Karriere ohne BWL Trainees in fremden Welten
Aus Trainee wird Manager - diese Gleichung gilt in vielen Unternehmen. Meist denkt man dabei an Wirtschaftswissenschaftler oder Juristen, eben Absolventen von typischen Entscheider-Studiengängen.
Trainee-Programme können aber auch für Sozial- oder Naturwissenschaftler ein Karrieresprungbrett sein - zum Beispiel in die Entwicklungshilfe oder die Raumfahrt. Eine Geografin und zwei Politikwissenschaftler erzählen, wie sie zu Trainees geworden sind und was sie sich von der Ausbildung erhoffen.
Die Aufklärerin: "Deutsch spreche ich nur am Telefon"

Lisa Voigt leitet in Dschibuti eine Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmelung
Foto: Paul Hahn/ Johanniter"Wo Dschibuti liegt, wusste ich noch nicht, als ich mich für das Trainee-Programm der Johanniter-Auslandshilfe beworben habe. Die ersten sechs Monate durchläuft man in Berlin verschiedene Abteilungen der Johanniter, da hat sich das Ziel für die zweite Hälfte des Programms schnell ergeben. Im März war es dann so weit: Ich bin über Paris mit Zwischenstopp in Saudi-Arabien nach Dschibuti geflogen. Und seit September bin ich hier nicht mehr Trainee, sondern feste Mitarbeiterin.
Ich leite eine Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmelung. Mehr als 90 Prozent der Mädchen in Dschibuti werden beschnitten, obwohl es seit einigen Jahren offiziell verboten ist. Frauen, die nicht beschnitten sind, haben kaum eine Chance, einen Mann zu finden. Wir bilden ehrenamtliche Helferinnen aus, die dann andere Frauen aufklären. Meist sind es nämlich die Mütter und Großmütter, die darüber entscheiden, ob ein Mädchen beschnitten wird.
Als zweites Projekt kümmere ich mich um den Aufbau einer Werkstatt für Orthopädietechnik, in der auch Physiotherapie angeboten werden soll. Menschen mit körperlichen Behinderungen können in Dschibuti bisher kaum am öffentlichen Leben teilhaben. Das wollen wir ändern. Die nötigen Fördergelder wurden gerade vom Entwicklungsministerium genehmigt.

Das Hauptprojekt der Johanniter in Dschibuti ist ein Programm gegen Unterernährung. In den Slum-Gebieten der Hauptstadt ist jedes dritte Kind betroffen. Ich war während meines Politik-Studiums schon einige Male in Afrika, deshalb war ich von der Armut des Landes nicht wirklich überrascht. Zu schaffen macht mir aber das Klima. Dschibuti ist eines der heißesten Länder Afrikas, im Sommer hatten wir hier 48 Grad und dazu eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit. Das hat sich angefühlt, als ob man Fieber hätte.
Es gibt so gut wie keine Vegetation und keine Flüsse oder Seen. Lebensmittel müssen fast alle importiert werden, auch die, die man auf dem Markt kauft. Dementsprechend hoch sind die Preise. Von der Dürrekatastrophe hört man ja auch in Deutschland immer wieder, aber es ist etwas ganz anderes, wenn man es selbst erlebt.
Eine Mittelschicht gibt es in Dschibuti nicht
Mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen, ist leider sehr schwierig. Man wird zwar auch im Slum herzlich empfangen, aber für Freundschaften oder intensive Gespräche sind die Lebenswelten einfach zu verschieden. In Dschibuti gibt es keine Mittelschicht. Dass wir hier ein Auto haben und ein Büro, das ist schon sehr ungewöhnlich. Und eine weiße Frau im Bikini am Strand, das ginge gar nicht. Die meisten Menschen hier sind Muslime und sehr konservativ. Aber der Stadtstrand hier ist ohnehin so dreckig und überfüllt, dass ich dort nicht unbedingt hin muss. Zum Baden fahren ich mit Kollegen oder anderen Expats an einen Strand, der weiter weg ist. Eine Art Weißen-Refugium.
In unserem Büro sprechen wir hauptsächlich Französisch, selten Englisch. Meine 14 Kollegen kommen aus Frankreich, Madagaskar, der Elfenbeinküste und aus Dschibuti. Deutsch kann ich nur am Telefon sprechen. Bei meinen bisherigen Auslandsaufenthalten habe ich immer mal einen Praktikanten oder Entwicklungshelfer aus Deutschland getroffen, aber hier kenne ich wirklich keinen Deutschen. Die Bundeswehr ist zwar hier stationiert, aber mit den Soldaten hatte ich noch nichts zu tun.
Wie lange ich hier bleibe, weiß ich noch nicht genau. Mein Vertrag geht erstmal bis März, dann schaue ich weiter. Ich denke schon, dass ich mit meiner Ausbildung gute Jobchancen in der Entwicklungshilfe habe, zumindest in Nichtregierungsorganisationen. Ein Politikwissenschaftsstudium ist ja eher unspezifisch, so konnte ich mich weiter spezialisieren. Als Trainee habe ich jeden Monat 1500 Euro brutto bekommen. Das ist nicht viel, aber zumindest im zweiten halben Jahr muss man ja auch keine deutsche Miete zahlen."
Die Erdbeobachterin: "Zum Jobinterview ins Internetcafé in Usbekistan"

