Geplantes Psychotherapiestudium Psychologiestudenten fühlen sich abgehängt
Eigentlich ist Jens Spahn in einer bequemen Position. Die Ausbildung zum Psychotherapeuten gilt schon lange als reformbedürftig, und der Bundesgesundheitsminister plant genau eine solche Reform: Die Ausbildung soll schneller, klarer strukturiert und besser bezahlt sein als bisher.
Spahn will, das hatte er Anfang Januar bekannt gegeben, für Psychotherapeuten einen eigenen Studiengang auf den Weg bringen. Der bisher vorliegende Referentenentwurf sieht ein fünfjähriges Hochschulstudium der Psychotherapie vor, das sich aus drei Jahren Bachelor und zwei Jahren Master zusammensetzt.
Am Ende soll es eine staatliche Prüfung geben - wer die besteht, bekommt dann direkt die Approbation, also die Anerkennung für Heilberufe. Bisher war dafür eine mehrjährige und mehrere zehntausend Euro teure Ausbildung nötig. Stattdessen würde sich nach den neuen Plänen eine bezahlte Weiterbildung anschließen, vergleichbar der Facharztausbildung bei Medizinern.
Klingt gut - doch statt Applaus schlägt dem Minister in dieser Woche massiver Protest entgegen. "Prinzipiell sind die Pläne ja nicht schlecht", sagt Fabian Heß, der in Leipzig Psychologie im Master studiert und sich in der bundesweiten Psychologie-Fachschaften-Konferenz engagiert. "Das Problem ist nur: Die aktuellen Studierenden fallen aus den Regelungen komplett raus."
Kritiker befürchten parallele Systeme
Tatsächlich sollen die neuen Studiengänge ab 2020 starten, fünf Jahre später wären dann die ersten approbierten Master-Absolventen fertig. Gleichzeitig ist eine Übergangsfrist für heutige Studenten bis 2032 geplant - danach ist keine Möglichkeit mehr vorgesehen, die bisherige Psychotherapie-Ausbildung abzuschließen.
"Das führt dazu, dass ab 2025 jahrelang Psychotherapie-Absolventen einerseits und Psychologie-Absolventen andererseits nebeneiner in einer Einrichtung arbeiten und die gleichen Aufgaben erledigen - die einen mit Gehalt, die anderen ohne", befürchtet Fabian Heß.
Tatsächlich müssen heutige Psychologie-Absolventen zu Beginn ihrer anschließenden therapeutischen Ausbildung 1200 Stunden als "Psychotherapeut in Ausbildung" (PiA) absolvieren. "Das Gehalt für die praktische Tätigkeit in den Kliniken liegt vor allem in Berlin zwischen null und acht Euro pro Stunde", sagt Dilara Michel, die selbst als PiA bei einem Berliner Klinikkonzern gearbeitet hat.
Zwar gebe auch einige Einrichtungen in Brandenburg und Bayern, die ein normales Psychologengehalt zahlten, "der Schwerpunkt liegt aber bei Kliniken, die unter zwei Euro pro Stunde zahlen - zumindest können wir das für Berlin so feststellen", sagt Dilara Michel. Zusammen mit anderen Betroffenen hat sie für Dienstag eine Demonstration vor dem Berliner Gesundheitsministerium organisiert. Auch in Bonn und Hamburg sind Proteste angekündigt.
"Es kann doch nicht sein, dass die heutigen Studentenkohorten einfach nur Pech haben, weil sie gerade mitten im Studium sind und deshalb von den Reformen nicht profitieren", ärgert sich Fabian Heß. Im Namen der Psychologie-Fachschaften-Konferenz, die bundesweit über 70.000 Studenten vertritt, fordert er deshalb: "Aktuelle Studierende, die Therapeuten werden wollen, müssen unproblematisch in das neue System hinüberwechseln können."
Der Nachbesserungsbedarf, den Dilara Michel bei den Spahn-Plänen sieht, deckt sich weitgehend mit dem der Studenten. Auch Michel fordert, dass es Wechselmöglichkeiten in die neuen Ausbildungswege gibt. Zumindest aber müssten die Kliniken verpflichtet werden, in der Übergangszeit nicht nur die neuen Psychotherapie-Absolventen angemessen zu bezahlen, sondern auch diejenigen, die aus einem reinem Psychologiestudium kommen.
Mit Protesten und Petitionen wollen Fachschaften und PiAs in den kommenden Tagen und Wochen für ihre Anliegen kämpfen. Bis zum Herbst wollen sie die Änderungen am Gesetzentwurf durchsetzen - "denn sonst", sagt eine Hamburger Psychologie-Studentin fatalistisch, "kann ich mein Studium auch gleich abbrechen".