Firmen reaktivieren Rentner Wir brauchen dich doch, Alter!

Ältere bei der Arbeit: So könnte es bald in immer mehr Unternehmen aussehen
Foto: Patrick Pleul/ dpaMit 60 war Georg Hanen das stressige Tagesgeschäft zu viel. Der Bereichsvorstand sehnte sich nach mehr Ruhe. Sein Vertrag endete, wie bei seinem Arbeitgeber Bosch Rexroth üblich, ohnehin mit diesem Alter. Also ging Hanen in Ruhestand.
Doch gar nicht mehr zu arbeiten, war für ihn keine Alternative. "Nur noch mit dem Hund rauszugehen - das kann es auch nicht sein", sagte er sich. Deshalb arbeitete er im Ruhestand weiter, jetzt als Geschäftsführer der Bosch Management Support GmbH (BMS). Die Stelle teilt er sich mit einem anderen Rentner. Bei der BMS sind 1600 Senioren registriert, die wie Hanen zeitlich befristet für Bosch arbeiten.
Damit ist der Technikkonzern nicht allein: Immer mehr große Unternehmen setzen auf altgediente Mitarbeiter und holen sie nach dem Ruhestand zurück ins Unternehmen. Vor allem deren Erfahrungsschatz ist gefragt.
"Sie haben ein Firmenwissen, das Sie so auf dem Markt nicht finden", sagt Christoph Ebeling, Personalmanager der Otto Group. Das Unternehmen setzt seit 2012 auf Senioren, die als Experten zeitweise an den Schreibtisch zurückkehren. "Die meisten sind Experten, die über Jahrzehnte Fachwissen angesammelt haben." Aktuell beschäftigt Otto demnach etwa 50 Pensionäre als Senior-Experten, wie sie im Konzern genannt werden.

Jobs im Alter: Warum Rentner arbeiten müssen oder wollen
Auch der Autobauer Daimler kündigte vor gut einem Jahr an, Rentner für Spezialeinsätze zurückzuholen. Seitdem hat der Konzern fast hundert Senioren beschäftigt. In einem Expertenpool können sie sich mitsamt ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen registrieren lassen.
Bei Bedarf sollen sie für maximal sechs Monate im Jahr in den Konzern zurückkehren, beispielsweise für den Übergang von einem alten IT-System in ein neues. "Wir hatten tatsächlich niemanden mehr, der die Programmiersprache konnte", sagt Personalvorstand Wilfried Porth über einen solchen Fall. Auch bei Serienanläufen neuer Automodelle seien Pensionäre gefragt.
"Für unseren Erfolg ist beides entscheidend: Innovationskraft und ein umfangreicher Erfahrungsschatz", sagt Porth. Im Klartext heißt das: Sich auf althergebrachte Arbeitsabläufe zu berufen und Erfahrungen weiterzugeben, reicht nicht. Die Senioren müssen auch bereit sein, Neues zu lernen.
Teurer Senioren-Einsatz
"Wir müssen voll durch unsere Leistung überzeugen. Das spornt uns Senior-Experten an", sagt BMS-Geschäftsführer Georg Hanen. Der Vorteil der Älteren: Sie kennen den Konzern in- und auswendig und sind vom ersten Tag an einsatzbereit.
Jede dritte Senior kommt bei Bosch im kaufmännischen Bereich zum Einsatz, mehr als jeder Fünfte hilft in der Fertigung aus. Ihr Honorar orientiert sich am letzten Gehalt. Da die Vergütung über die Jahre steigt, ist das in den meisten Fällen also ein vergleichsweise teures Gastspiel.
Die höheren Lohnkosten würden allerdings dadurch wettgemacht, dass ältere Mitarbeiter häufig lukrative Folgeaufträge an Land zögen, sagt Jens Fahrion, Geschäftsführer von Fahrion Engineering. Auch er holt Rentner zurück ins Unternehmen. "Studienabgänger können oft nicht auf Augenhöhe mit Auftraggebern kommunizieren." Das Familienunternehmen, das Produktionsanlagen und Werkzeuge plant, würde dennoch junge Leute einstellen. "Aber einen erfahrenen, jungen Projektleiter finden wir nicht", sagt Fahrion.
Trotzdem gibt es am Trend zur Renter-Rückkehr auch Kritik, vor allem seitens der Gewerkschaften. "Es wäre geschickter, das Wissen zu vermitteln, bevor die Leute ausscheiden", sagt eine Sprecherin der IG Metall. "Es muss im Interesse des Unternehmens sein, eine strategische Personalplanung zu machen."
Völlig reibungslos läuft die Rückkehr an den alten Arbeitsplatz denn auch nicht immer. "Neben viel Begeisterung und Loyalität gab es manchmal auch eine Erwartungshaltung, mit der wir nicht gerechnet hätten", sagt Otto-Personalmanager Ebeling. Zum Beispiel wenn es um den alten Firmenparkplatz ging, den jemand zurückhaben wollte. "Das können wir leider nicht zusagen, was dann doch den einen oder anderen enttäuschte."