

Amy Marietta hat wenig Zeit, als sie mit ihrem weißen Top und der Designer-Sonnenbrille das WhyNot Coffee in New York betritt. Höchstens eine halbe Stunde Pause will sich die 22-Jährige gönnen, dann muss sie zum nächsten Treffen: Kleider anprobieren.
Marietta ist Modebloggerin, seit drei Jahren schon. Ihre Seite "Viviere Bella" lockt 80.000 Leser an, auf Twitter hat sie 12.000 Follower. "Irgendwie scheine ich mit meinem Stil zu gefallen", sagt sie. Deshalb wurde sie zur New York Fashion Week eingeladen, die noch bis zum 11. September läuft.
Die Tage, an denen nur renommierte Modemagazine oder Zeitungen von der Modenschau berichten durften, sind vorbei. Heute sitzen Blogger wie Amy Marietta in den vorderen Reihen. Das Online-Magazin "The Cut" beschrieb kürzlich in einem Artikel, wie sich die Fashion Week in den vergangenen zehn Jahren verändert hat: Früher galt es als Tabubruch für die Gäste, Fotos von den Models auf dem Laufsteg zu schießen. Mittlerweile zücken Blogger wie Bryanboy oder Scott Schuman vom besten Platz aus ihre Smartphones, um die Leser über das zu informieren, was in jedem Kleiderschrank zu hängen hat.
Amy Marietta ist großer Instagram-Fan. Mithilfe der Fotoplattform kann sie Bilder hochladen, bearbeiten und kommentieren. "So bin ich mit meinen Lesern in Kontakt und weiß, was ihnen gefällt", sagt sie, während sie auf ihr Smartphone blickt. Zeit zum Aufbrechen. Sie verlässt das Café in Richtung U-Bahn-Station.
Hier im West Village hat sie ein Apartment in der Nähe ihrer Uni, dem "Fashion Institute of Technology". Neben dem Studium arbeitet Marietta bei einem Social-Media-Unternehmen. Vom Bloggen allein kann sie nicht leben. Noch nicht. Die Zahl der Angebote steigt. Marietta verkauft "Packages": Firmen können sie über mehrere Monate buchen, dafür bewirbt sie deren Produkte. Die Bloggerin erhält Summen in vierstelliger Höhe.
"Ich werbe nicht für jeden"
Ob sie keine Probleme damit habe, ihren Namen zu verkaufen? Marietta schüttelt den Kopf. "Ich werbe nicht für jeden, der mich anschreibt", sagt sie. "Wenn eine Firma meinem Modegeschmack widerspricht, lehne ich ab." Doch für sie war es von Anfang an wichtig, mit ihrem Blog Geld zu verdienen. Als ihr Vater zu Beginn fragte, ob Schreiben über Mode nicht Zeitverschwendung sei, antwortete sie: "Warte nur, es wird sich rentieren."
Ausgezahlt hat sich das Bloggen auch für Justin Livingston. Der 26-Jährige gehört heute zu den bekanntesten Modebloggern aus New York - mit mehr als 250.000 Followern. Anders als Amy Marietta ging es ihm nicht ums Geld, als er vor zwei Jahren seinen Blog "Scout Sixteen" startete.
"Ich war unglücklich mit meiner Arbeit, weil sie so unkreativ war", sagt Livingston. Ein Freund riet ihm, seine Ideen im Internet zu verbreiten. Mit Erfolg: "Scout Sixteen" wurde binnen kurzer Zeit von so vielen Menschen gelesen, dass Modemarken wie "American Eagle" oder "Gap" aufmerksam wurden. Vor einem Jahr machte sich Livingston selbstständig. Mittlerweile verdient er nach eigenen Angaben mehr als 100.000 Dollar im Jahr.
Dafür muss er täglich bloggen. Manchmal laden ihn Firmen in andere Teile der USA ein, die meisten seiner Einträge verfasst er allerdings in New York. "Ich habe meinen Erfolg mindestens zur Hälfte der Stadt zu verdanken", sagt er. "Die Menschen lieben es, Fotos und Texte aus dem Big Apple zu sehen."
