Gehalt und Boni "Gift für die Motivation"

Motivation: Was ist der richtige Anreiz, um Mitarbeiter zu belohnen?
Foto: CorbisKarriereSPIEGEL: Herr von Rosenstiel, womit können Chefs ihre Mitarbeiter so richtig demotivieren?
Rosenstiel: Wenn sie zwei Leuten, die das Gleiche tun, ohne Begründung unterschiedlich viel zahlen. Das ist Gift für die Motivation.
KarriereSPIEGEL : Hat derjenige mit dem höheren Gehalt nicht einfach besser verhandelt?
Rosenstiel: Das kann sein, und in vielen Unternehmen gehört das sicherlich zum Alltag. Aus Sicht der Motivationsforschung sollten Führungskräfte das aber tunlichst vermeiden. Hier spielt der soziale Vergleich eine wichtige Rolle, also dass Mitarbeiter sich anhand ihres Gehalts vergleichen und einordnen. Wenn ein neuer Kollege für die gleiche Arbeit mehr bekommt, sind alle anderen frustriert - vorausgesetzt, das höhere Gehalt wird nicht plausibel begründet.
KarriereSPIEGEL : Wie sieht denn so eine Begründung aus?
Rosenstiel: Es gibt Unternehmen, die einem Mitarbeiter mit drei Kindern mehr zahlen als einem Single. Die Begründung: Der Arbeitgeber honoriert, dass der Familienvater zum Bestehen unserer Gesellschaft beiträgt. Das ist kulturell bedingt in anderen Ländern anders. In den USA beispielsweise wird Arbeit je nach dem entlohnt, wie viel man für das Ergebnis beigetragen hat - egal, ob und wie viele Kinder man hat.
KarriereSPIEGEL : Kann der Chef die Motivation seiner Mitarbeiter überhaupt beeinflussen? Oder können sie das nur selbst?
Rosenstiel: Doch, Vorgesetzte haben großen Einfluss auf die Motivation ihres Teams. Was man genau tun kann, um jemanden zu motivieren, ist aber sehr unterschiedlich. Wenn es einem Mitarbeiter vor allem auf die Verantwortung im Job ankommt, wird der Chef ihn kaum mit der Aussicht auf ein höheres Gehalt motivieren können. Insofern ist es für den Vorgesetzten wichtig zu wissen, wie der Mitarbeiter tickt, und darauf einzugehen.
KarriereSPIEGEL : Welche Rolle spielt Geld für die Motivation?
Rosenstiel: Das kommt wiederum auf den Angestellten an: Was bedeutet Geld für ihn? Wer arm ist, für den ist Geld eine Möglichkeit, sich neue Kleidung zu kaufen, einen Fernseher oder dergleichen. Dagegen kann ein Top-Manager sein ganzes Geld ohnehin nicht ausgeben. Für ihn ist das Gehalt ein Symbol der Wertschätzung. Für alle gilt aber: Geld verliert an Bedeutung, wenn die Arbeit Spaß macht und sinnvoll ist.
KarriereSPIEGEL : Es gibt also Menschen, denen ihr Gehalt egal ist, weil sie mit ihrer Arbeit rundum glücklich sind?
Rosenstiel: Sagen wir mal so: Es gibt Mitarbeiter, für die Geld eine vollkommen marginale Rolle spielt. Einige Forschungsassistenten von mir arbeiteten an Projekten, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurden. Als die ihre Mittel ohne Vorwarnung um die Hälfte kürzte, hat keiner der Assistenten gekündigt, weil ihnen die Aufgabe wichtiger war als das Geld. Als Vorgesetzter habe ich versucht, eine Kompensation durch Nebenjobs zu schaffen, indem sie Vorträge halten oder einen Kurs an der Volkshochschule geben konnten. Es gibt aber auch das andere Extrem. Eine chinesische Doktorandin von mir hat mal die Motivation von Angestellten in ihrem Heimatland erforscht. Das Ergebnis: In China wechseln Mitarbeiter wegen zwei oder drei Prozent Lohnunterschied die Firma. Geld spielt da eine enorm wichtige Rolle. Das ist bei uns kaum vorstellbar.
KarriereSPIEGEL : Neben dem Gehalt gibt es noch andere Möglichkeiten, Mitarbeiter anzuspornen. Was halten Sie von Zugaben wie Dienstwagen und Diensthandys?