Anica Huck, 27, ist Geografin bei der Esa und jubelt mit den Kollegen über Raketenstarts
"Für das German-Trainee-Programm bei der europäischen Raumfahrtagentur Esa muss man kein Raketenforscher sein. Hier in der Nähe von Rom am Esrin, dem European Space Research Institute, arbeiten 600 Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen und Ländern. Ich bin Geografin und habe einen Master in Geoinformatik an der Uni Jena gemacht. Manche meiner Kollegen geben sich gern mal aus Spaß als 'Rocket Scientist' aus, aber mit bemannter Raumfahrt hat unsere Arbeit wenig zu tun, unser Blick geht eher von oben nach unten.
Wir sind auf Erdbeobachtung und Fernerkundung spezialisiert und analysieren die Erde zum Beispiel mit optischen Satellitenbildern oder Radardaten. Das ist unter anderem für Katastrophen-Management oder Klimavorhersage wichtig. Für meine Masterarbeit habe ich etwa erforscht, welche Gebiete von Santiago de Chile besonders bedroht sind von Überschwemmungen oder Erdrutschen und wie die soziale Struktur dieser Gebiete aussieht.
Nach meinem Studienabschluss habe ich für einen Monat in Krasnojarsk in Sibirien gearbeitet und dort eine deutsch-russische Expedition vorbereitet, die technische Satellitenbilddaten mit Felddaten abgleichen sollte. Ich hatte nur eine Bewerbung geschrieben - für das German-Trainee-Programm von Esa und DLR, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Und natürlich kam die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausgerechnet, als ich in Sibirien war. Ich habe kurz überlegt, ob ich eine reelle Chance habe und sich die Reise von Krasnojarsk nach Köln lohnt. Wie viele Kandidaten noch im Rennen sind, hat man mir nicht verraten.
Die Übernahmechancen sind gering
Das Einzelinterview war auf Englisch und hat circa eine halbe Stunde gedauert. Mir gegenüber saßen sechs Vertreter der DLR und der Esa. Die Atmosphäre war sehr nett, es ging hauptsächlich um fachliche Fragen. Im Gegensatz zu den meisten Trainee-Programmen in Unternehmen sind die Übernahmechancen bei der Esa gering. Der klassische Weg ist, dass man nach der Ausbildung einen Job in der Industrie oder der Wissenschaft annimmt und einige Jahre später wieder zurückkommt.

Das German-Trainee-Programm wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert, damit langfristig mehr Deutsche in der europäischen Raumfahrtagentur arbeiten. Wir bekommen kein Gehalt von der Esa, sondern ein Stipendium vom DLR, rund 2400 Euro im Monat. Das Programm dauert zwölf Monate und kann um ein Jahr verlängert werden. Bei mir war klar, dass ich am Standort in Rom arbeiten würde, denn hier ist das Erdbeobachtungszentrum der Esa.
Mein Mentor hat mit mir das zweite Jobinterview über Skype geführt. Das war für mich fast eine Katastrophe. Ich saß in einem Internetcafé in Usbekistan, ständig ist der Strom ausgefallen und die Verbindung geplatzt. Irgendwann sagte er: 'Okay, wir hören voneinander.' Ich dachte, das wäre es gewesen. Ein paar Tage später kam aber zum Glück die Zusage.
Raketenstarts werden live übertragen
Der Job hier entspricht meinem Studienhintergrund, und die Arbeitsbedingungen sind perfekt. Ich kann in verschiedene Abteilungen hineinschnuppern, treffe viele internationale Kollegen, kann an wissenschaftlichen Konferenzen teilnehmen und bin für ein eigenes Projekt verantwortlich: eine Homepage, die die Erdbeobachtungsprojekte der Esa allgemeinverständlich erklärt und Interesse für Satellitenmissionen wecken soll.
Ich habe mich bei der Projektplanung beteiligt, die Gelder beantragt und bin jetzt dabei, Visualisierungsmöglichkeiten zu entwerfen. Die allgemeine Sprache bei der Esa, und damit auch am Esrin, ist Englisch. Italienisch brauche ich nur, wenn ich abends in Rom ausgehe.
Der Campus hier ist sehr groß und es gibt viele Freizeitangebote, vom Sprachkurs bis zum Musik- oder Fotografieclub. Ich konnte auch schon eine Übertragung eines Raketenstarts live miterleben. Das war ein ganz besonderes Erlebnis, alle haben geklatscht und gejubelt. Die Begeisterung für die Raumfahrt verbindet alle Mitarbeiter; ob man tatsächlich als Ingenieur Raketen baut, ist egal, man gehört einfach dazu."
KfW Traineeprogramm: Der Entwicklungsbanker - "Sendung mit der Maus für Erwachsene"

