Das Schauspiel ist immer gleich, aufgeführt zum Jahreswechsel: Menschen wollen sich zum Besseren ändern. Sie nehmen sich Großes vor und entwerfen ehrgeizige Pläne: Der Mann, der nie Sport macht, schwört, täglich mindestens 30 Minuten ins Fitnessstudio zu gehen. Die Frau, die bis Mitternacht E-Mails beantwortet, plant eine Stunde vor dem Schlafengehen ein, in der sie zum Entspannen Bücher lesen will. Der Mann, der gerade sein zweites Dessert gegessen hatte, schwört dem Zucker ab.
Wir überschätzen uns
So etwas haben wir alle schon erlebt. Wenn wir auf ein Problem stoßen, für das wir unser Verhalten ändern sollten, stürzen wir uns auf die sofortige große Lösung – nur um uns in einem selbstzerstörerischen Kreislauf wiederzufinden, in dem wir wieder und wieder scheitern.
Wir sind darauf programmiert, nicht klein beizugeben und unsere Ziele mit Ehrgeiz zu verfolgen. Das belastet uns mehr, als es uns motiviert. Denn wir müssen uns gewaltig anstrengen, wenn wir extrem hohe Ziele erreichen wollen. Irgendwann verlieren wir sie aus dem Blick, weil wir zu viel um die Ohren haben. Wenn wir dann unsere Ziele verfehlen, geraten wir in eine Abwärtsspirale. Wir verlieren den Mut und scheuen weitere Veränderungsversuche. Wir kommen so nicht voran, sondern bewegen uns rückwärts. Wir essen wieder zwei Desserts, machen keinen Sport, arbeiten zu lange.
Dabei gibt es einen relativ einfachen Trick, den inneren Schweinehund an die Kette zu legen: Nehmen Sie sich weniger vor. Große Ziele erreichen Sie eher mit kleinen Schritten – über Mikrogewohnheiten. Das sind die kleinen Bestandteile einer größeren Gewohnheit. Wie das geht? Sie zerlegen dafür eine große Aufgabe in mehrere kleine Aufgaben, die sie leichter erledigen können. Über einen längeren Zeitraum hinweg helfen Ihnen Mikrogewohnheiten, Ihre großen Ziele zu erreichen.
Als ich zum Beispiel mit dem Laufen anfing, bestand meine Mikrogewohnheit darin, schon am Abend vorher meine Sportkleidung bereitzulegen und sie am nächsten Morgen als Erstes anzuziehen. Als ich es schließlich ins Fitnessstudio schaffte, bestand meine nächste Mikrogewohnheit darin, zehn Minuten pro Tag auf dem Laufband zu gehen. Zwei Jahre später lief ich mein erstes Zehn-Kilometer-Rennen – etwas, an dem ich mich seit Jahrzehnten erfolglos versucht hatte. Unerreichbar scheinende Ziele werden durch Mikrogewohnheiten plötzlich möglich.
Je banaler, desto besser
Veränderungen durch kleine Gewohnheiten zu erreichen – diese Idee ist nicht neu. Aber die Umsetzung bereitet den meisten Menschen Probleme. Uns wird eingetrichtert, groß zu denken, statt uns mit Kleinigkeiten aufzuhalten. Vielleicht mutet es lächerlich an, sich mit einer banalen, winzigen Handlung zu beschäftigten. Wir denken, es bringt uns nicht weiter. Also verschwenden wir keine Zeit und fangen erst gar nicht damit an.