Rosenstiel: Die haben nur kurzfristige Wirkung. Wenn ich ein Diensthandy bekomme oder den Schlüssel zur Führungskräftetoilette, steigert das zwar kurzzeitig die Motivation, aber nach ein paar Wochen ist alles wieder beim Alten. Das Gleiche gilt im Übrigen für Gehaltsboni. Und für diejenigen, die die Extrawurst nicht bekommen, hat sie sogar einen negativen Effekt: Sie sind in der Regel demotiviert - auch, weil die Kriterien für einen Bonus oft nicht ganz klar sind. Nehmen Sie zum Beispiel einen Vertriebler, der ein Wellness-Wochenende oder einen Gehaltsbonus dafür bekommt, dass er in seiner Region besonders viel verkauft hat. Sein Kollege fühlt sich daraufhin ungerecht behandelt, weil es in seinem Gebiet mehr Arbeitslose gibt und deshalb die Kaufkraft geringer ist. Insofern ist es wirklich schwierig, faire Kriterien zu finden. Deshalb würde ich von Boni abraten.
KarriereSPIEGEL : Wie wirkt sich mehr Freiraum auf die Motivation aus?
Rosenstiel: Sehr stark - leider aber auch sehr unterschiedlich. Manche Menschen haben schon als Kind von ihren Eltern gelernt, dass Freiraum eine Chance ist. Wer dagegen immer streng kontrolliert wurde und vom Chef plötzlich viel Freiraum bekommt, kann damit nicht umgehen oder nutzt das Vertrauen sogar aus, nach dem Motto: "Jetzt schaut der Alte nicht hin, jetzt kann ich faulenzen." Menschen sind sehr unterschiedlich darin, ob sie Freiheit zu schätzen wissen oder nicht.
KarriereSPIEGEL : Was können Chefs sonst tun?
Rosenstiel: Die verbale Anerkennung ist extrem wichtig. Ich höre immer wieder: "Ich weiß gar nicht, ob mein Chef meine Arbeit gut findet oder nicht - er hat's mir noch nie gesagt." Da fehlen Anerkennung, Förderung und Jahresgespräche mit vernünftigem Feedback.
KarriereSPIEGEL : Unter Ausschluss der Öffentlichkeit? Oder sollte man Mitarbeiter vor den Kollegen loben?
Rosenstiel: Von öffentlichem Lob halte ich nicht viel. Für denjenigen, der gelobt wird, mag das eine kurzfristige Motivation sein. Die anderen aber fragen sich: "Wieso der und ich nicht?" Deshalb würde ich empfehlen, so was in aller Regel zu unterlassen.
KarriereSPIEGEL : Spornt interner Wettbewerb nicht auch an?
Rosenstiel: Durchaus, nur muss ich aufpassen, dass das nicht nach hinten losgeht. Der Grat ist schmal zwischen dem Bemühen, besser zu sein, und dem Versuch, den anderen zu behindern. Zum Beispiel bei zwei Doktoranden: Angenommen, ich würde demjenigen eine Belohnung in Aussicht stellen, der als erster mit seiner Dissertation fertig ist. Falls einer von beiden eine Untersuchung entdeckt, die eigentlich für beide interessant wäre, wird er sie dem anderen eher vorenthalten, um schneller zu sein. Das wäre weder dem Ergebnis noch dem Teamgeist zuträglich.
KarriereSPIEGEL : Motivieren deutsche Chefs genügend?
Rosenstiel: Es gibt ein paar internationale Vergleiche, nach denen deutsche Chefs im unteren Mittelfeld liegen. Skandinavische Vorgesetzte schneiden deutlich besser ab, weil sie einen besseren Kontakt zu ihren Mitarbeitern haben. Sie reden offen, und die Hierarchien sind nicht so ausgeprägt. Wissenschaftlich ausgedrückt: Dort herrscht eine geringere Machtdistanz als hier. Dagegen ist die Distanz zum Beispiel in Südamerika deutlich größer als bei uns, weil sich Chefs dort nicht auf Mitarbeiter einlassen.
Gehaltsreport 2013
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Das Interview führte Anja Tiedge (Jahrgang 1980), freie Journalistin in Hamburg.