Johannes Kannicht, 27, betreut Entwicklungsprojekte bei der KfW
Foto: KfW Bank"Ich hätte nie gedacht, dass ich mal für eine Bank arbeiten würde: Ich habe Politikwissenschaft in Freiburg und Aix-en-Provence studiert. Meine erste Stelle führte mich zur OECD. Und jetzt mache ich ein Trainee-Programm bei der KfW Bankengruppe.
Viele in Deutschland kennen die KfW nur für ihre Immobilienförderung, aber einen großen Teil ihrer Arbeit macht sie im Ausland. Der Geschäftsbereich Entwicklungsbank betreut zahlreiche Entwicklungsprojekte in mehr als 100 Ländern weltweit. Dabei arbeitet die KfW eng mit dem deutschen Entwicklungsministerium zusammen.
Ich bin jetzt seit zwei Monaten bei der KfW, und mit Bankarbeit, wie man sie sich klassischerweise vorstellt, hat das bisher wenig zu tun. Meine Aufgabe ist es, Entwicklungsprojekte in der Kaukasus-Region zu koordinieren, neue Stromleitungen oder Windkraftanlagen zum Beispiel. Als ich hier angefangen habe, durfte ich sofort mitarbeiten: Unter Anleitung meiner Tutorin habe ich ein Projekt für kleine Wasserkraftwerke in Armenien ausgewertet.
Bereits in den vergangenen Jahren haben dort private Unternehmen mit unserer Unterstützung mehrere solcher Kraftwerke gebaut, und wir mussten prüfen, ob es sich lohnt, das Programm fortzuführen. Dafür recherchieren wir, was es für die Entwicklung der Region gebracht hat, wo geeignete neue Standorte wären und welche Folgen deren Bau hat. So verhindern wir, dass am Ende ein Fluss einen Staudamm bekommt, der in jedem wärmeren Sommer austrocknet, oder dass ein Kraftwerksbau ein Naturschutzgebiet zerstört.
Wir übersetzen komplexe Sachverhalte, auch wirtschaftliche und technische, für Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung. Jedes Mal muss ich mich von neuem einarbeiten, unter anderem auch in technische Fragen. Ein Projektleiter von mir sagt immer: 'Das ist wie die Sendung mit der Maus, nur für Erwachsene.' Für die Details der Technik ist aber in jedem Projekt ein eigener Ingenieur zuständig.
Gerade ist mein Klavier angekommen
Je nach Partnerland gibt es für diese Projekte einen Zuschuss des Bundes oder ein zinsgünstiges Darlehen. Erst hier wird es bankentypisch, denn die KfW besorgt sich die verliehenen Gelder am Finanzmarkt. Sie muss Risiken kalkulieren und Kreditkonditionen festlegen - wie andere Banken auch. Dadurch, dass unsere eigene Finanzierung staatlich abgesichert ist, bekommen wir aber besonders günstige Konditionen, die wir auch an die Entwicklungsprojekte weitergeben.
So werde ich in den 13 Monaten meines Trainee-Programms in fünf verschiedenen Stationen in der Bank und relevanten Ministerien arbeiten und auch Projekte vor Ort begutachten. Darauf freue ich mich besonders, weil ich gerne international arbeite. Ich habe ja in Deutschland und Frankreich studiert, erste Arbeitserfahrungen habe ich in Peru und bei der OECD in Paris gemacht. Dort habe ich zum Beispiel ein Antikorruptionsprogramm im Auftrag des stellvertretenden Generalsekretärs entwickelt, das nun erstmals in Tunesien angewandt wird.
Gegenüber solchen Aufgaben hat die Arbeit im Projektmanagement der KfW einen großen Vorteil: Man verbringt nur zwei bis drei Monate des Jahres im Ausland, auf Dienstreisen zu den Projekten vor Ort. Die übrige Zeit arbeitet man in der Bankzentrale hier in Frankfurt. Das ermöglicht mir endlich private Pläne: Ich habe jetzt eine gemeinsame Wohnung mit meiner Freundin. All die Sachen, die ich jahrelang verstreut bei meinen Eltern oder Freunden zwischengelagert hatte, hole ich jetzt zu uns, meine Kletterausrüstung zum Beispiel. Gerade ist mein Klavier angekommen."