In Kooperation mit

Job & Karriere

Auszeit vom Job Sorry, Chef, ich muss mal weg

Mit Waisenkindern basteln, um die Welt reisen oder ins Kloster ziehen - jeder zweite Deutsche träumt vom Sabbatical. Drei Aussteiger erzählen, wie es ist, das Büro gegen die weite Welt zu tauschen. Und was passiert, wenn man wieder nach Hause kommt.

Die Bürotür hinter sich schließen und ganz lange nicht mehr öffnen, das ist laut einer Forsa-Umfrage der Traum jedes zweiten deutschen Arbeitnehmers: 58 Prozent wünschen sich eine längere Auszeit vom Job. Bei den Chefs hält sich die Begeisterung für das sogenannte Sabbatical in Grenzen. 2009 boten immerhin 16 Prozent der deutschen Unternehmen ihren Angestellten eine längere Auszeit an. 2012 waren es weniger als zehn Prozent, ermittelte das Bundesfamilienministerium.

Oft scheitern die Pläne aber gar nicht am Vorgesetzten, sondern schon an der eigenen Courage: Was werden Kollegen, Nachbarn, Freunde sagen? Was passiert, wenn ich wieder da bin? Und kann ich mir das überhaupt leisten?

Sabine Single, Markus Böhlke und Ulrike Walter haben den Ausstieg auf Zeit gewagt. Hier erzählen sie, wie es ist, drei, sechs oder gar 24 Monate weg zu sein.

  • Die Managerin: "Die Überstunden reichten für zwei Jahre"

Sabine Single, 48, reiste zwei Jahre lang allein um die Welt

Sabine Single, 48, reiste zwei Jahre lang allein um die Welt

"Ich habe schon immer wahnsinnig viel gearbeitet und schon immer sehr viele andere Träume gehabt. Nach 20 Arbeitsjahren bei Hewlett Packard hatten sich meine gesammeltem Urlaubstage und Überstunden auf zwei Jahre summiert. Mein Vorgesetzter wollte, dass ich mit der Pause noch warten, aber für mich galt: jetzt oder nie. Also habe ich einen Nachfolger eingearbeitet und meinen Job frei gemacht.

Einige prophezeiten einen Karriereknick, andere waren fassungslos. Meinen Freund habe ich in Deutschland zurückgelassen, ab und zu hat er mich besucht. Dass ich allein gereist bin, war nicht immer einfach, aber es war schön, eigenständig entscheiden zu können, was man will. Dieses Gefühl war mir ein wenig abhanden gekommen.

Zunächst wollte ich ein halbes Jahr unterwegs sein, aber schon bei der ersten Etappe wurde mir klar, dass sechs Monate nicht ausreichen würden. Ich hatte die Idee zu einem Malprojekt mit Kindern  in SOS Kinderdörfern entwickelt. Meinen Arbeitgeber konnte ich als Sponsor gewinnen. Mit mehr als 250 Kindern aus vier Ländern habe ich Bilder auf Großleinwände gemalt, Postkarten entworfen und verkauft. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, war aber auch unheimlich aufwendig. Ich saß teilweise genauso häufig vor meinem Laptop wie in meinem alten Job. Aber wir haben bisher schon mehr als 50.000 Euro eingenommen.

Fotostrecke

Endlich Urlaub: Abschalten!

Foto: StepStone

Insgesamt war ich zwei Jahre lang unterwegs, unter anderem in Indien, Chile, Bolivien, Peru, Südafrika. Irgendwann habe ich angefangen, den Menschen drei Fragen zu stellen: Was ist das Wichtigste in deinem Leben? Was macht dich glücklich? Was ist dein Lebenstraum? Daraus habe ich nach meiner Rückkehr das Buch 'Lebensträume' gemacht.

Mittlerweile arbeite ich wieder bei Hewlett Packard. Die Auszeit hat mich verändert. Ich denke öfter: Stopp, mach ruhig, es geht hier nicht um Menschenleben. Nicht, dass ich langsamer geworden bin, aber ich glaube, dass ich relevante Dinge besser von unnötigen unterscheiden kann."

  • Der Fernsehserien-Autor: "Schön, wieder geerdet zu werden"

Markus Böhlke, 35, arbeitete ehrenamtlich drei Monate in Indien und Nepal

Markus Böhlke, 35, arbeitete ehrenamtlich drei Monate in Indien und Nepal


"Ein Besuch bei einer Freundin in Uganda hat mich zu meiner Auszeit inspiriert. Mein Arbeitgeber ist meiner Bitte sofort nachgekommen: Ich bekomme sechs Monate lang ein halbes Gehalt; drei Monate arbeite ich Vollzeit, drei Monate bin ich weg.

Ich bin nicht der Typ, der länger als sieben Tage am Strand verbringen kann. Zwei Monate lang habe ich in einem Schulprojekt in Indien gearbeitet, einen Monat lang in einem Waisenhaus in Nepal. In Neu-Delhi habe ich 200 Kinder in Englisch, Mathe und Kunst unterrichtet, mit ihnen gespielt und Ausflüge gemacht. Viele Eltern haben mich in ihre Hütten eingeladen. Noch heute schreiben wir uns.