Deshalb schreibt er auch über die Fashion Week. Mit seiner roten Kappe und dem T-Shirt sieht er zwar nicht wie ein Laufstegreporter aus. Dennoch haben ihn die Firmen gebucht. Im November will er sich eine Auszeit nehmen. "Die meisten Menschen verstehen nicht, dass Bloggen Arbeit ist", sagt er. Dann fügt er mit einem Lächeln hinzu: "Natürlich ist es die beste Arbeit der Welt."
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Was gibt's Neues? Modeblogger Justin Livingston überprüft in einem New Yorker Café seine neuesten Einträge. Was gerade modisch angesagt ist, bestimmen längst nicht mehr nur die großen Modemagazine.
Inspiration suchen: Livingston zählt zu den bekanntesten Modebloggern der Metropole.
Front Row: Einen Sitzplatz in der ersten Reihe zu ergattern, gilt als Ritterschlag der Modebranche.
Wie du mir, so ich dir: Model Mim Nervo knipst während einer Modenschau einen der Fotografen.
Lockendreher: Friseur Roberto Dell'Anna ist für die Berliner Fashion Week aus Stuttgart angereist. Für die Arbeit bei der Modewoche bekommen die meisten Friseure kein Geld, trotzdem lieben sie die Jobs. Denn im heimischen Salon können sie mit der Erfahrung aus Berlin punkten. mehr...
Routiniert: Marco Lauster aus Ludwigsburg ist schon viele Jahre im Fashion-Week-Team. Er sieht das Gewusel gelassen, auch wenn ihm in der Hektik schon mal ein Fauxpas passiert ist: "Ich bin mal mit einem heißen Lockenstab an ein Modelohr gekommen. Es hatte aber keine Konsequenzen."
Neuling: Dominique Kliemt aus Karlsruhe ist das erste Mal als Friseurin bei der Fashion Week dabei. Sie hat fleißig geübt und will sich jetzt bewähren.
Head of Hair: So darf sich Wolfgang Zimmmer nennen. Zusammen mit seinem Kollegen André Märtens trägt er die Verantwortung für das Friseurteam.
Wissenschaft am Kopf: Jede Frisur ist bis ins kleinste Detail geplant. Die Designer sind äußerst pingelig, wenn das Ergebnis nicht exakt ihren Vorstellungen entspricht.
Platzmangel: Backstage ist es ziemlich eng, die Luft ist stickig und die Lampen heizen den Friseuren ganz schön ein.
Shocking: Hinter den Kulissen muss alles schnell gehen. Pro Kopf sind nur zehn, fünfzehn Minuten Zeit. Trotzdem muss auch mal ein Späßchen sein. Wenn der Ton in der Hektik rauer wird, nimmt es niemand persönlich.
Bitte schön straff ziehen: Für gewöhnlich wird in kleinen Gruppen an einem Kopf gearbeitet. Wenn die Zeit drängt, packt der Chef selbst mit an.
Nassfrisur: Wolfgang Zimmer macht eine Frisur für die Show von "Blacky Dress". Es soll so aussehen, als wäre das Model gerade aus dem Wasser gestiegen. Das hört sich simpel an, ist es aber nicht. "Gerade die vermeintlich simplen Frisuren sind sehr anspruchsvoll", sagt Zimmer.
Zopf im Rampenlicht: Haare nach hinten, Gummi drum, das kann ja nicht so schwer sein. Oder doch? Bei der Fashion Week ist jeder Look gut durchdacht.
Ruhe vor dem Sturm: Friseur Roberto Dell'Anna atmet backstage am frühen Morgen noch mal durch, bevor es gleich ans Marathonfrisieren geht. Wie viele Köpfe er heute frisieren muss? Das weiß er gar nicht so genau. Es geht am laufenden Meter. "In einer Show sind 50 Models. Da geht's zu wie in einer Großküche."
Vorher-Nachher-Bild: Bei der Probe machen die Friseure Fotos mit ihren Tablets und Handys. Vor der Modenschau können sie dann schnell noch mal genau prüfen, ob die Frisur so aussieht, wie sie aussehen soll.
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