
Kunstpelz-Designerin aus Tel Aviv Schulabbrecherin mit Stil
Man erwartet viel von einer 21-jährigen Designerin, deren Mode von Stars wie Bella Hadid und Ariana Grande getragen wird, die die Aufmerksamkeit von Vogue und Elle auf sich zieht und Chefin von 15 Mitarbeitern ist - alle älter als sie selbst. Man erwartet: unbändiges Selbstbewusstsein. Ausgefahrene Ellenbogen. Vielleicht Überheblichkeit.
Dann aber steht da eine zurückhaltende, fast schüchterne Maya Reik in Turnschuhen, schwarzem Shirt und Leggings, die braunen Haare zusammengebunden, ohne Make-up. "Ich komme gerade vom Training", sagt sie mit zarter, fast kindlicher Stimme und setzt sich auf die Couch.
Es sind ein paar ruhige Minuten in turbulenten Zeiten: Vor Kurzem präsentierte sie ihre Frühjahrskollektion 2020 in Paris und New York. Dann heiratete sie in ihrem Heimatort Beit Yannai, rund 40 Kilometer nördlich von Tel Aviv. Doch Reik lässt sich die Aufregung nicht anmerken. Sie strahlt so viel Ruhe aus wie ihr kühles, schlichtes Studio im Untergeschoss eines Wohnhauses im Hafen von Jaffa, einem Stadtteil von Tel Aviv. Ein paar einfache Schreibtische, eine Küchenecke mit Mikrowelle. An der Kleiderstange an der Wand hängen ihre Mäntel aus Kunstpelz, die zur Außentemperatur von 30 Grad nicht so recht passen wollen.

Ein Stockwerk darüber hat ihr Vater, ein Geschäftsmann, sein Büro. Er hat ihr die Gründung des Labels finanziell ermöglicht, unterstützt sie weiterhin im geschäftlichen Bereich. Dass sie heute hier ist, hat sie aber in erster Linie ihrem eigenen Bauch zu verdanken: "Viele meiner Entscheidungen treffe ich instinktiv." Maya wirkt unaufgeregt, spricht leise. "Ich hatte ein starkes Gefühl, dass es das ist, was ich tun muss, und was ich tun werde."
Sie war 14 Jahre alt, als sie entschied, die Schule zu schmeißen. "Ich habe jahrelang versucht, zu - naja, überleben ist vielleicht zu viel gesagt. Aber ich bin ein sehr verträumter Mensch. Ich lebe in meiner eigenen Welt." Und in der geht es um Mode und Design. Schon mit sechs Jahren zeichnete sie ihre ersten Entwürfe. Mathe hingegen war ihr ein Graus.
Doch die Schulpflicht gilt in Israel bis zum 16. Lebensjahr. Maya benötigte die Unterstützung ihrer Eltern und Lehrer. Und bekam sie: "Ich denke schon, dass meine Eltern sich Sorgen gemacht haben. Aber meine Entscheidung kam ja nicht über Nacht. Es war ein Prozess. Sie sahen, wie leidenschaftlich ich war." Am Ende erteilte auch das Bildungsministerium die Ausnahmegenehmigung, damit sie dem Unterricht fernbleiben durfte. Den für Männer und Frauen obligatorischen Armeedienst umging sie aus persönlichen Gründen.
"Mal sehen, ob du in ein paar Jahren noch hier bist"
Nach einigen privaten Unterrichtsstunden in Design gründete sie mit 17 Jahren ihr Modelabel "Marei1998": Produziert wird in Italien, ihr Sales-Department befindet sich in New York. In ihrer ersten Kollektion arbeitete sie noch mit echtem Fell. "Das fühlte sich nicht gut an", erzählt sie. Wieder war es ihr Bauchgefühl, das die Richtung wies. Bei einem Besuch in Paris entdeckte sie Kunstfell, das so weich war und so echt wirkte, dass sie sich sofort verliebte. Seither entwirft sie fast ausschließlich Mäntel aus Kunstfell. Preisklasse: zwischen 700 und 1300 Euro.
Im Januar 2018 kam der Durchbruch. "Ich wachte eines morgens auf und sah, dass mein Instagram-Account verrückt spielte." Kurz zuvor hatte ihre Marketingabteilung einen Mantel zur Anprobe an die Stylistin von Model Bella Hadid geschickt. Die ließ sich nur wenige Tage später im Fake-Fur auf der Straße blicken. Es folgten die Schauspielerinnen Amy Adams und Priyanka Chopra, später die Sängerin Ariana Grande. Modemagazine berichteten.
Maya Reik will Klassiker schaffen, nicht kurzweilige Saisonware. In einer Werbeaufnahme posiert sie mit ihrer Schwester und ihrer Großmutter: Mode für alle Generationen. Der erwachsene Stil passt zu ihrem Wesen: "Ich bin eine ziemlich ruhige Person", sagt sie. Das half ihr, mit Kritikern umzugehen. Mit einem italienischen Veteranen der Modebranche beispielsweise, der anfangs zu ihr sagte: "Wollen wir mal sehen, ob du in ein paar Jahren noch hier bist." "Das ist erstmal ein Schlag, aber dann denkst du eben, okay. Ehrlich gesagt kann ich es ja auch verstehen. Was nicht heißt, dass ich es gut finde."
Diese unaufgeregte Art ist es wohl auch, mit der sie es schafft, ein Unternehmen mit 15 festen und freien Mitarbeitern zu führen - als Jüngste im Team: "Ich will, dass alle, die für Marei arbeiten, das gerne tun. Wir sind alle befreundet. Es ist ein modernes Arbeitsklima."
Der Erfolg gibt ihr soweit recht. Für Maya hat sich der Abgang von der Schule ohne Abschluss gelohnt. Ist der Schritt empfehlenswert? Sie zögert - und antwortet vorsichtig: "Man muss sich das auf jeden Fall sehr, sehr gut überlegen. Es hat Konsequenzen. Und keinesfalls sollte man es nur machen, weil man keine Lust mehr auf Schule hat."