Die Arbeit war sehr straff durchorganisiert, aber ich habe mir ein langes Wochenende genommen, habe mir das Taj Mahal angeschaut. Nach zwei Monaten bin ich weiter nach Nepal, dort habe ich mich um 20 Waisenkinder gekümmert. Und eine Woche lang bin ich mit dem Linienbus herumgefahren.

Hilfe zur Selbsthilfe

Mit der Armut konfrontiert zu sein, war anfangs eine Belastung, aber es hat mich auch gestärkt. Ich schätze mein Leben jetzt ganz anders und weiß wieder, dass ich nur Luxusprobleme habe. Gerade im Medienbereich ist es schön, von Zeit zu Zeit geerdet zu werden.

Auch wenn das Sabbatical kein Urlaub im klassischen Sinn war, hatte es einen Erholungswert. Es war für mich eine Art Hilfe zur Selbsthilfe. Während der gesamten Auszeit habe ich nicht an meine Arbeit gedacht. Die einzige E-Mail, die ich beantwortet habe, war die, in der mein Chef mir bestätigt hat, dass ich nach meiner Rückkehr Chefautor werden würde.

Viele sagen, dass mich meine Auszeit positiv verändert hat. Ich bin kreativer und gelassener geworden. Eine schlechte Folge oder miese Quoten bringen mich nicht mehr so schnell aus der Ruhe.

Ich dachte, dass ich nach spätestens nach drei Monaten wieder in meine alten Muster fallen würde, aber nun wirkt die Auszeit nach sieben Monaten immer noch nach. Wenn ich heute Stress im Büro habe, schaue ich mir die Fotos aus Indien und Nepal an. Die Ausgeglichenheit wird sicherlich nicht ewig halten, aber daran kann man ja arbeiten: Die Pläne für meine nächste Auszeit laufen schon."

  • Die Selbständige: "Wie kannst Du Deine Kinder allein lassen?"

Ulrike Walter, 49, arbeitete sechs Monate ehrenamtlich in den USA

Ulrike Walter, 49, arbeitete sechs Monate ehrenamtlich in den USA

"Als ich zehn Jahre alt war, kamen Verwandte aus den USA zu Besuch. Seitdem ist Amerika mein Traumland. Inzwischen sind meine beiden Töchter schon 20 und 22 Jahre alt. Sie waren nicht wirklich begeistert, als ich ihnen von meinen Plänen erzählte. Einerseits fanden sie es toll, dass ich fünf Monate in den USA leben wollte, andererseits hatten sie das Gefühl, von mir allein gelassen zu werden.

Auch die Reaktionen von Freunden und Bekannten haben es nicht leichter gemacht. Viele haben mich zwar unterstützt und mich für meinen Mut bewundert, andere waren aber auch neidisch oder entsetzt: Wie kannst du deine Kinder allein lassen? Ich bin vor schlechtem Gewissen fast zersprungen, obwohl meine Töchter erwachsen sind und längst dabei, sich ihr eigenes Leben aufzubauen.

Dass ich mich trotzdem in den Flieger gesetzt habe, hat mit dem Verlust meiner Mutter zu tun, die sieben Monate zuvor gestorben war. Sie ist gegangen, ohne all das zu gemacht zu haben, wovon sie geträumt hat. So sollte es mir nicht gehen.

Ich bin stolz auf mich

Vier Monate lang habe ich in New York ehrenamtlich für CITYarts gearbeitet, ein Kunstprojekt für Jugendliche, das von Promis wie Hillary Clinton und Bon Jovi unterstützt wird. Ich habe dort das gemacht, was auch in Deutschland mein Beruf ist: Büros auf Vordermann bringen. In der restlichen Zeit habe ich die Stadt erkundet, bin mit meinen Kollegen auf Vernissagen gegangen und habe viele interessante und liebenswerte Menschen kennengelernt. Anschließend habe ich einen Monat lang in einem Kloster in Tennessee gewohnt. Dort habe ich gegen Kost und Logis die Büros der Nonnen organisiert.

Der Aufenthalt in New York war sehr teuer, ich musste meine Rentenreserven antasten. Bereut habe ich die Auszeit dennoch keine Sekunde. Ich bin mutiger geworden, packe Dinge leichter und schneller an. Und ich werde demnächst mein erstes Organisationsseminar auf Englisch halten. Das hätte ich mich vorher nicht getraut.

Auch privat habe ich viel gewonnen. Drei liebe Bekannte aus New York werden mich diesen Sommer besuchen. 'You always have a home here', hat eine meiner neuen Freundinnen zum Abschied gesagt. Ich bin erfüllt, dankbar und auch stolz auf mich. Ich habe mir einen Traum erfüllt, auch gegen Widerstände und Bedenkenträger."

Aufgezeichnet von Marie-Charlotte Maas
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren