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Konservative Einstellung der Arbeitgeber Sabbatical, Workation, Urlaubsgeld – so ticken die Deutschen

Urlaubsgeld bekommt nur jeder Zweite, geplant wird im Voraus, und Workation ist meistens ein Fremdwort: Eine Personalleiterbefragung zeigt, was Unternehmen für die Erholungszeit bieten – und verlangen.
Urlaubsgeld gibt es nur für die Hälfte der Beschäftigten

Urlaubsgeld gibt es nur für die Hälfte der Beschäftigten

Foto: {M} DER SPIEGEL; Marc Tran / Stocksy United

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29,2 Tage: So viel jährlichen Urlaub gewähren deutsche Unternehmen im Schnitt. Das sind gut fünf Tage mehr als der gesetzliche Mindestanspruch, der bei 24 Werktagen liegt. Das klingt viel, liegt aber unter dem Schnitt bei tarifgebundenen Unternehmen – dort sind es 29,6 Tage.

Eine Befragung von Personalleiterinnen und -leitern zeigt: Beim Thema Urlaub sind deutsche Unternehmen eher konservativ unterwegs. Sonderformen wie Workation oder Sabbaticals spielen eine untergeordnete Rolle – und Urlaubsgeld gibt es nur für die Hälfte der Beschäftigten.

Jedes Quartal fragt das ifo-Institut im Auftrag des Personaldienstleisters Randstad Personaler nach aktuellen Themen. Im ersten Quartal 2023 ging es schwerpunktmäßig um den Umgang der Firmen mit Urlaub: 630 Verantwortliche aus in Deutschland ansässigen Unternehmen verschiedener Größe in verarbeitendem Gewerbe, Handwerk und Dienstleistungssektor nahmen teil.

Im Durchschnitt werden 90 Prozent der den Mitarbeitenden zustehenden Urlaubstage auch im aktuellen Jahr genommen. Bei mehr als vier Fünfteln der Unternehmen können die Tage allerdings auch ins Folgejahr übernommen werden. Im Dienstleistungssektor geht das sogar bei neun von zehn Unternehmen, im Handel nur bei drei Viertel. Nur gut jedes zehnte Unternehmen lässt es zu, auch über mehrere Jahre Urlaubstage zu sammeln – im Handel sind es sogar nur sieben Prozent. Ein Viertel der Firmen erlaubt es, sich Urlaub zum Teil auszahlen zu lassen.

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Planen: Flexibel bis weit im Voraus

In gut 60 Prozent der befragten Unternehmen kann man den Urlaub flexibel beantragen. Ein Viertel allerdings will am Anfang des Jahres eine verlässliche Urlaubsplanung haben, jeder zehnte Betrieb sogar schon zum Endes des Vorjahres. Große Unternehmen sind dabei flexibler als kleine. Im Schnitt sind mindestens drei Wochen Vorlauf üblich.

Urlaubsgeld: Nur für gut die Hälfte

Große Unternehmen zahlen häufiger Urlaubsgeld als kleine. Drei Viertel der Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden bieten ein Extraentgelt, von denen mit unter 50 Beschäftigen ist nur die Hälfte dabei. Insgesamt zahlen 57 Prozent der befragten Firmen Urlaubsgeld. Von diesen berechnen es knapp zwei Drittel anteilig nach dem Bruttogehalt, gut ein Drittel zahlen es als Pauschale. Wo es eine solche gibt, werden im Schnitt 22,50 Euro pro Urlaubstag gegeben. Zahltag ist meist im Sommer: Bei der Hälfte der Unternehmen im Juni, bei einem weiteren Fünftel im Juli. Ein Zehntel zahlt im Mai.

Sabbatical: Ein Viertel ist dabei

Für den unbezahlten Sonderurlaub, der bis zu ein Jahr dauern kann, gilt das Gleiche wie für den Bildungsurlaub: Je größer das Unternehmen, desto einfacher wird es. Ein Viertel der befragten Unternehmen bieten Sabbaticals an, 17 Prozent konnten dazu nichts sagen. Wo es möglich ist, nimmt aber nur jede Hundertste das Angebot wahr. Die durchschnittliche Dauer einer solchen Auszeit liegt bei 99 Tagen – in Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten sind es nur 36 Tage.

