Recruiting-Strategie Vergiss den Job, denk einfach an den Feierabend

Recruiting-Anzeige
Foto: KPMGUnter den Großstädten im Land gehört Frankfurt nicht unbedingt zu den begehrtesten. München hat die Berge und die bayerische Lebensart, Hamburg das Wasser, Köln die Jemütlischkeit. Frankfurt hat Spitznamen ("Bankfurt", "Mainhattan"), die lustig sein sollen, aber schon andeuten, wo das Problem liegt. Weshalb von Menschen, die in Frankfurt leben, oft dieser Satz zu hören ist: "Ja klar, es ist nicht München oder Hamburg, aber das Tolle ist, dass man schnell überall hinkommt." Deutschlands Mitte, Flughafen und so.
Das Argument - "Dieser Ort ist super, weil ich schnell woanders bin" - klingt vielleicht ein wenig, nun ja, paradox. Aber es hat Schule gemacht. Neulich schaltete die Beratungsfirma KPMG eine Recruiting-Anzeige. Das Bild zeigt eine junge Frau ("Marina - Manager Audit Corporate") beim Kitesurfen. Marina lächelt, ach Quatsch, sie strahlt. Denn: "Hier draußen kann ich so richtig ich sein."
Dass Marina so richtig sie selbst sein kann, hat nur am Rande mit Meer und Wind oder ihren sportlichen Fähigkeiten zu tun. Sondern viel mehr mit ihrem Arbeitgeber: "In jeder freien Minute zieht es mich raus aufs Meer. Denn ich will mehr als nur arbeiten! Den passenden Job hab ich bei KPMG gefunden."
Aha. Einst ging es beim Recruiting darum, Menschen von einer Firma oder einem Job zu begeistern, aber das ist natürlich kalter Kaffee. Heute sagt die Anzeige: "Lass uns nicht groß über den Job selbst reden, der ist vielleicht eh nicht so toll. Das Tolle an dem Job aber sind die Dinge, die du außerhalb des Jobs machen kannst!"
Klingt doch gleich schon ganz anders
Nun wusste schon Roy Black: "Das Beste am ganzen Tag, das sind die Pausen." Dennoch ließe sich jetzt lange nachgrübeln, warum Menschen, die es "in jeder freien Minute" raus aufs Meer zieht, nicht gleich Surflehrer oder Meeresbiologe oder Kapitän werden. Oder darüber, wie brutal der Kampf um die Talente offenbar schon geworden ist, wenn ein Unternehmen, das Menschen davon überzeugen möchte, für es zu arbeiten, das Arbeiten schamhaft verschweigt und lieber ganz viel davon erzählt, was man nach Feierabend Schönes unternehmen kann.
Aber rückwärtsgewandte Nörgelei kommt uncool. Nach vorne schauen ist viel besser, neue Möglichkeiten und so. Und der beschriebene argumentative Kunstgriff bietet ganz neue Optionen: "Schatz, ich weiß, ich bin nicht dein Traummann/deine Traumfrau. Aber vergiss doch einfach mal mich, mein Aussehen und meine schlechten Manieren. Klar, wir heiraten, aber du willst doch mehr als nur verheiratet sein, oder? Denk mal daran, wie viel Spaß du außerhalb unserer Ehe haben kannst!"
Klingt doch gleich schon ganz anders. Und es hat einen unschätzbaren Vorteil: keine falschen Versprechungen, keine guten Vorsätze, die eh gebrochen werden, sobald der Ring am Finger ist. Stattdessen: Ehrlichkeit. Keine Spielchen. Authentizität. Darauf kommt es schließlich letzten Endes an, in der Ehe wie im Recruiting.