Mitarbeitergespräche Das ist kein Feedback, das ist einfach absurd

Wer aufsteigen will, redet im Mitarbeitergespräch eben nicht offen über Misserfolge
Foto: Corbis
Armin Trost (Jahrgang 1966) ist Diplom-Psychologe und Professor für Personalmanagement an der Hochschule Furtwangen. In seinem neuen Buch "Unter den Erwartungen" (Wiley Verlag) analysiert er, warum jährliche Mitarbeitergespräche in der modernen Arbeitswelt versagen.
KarriereSPIEGEL: Herr Trost, Sie kritisieren das klassische Mitarbeitergespräch, wie es in vielen Unternehmen üblich ist. Was ist so schlimm daran, wenn sich Chef und Mitarbeiter einmal im Jahr zusammensetzen?
Trost: Gar nichts, nur: Das Mitarbeitergespräch ist eigentlich kein Gespräch. Es ist ein Managementinstrument, in dem auch gesprochen wird. In Wirklichkeit geht es um Urteile und Entscheidungen. Nur sagen das die Unternehmen nicht.
KarriereSPIEGEL: Sie etikettieren es also falsch?
Trost: Ja, leider, sie bezeichnen es oft als Feedback-Gespräch. Das klingt schön flauschig. Aber es ist ein Kombi-Instrument zum Feedback und zur Leistungsbeurteilung - da ist ein logischer Bruch. Bei einem Feedback, vor allem wenn es negativ ist, brauche ich Offenheit. Die wird mit der Doppelfunktion des Gesprächs aber automatisch gekillt.
KarriereSPIEGEL: Also geht es gar nicht um Austausch?
Trost: Das ganze Prozedere ist völlig absurd: Da werden zwei Menschen durch die Vorgaben der Personalabteilung gezwungen, miteinander zu sprechen. Dabei geht es um persönliche Dinge, aber gleichzeitig liegt ein Formular auf dem Tisch, das an die Personalabteilung weitergegeben wird und möglicherweise negative Folgen für den Mitarbeiter hat, sei es beim Gehalt oder bei der Beförderung. Das ist ein Urteil über den Mitarbeiter, damit schafft man kein Vertrauen.
KarriereSPIEGEL: Was bedeutet das für den Mitarbeiter?
Trost: Für ihn ist das Gespräch immer eine Verhandlungssituation. Wer klug ist, wird also einen Teufel tun und über seine Schwächen und Misserfolge reflektieren. Er wird versuchen, sich möglichst gut zu positionieren, automatisch in eine Verteidigungshaltung gehen und sich Ausreden für schlechte Leistungen ausdenken. Wer sich gut verkaufen kann, ist dabei im Vorteil.
KarriereSPIEGEL: Und schuld an dem Schlamassel sind die Personalabteilungen?

Trost: Die machen das nicht aus böser Absicht. Sie argumentieren damit, dass es wichtig ist, Führungskräfte mit sanftem Druck dazu zu bringen, sich einmal im Jahr Zeit zu nehmen, um mit ihrem Mitarbeiter über fundamentale Dinge zu sprechen. Das ist grundsätzlich richtig. Aber durch die Vorgabe bekommt das Ganze automatisch Kindergarten-Charakter. Nach dem Motto: Wir sprechen miteinander, weil die Personalabteilung es so will.
KarriereSPIEGEL: In Wirklichkeit geht es gar nicht um den Mitarbeiter?
Trost: Wenn ich die Gespräche nur brauche, damit die Personalabteilung einen Report für die Geschäftsführung erstellen kann, wird das Feedback zum Alibi und ist verlogen. Das gilt übrigens auch für das 360-Grad-Feedback, bei dem der Mitarbeiter nicht nur vom Chef, sondern auch von den Kollegen oder Kunden beurteilt wird. Auch hier geht der Bericht in der Regel an die Personalabteilung oder die Geschäftsführung.
KarriereSPIEGEL: Aber an wen sonst?
Trost: Eigentlich sollte ihn der Mitarbeiter bekommen und das Ergebnis mit einem Coach besprechen. Dann würde das Feedback ihm helfen, besser zu werden. So wie es bisher meist läuft, passt es zwar zu einem hierarchischen System, aber nicht zu modernen Arbeitsformen.
KarriereSPIEGEL: Inwiefern?
Trost: Viele Führungskräfte sehen sich heute nicht mehr als der klassische Boss, der über seinen Mitarbeitern steht, sondern als Teil ihres Teams. Für die ist es unglaublich schwer, ein negatives Urteil über einen ihrer Mitarbeiter abzugeben, das dann sogar vielleicht negative Konsequenzen für diesen hat. Damit werden sie zum Richter, das ist kaum kompatibel mit ihrem Führungsverständnis.
KarriereSPIEGEL: Wie reagieren diese Führungskräfte auf die Vorgaben?
Trost: Sie schreiben nichts Negatives und versuchen es, der Personalabteilung recht zu machen. Immer wenn ein Urteil abgegeben wird, hat das Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft und die wollen sie nicht beschädigen. Das führt zu inflationär vielen positiven Bewertungen.
KarriereSPIEGEL: Manche Firmen steuern mit einem Verteilungsschlüssel dagegen, bei dem ein bestimmter Prozentsatz der Mitarbeiter als Minderleister bewertet werden muss.
Trost: Da wird es dann völlig absurd. Wer seine Beziehungen zu den Mitarbeitern nicht gefährden will, steckt dann in der Zwickmühle oder wird sogar selbst schlechter bewertet, weil er die Quote nicht einhält. Wenn ich als Chef merke, dass die Leistung eines Mitarbeiters nachlässt, brauche ich doch keine Klassifizierung als Minderleister. Dann muss ich das mit ihm besprechen, und zwar möglichst bald - nicht einmal im Jahr.
KarriereSPIEGEL: Welche Alternativen gibt es?
Trost: Manche Unternehmen gehen dazu über, dass sich die Mitarbeiter gegenseitig Feedback geben. Man setzt sich einmal im Jahr im Team zusammen und bespricht, was man am anderen gut oder schlecht findet. Das wird nicht als Urteil genutzt, sondern als ein Instrument, um gemeinsam zu lernen. Und die Rolle der Personalabteilung ist es, die Teams dabei zu beraten.
KarriereSPIEGEL: Glauben Sie an einen ernsthaften Wandel?
Trost: Viele Unternehmen merken, welche Absurditäten sie da veranstalten. Wenn ich Personalmanager frage, was passieren würde, wenn man das Mitarbeitergespräch in der bisherigen Form einfach aufgibt, lautet die Antwort meist: nichts.

Das Interview führte KarriereSPIEGEL-Autorin Bärbel Schwertfeger. Sie ist freie Journalistin in München.