Zwei Drittel der befragten Unternehmen bieten allerdings unbezahlten Urlaub an – bei denen mit mehr als 500 Beschäftigten sind es sogar vier Fünftel. Das Angebot nutzen allerdings generell nur rund 3,5 Prozent der Angestellten, wobei die durchschnittliche Dauer bei rund zehn Tagen liegt.

Workation? Welche Workation?

Die Verschmelzung von Arbeit und Urlaub gilt unter New-Work-Jüngern als besonders attraktiv: Beschäftigte nehmen ihren Laptop mit an einen Urlaubsort und dürfen dort arbeiten, manchmal auch mit weniger Stunden als sonst. Für Unternehmen ist die Sache allerdings oft kompliziert, weil man auch im Ausland dafür sorgen muss, dass Datenschutz, Arbeitsschutz und Arbeitszeit eingehalten werden. Nur acht Prozent der befragten Firmen gaben an, Workation überhaupt anzubieten: Im Dienstleistungssektor rund ein Zehntel, in der Industrie waren es acht und im Handel zwei Prozent. Auch wenn es eine Workation-Option gibt, wird sie nur von durchschnittlich 3,3 Prozent der Belegschaft in Anspruch genommen – bei kleinen Unternehmen liegt der Anteil etwas höher, bei größeren niedriger. Wo die Knackpunkte liegen, lesen Sie in diesem Interview mit Otto-Personalerin Angela Löw-Krückmann .

Bildungsurlaub? Lass mal stecken

In den Bundesländern gelten unterschiedliche Regeln für den Bildungsurlaub . In Bayern und Sachsen gibt es gar keinen gesetzlichen Anspruch darauf, in fast allen anderen Ländern können Mitarbeitende bis zu fünf Tage im Jahr für eine (nicht unbedingt berufsbezogene) Weiterbildung freinehmen. In der Unternehmenspraxis sieht die Sache anders aus: Ein Viertel der Firmen gibt an, es gebe keine Möglichkeit für Bildungsurlaub, 16 Prozent können darüber nicht einmal Auskunft geben. Zwei Drittel der Industrieunternehmen bieten die Sonderfreistellung an, im Handel jedoch nur ein Drittel. Als Faustregel kann gelten: Je größer das Unternehmen, desto mehr Bildungsurlaub. 86 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bieten ihn an, in Betrieben mit unter 50 Mitarbeitenden sind es nur 41 Prozent.

Wer seit mindestens sechs Monaten in einem Unternehmen in Deutschland fest angestellt ist, hat Anspruch auf Bildungsurlaub. Die Ausnahmen: In Baden-Württemberg muss man mindestens zwölf Monate im Unternehmen beschäftigt sein, Beschäftigten in Bayern und Sachsen steht gar kein Bildungsurlaub zu. Auch Azubis haben in vielen Bundesländern Anspruch auf den Extra-Urlaub, anders als etwa Studierende oder Rentner.

Ihn zu beantragen, funktioniert recht unkompliziert: Der Arbeitgeber spendiert bis zu zehn zusätzliche Urlaubstage für zwei Kalenderjahre, der Arbeitnehmer trägt die Kosten für ein als Bildungsurlaub anerkanntes Seminar. Einige davon werden durch die Krankenkassen bezuschusst, in einigen Bundesländern gibt es auch die Möglichkeit einer Bildungsprämie. Arbeitgeber dürfen den Bildungsurlaub nicht ablehnen, nur verschieben, und auch dafür brauchen sie gute Gründe; etwa wenn zu viele Mitarbeitende zur gleichen Zeit Urlaub planen oder ein wichtiges Projekt mit Frist ansteht. Der Bildungsurlaub muss in der Regel vier bis neun Wochen vor Beginn eingereicht werden. Eine Informationspflicht zu dem Extra-Urlaub hat der Arbeitgeber übrigens nicht.

Anbieten heißt aber noch lange nicht nehmen. Das sieht man im Vergleich der Bundesländer: Mecklenburg-Vorpommern etwa bietet zwar den höchsten Anteil an Möglichkeiten für Bildungsurlaub, aber nur 1,3 Prozent der Beschäftigten nehmen sie wahr. Bremen (10,6 Prozent) und Hamburg (7,6 Prozent) sind in dieser Hinsicht Spitzenreiter.

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