Psychotherapie: Berufswunsch für Geduldige
Foto: Patrick Pleul/ dpa
Die Lage eines Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) ist zum Teil vergleichbar mit der eines Arztes im Praktikum (AiP), auch wenn es den AiP-lern von der Bezahlung her besser ging. Nach langem Streit wurde die AiP-Zeit 2004 abgeschafft.
Zuvor arbeiteten junge Ärzte nach ihrem abgeschlossenen Studium und nach dem Praktischen Jahr (PJ) noch mal 18 Monate als Arzt im Praktikum. Die AiPler hatten eine Teilapprobation, erhielten ein Drittel des Arztgehaltes und erst nach den eineinhalb Jahre die volle Approbation.
Auch damals gab es Diskussionen um die Ausbeutung junger Arbeitskräfte bei großer Verantwortung und geringer Bezahlung. Inzwischen hat sich die Ausbildung geändert: Heute studieren Mediziner rund sechs Jahre, absolvieren im letzten Jahr ihr PJ, danach das letzte Staatsexamen und haben somit zum Ende der Studienzeit ihre Vollapprobation.
Niederlassen können sich Mediziner allerdings erst nach einer Facharztausbildung, die mindestens fünf Jahre dauert. In dieser Zeit bekommen sie ein geregeltes Assistenzarzt-Gehalt.
Komplizierter ist die Lage bei psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten: Sie schließen zunächst das Psychologie- oder (Sozial-)Pädagogikstudium mit dem Diplom oder Master ab. Laut Psychotherapeutengesetz von 1999 müssen sie die Psychotherapie-Ausbildung dranhängen, um ihre Approbation zu erhalten.
Dann erst können sie eigenständig psychotherapeutisch arbeiten und als niedergelassene Psychotherapeuten auch direkt mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Die Ausbildung dauert mindestens drei Jahre, die meisten PiAs brauchen aber deutlich länger.
Bisher gibt es für den Arbeitseinsatz in den Kliniken wenig bis kein Geld - und die Theorieausbildung kostet extra. Darum müssen viele PiAs nebenher zusätzlich arbeiten, oft mit Halbzeitstellen als Psychologen.
Zur Psychotherapie-Ausbildung gehören 600 Stunden Theorie und 1800 Stunden praktische Tätigkeit (ein Jahr in einer Psychiatrischen Klinik, ein halbes Jahr in einer psychosomatischen Klinik oder in der Praxis eines Psychotherapeuten). Teil der Ausbildung sind auch Selbsterfahrung, Patientenbehandlung in einer Ambulanz des Ausbildungs-Instituts sowie Supervision.
KarriereSPIEGEL-Autorin Anne Passow (Jahrgang 1979) hat in Leipzig und Lima (Peru) Hispanistik, Germanistik und Journalistik studiert. Seit 2010 arbeitet sie als freie Journalistin in Hamburg und Umgebung.
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Hängepartie in der Ausbildung: In einem Hamburger Park list Christiane Behrendt, 27, im Lehrbuch. Die Diplom-Psychologin ist noch auf Unterstützung durch ihre Eltern angewiesen. Außerdem verdient sie sich mit einem Halbtagsjob in einer Psychatrie etwas dazu, um ihre Ausbildung abzuschließen. Ganz ähnlichen geht es vielen angehenden Psychotherapeuten. mehr
Mit der Gesamtsituation unzufrieden: "Das ist kein Zustand", kritisiert Robin Siegel die Ausbildung von Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA). Seine Funktion, etwas kompliziert: Er ist PiA-Sprecher im Verband Psychologischer Psychotherapeuten im Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP). Siegel arbeitete selbst ein Jahr lang an einer Essener Klinik, fast die ganze Zeit ohne Gehalt. Er fordert eine stärkere Anleitung der PiAs durch erfahrenes Personal und eine der Verantwortung angemessene Bezahlung.
Schluss mit dem Leben auf Pump: Bei den PiAs formiert sich Widerstand. In Berlin demonstrierten sie im Juni vor dem Vivantes-Klinikum für eine gerechte Entlohnung ihrer Arbeit. Und erreichten einen Teilerfolg: Statt 200 Euro bekommen sie von der Klinik inzwischen 400 Euro brutto im Monat.