Arcandor-Mitarbeiter zu spenden.
Spektakuläre Jobs und spektakuläre Abgänge - für beides steht Hartmut Mehdorn. Der war unter anderem Chef bei der Deutschen Bahn, Air Berlin und dem Berliner Pannenflughafen BER. Beim Abgang als Bahn-Vorstand soll Mehdorn fast fünf Millionen Euro als Abfindung bekommen haben - was der Manager im SPIEGEL-Gespräch bestritt: "Das ist falsch, ich habe in meinem ganzen Berufsleben keine Abfindung bekommen." Vielleicht ging es rein rechtlich tatsächlich nicht um eine Abfindung. Beim BER-Abschied jedenfalls hieß es aus dem Aufsichtsrat, Mehdorn bekomme nach seinem Ausscheiden noch Bonuszahlungen und Gehälter in Höhe von 300.000 Euro.
Der frühere Siemens-Chef Peter Löscher erhielt 2014 bei seinem Abgang von der Spitze des Dax-Konzerns einen satten finanziellen Nachschlag, der deutlich über den Mehdorn-Dimensionen lag: 17 Millionen Euro Abfindung plus Siemens-Anteilsscheine, zusammen knapp 30 Millionen Euro. Im Gegenzug sicherte er zu, auf absehbare Zeit nicht bei einem direkten Siemens-Konkurrenten anzuheuern.
Auch Publikumslieblinge sind vor den Anfechtungen einer Abfindung nicht sicher: Als Moderator Thomas Gottschalk im Januar 2012 mit "Gottschalk live" für die ARD auf Sendung ging, hofften alle Beteiligten auf einen riesigen Fernseherfolg. Doch die Quoten bröckelten, nach 70 Sendungen war im Juni 2012 Schluss. 2,7 Millionen Euro bekam der Entertainer nach Angaben des "kress"-Mediendiensts trotzdem noch ausbezahlt. Gottschalk sagte damals: "Ich habe alles geliefert, was die ARD bestellt hat. Dafür hat die ARD bezahlt, was vorher vereinbart war."
Und beim Fußball? Auch da sind beim vorzeitigen Abgang von Trainern, Spielern oder Managern Abfindungszahlungen üblich. Über ihre Höhe wird oft nicht viel bekannt - aber am Beispiel des Hamburger SV zeigt sich, in welchen Dimensionen sich diese Zahlungen bewegen können. Die "Welt" schätzte die Summe für die Zeit seit kurz nach der Jahrtausendwende auf 18 Millionen Euro und bezeichnete den HSV im vergangenen Jahr als "Abfindungsmeister der Liga": Kein anderer Klub habe in den vergangenen Jahren so viel Geld für Abfindungen an ehemalige Mitarbeiter bezahlt. 500.000 Euro für den ehemaligen Manager Peter Knäbel, 1,3 Millionen für den Ex-Trainer Bruno Labbadia (im Bild) und drei Millionen für den früheren Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer sind nur einige Beispiele - wobei Labbadia und Beiersdorfer beide schon einmal für den HSV tätig gewesen waren und seinerzeit ebenfalls Abfindungen bekommen hatten.
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