
Pförtner in Madrid: 24 Stunden im Dienst
Pförtner in Spanien Adios, ihr guten Geister
Winzige zwei Quadratmeter groß ist der Arbeitsplatz von Rafael Cabrera Rapos. Eine Glasscheibe trennt ihn vom Eingangsbereich eines achtstöckigen Wohnhauses in Madrid - ein bisschen sieht es wie das Kassenhäuschen eines altmodischen Museums oder Kinos aus. Doch der 62-jährige Pförtner residiert in keinem Kino, sondern wacht über den Eingang seines Reichs.
Wenn deutsche Hausmeister oder Reinigungskräfte Feierabend haben, gehen sie nach Hause. In Spanien bleiben sie rund um die Uhr in dem Gebäude, in dem sie arbeiten. Sie haben dort oft das Recht auf eine kostenlose Wohnung, die meistens in den weniger beliebten Bereichen im Keller oder unter dem Dach liegt. "Für die Bewohner birgt das einen großen Vorteil: Sie können mich im Notfall auch nachts anrufen, ich bin sofort zur Stelle", sagt Rafael, der den Beruf vor 37 Jahren als junger Vater ergriff.
Doch die kostenlose Wohnung ist heute ein Privileg, das immer seltener gewährt wird. "Wenn ein Pförtner in den Ruhestand geht, wird oft kein neuer eingestellt. Stattdessen wird die Pförtnerwohnung vermietet und von dem Geld ein Hauswart bezahlt", sagt José Luis Carralero Pereira, Präsident der zuständigen Berufsvereinigung in der Region Madrid. Der neue Hauswart übernehme die gleichen Aufgaben, habe aber kein Recht auf eine bezahlte Wohnung und sei daher nur zu bestimmten Arbeitszeiten zur Stelle.

Azubis als Globetrotter: "Inzwischen bin ich selbst ein bisschen spanisch"
Mittlerweile werde jede dritte Stelle nach der Pensionierung eines alten Pförtners nicht mehr neu besetzt, erläutert Carralero Pereira. "Dieser Beruf ist vom Aussterben bedroht", beklagte das Nachrichtenportal "Digital D Barcelona". Dabei gehört der Pförtner in Mehrfamilienhäusern seit Jahrzehnten zum spanischen Alltagsleben, vor allem in Großstädten wie Madrid oder Barcelona. Allein in der Region Madrid gehen laut Carralero Pereiro geschätzte 20.000 Menschen dieser Tätigkeit nach.
Neben der Überwachung des Eingangs sind sie zuständig für die Reinigung und Instandhaltung des Treppenhauses sowie die Pflege der Gärten. Darüber hinaus kontrollieren sie das Funktionieren der Heizung und sammeln sogar die vollen Mülltüten der Bewohner ein.
Als der Beruf in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts aufkam, beinhaltete er noch eine weitere Funktion. Die Pförtner sollten damals in erster Linie dafür sorgen, dass keine Diebe in die Wohnhäuser eindrangen. "Diese Jobs wurden zunächst für Personen geschaffen, die aus der Polizei oder anderen Sicherheitsdiensten ausgeschieden waren", erläutert der Verbandspräsident. "In dieser Funktion waren sie Hilfskräfte der Polizei innerhalb der Gebäude." Später fanden viele Invaliden des spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) Anstellungen als Pförtner.
Der Psychologe des Hauses
Statt als Sicherheitskraft versteht sich Rafael eher als der gute Geist des Wohnhauses. In den Abendstunden tauscht er seinen Blaumann gegen einen feinen Anzug. Dann nimmt er seinen Platz neben der mit Gusseisen verzierten Glastür ein oder steht im Innenhof und begrüßt freundlich Bewohner und Besucher. Er öffnet ihnen zuvorkommend die Tür und erkundigt sich nach ihrem Befinden.
"Ich bin wie der Psychologe des Hauses. Ich sehe viel, ich höre viel, ich kenne die Probleme der Leute. Aber ich wahre immer Stillschweigen darüber", erklärt er stolz in breitem andalusischen Dialekt. Den Akzent seiner Heimat in Südspanien hat er nach mehr als vier Jahrzehnten in der Hauptstadt nicht abgelegt.
In drei Jahren wird Rafael den Blaumann und den Anzug an den Nagel hängen. Als Rentner möchte er wieder zurück in seine Heimatprovinz Cádiz am südlichsten Zipfel Spaniens. Ob auch sein Platz dann wegrationalisiert wird, ist noch nicht abzusehen. "Wenn auch nur einer oder zwei der Wohnungseigentümer dieses Gebäudes einen Pförtner wünschen, muss die Stelle bestehen bleiben", sagt er zuversichtlich.