Umsturz bei SAP "Teamarbeit im Vorstand gibt es nicht"

Christian Klein und Jennifer Morgan bildeten eine Doppelspitze bei SAP - aber nur sechs Monate lang
Foto: Uwe Anspach/ DPASPIEGEL: Bei SAP ist Christian Klein jetzt alleiniger Vorstandsvorsitzender - und nennt als Grund für das Ende der Zusammenarbeit mit Jennifer Morgan das Coronavirus. Er und Morgan seien sich einig gewesen, dass eine Doppelspitze nicht geeignet sei, um schnell, klar und direkt auf die Auswirkungen der Coronakrise zu reagieren. Sie bilden selbst eine Doppelspitze und beraten andere Führungsduos. Stimmen Sie dem zu?
Echter: Den konkreten Fall kann ich als Außenstehende nicht beurteilen, aber generell kann ich sagen: Nein, für gut eingespielte Doppelspitzen gilt das nicht. Sie können sehr wohl auch in Krisenzeiten schnell und entscheidungsstark reagieren. Ich kenne die wahren Hintergründe für die Entscheidung bei SAP nicht, aber es scheint keine Traumhochzeit zwischen den beiden gewesen zu sein, sonst würden sie gerade jetzt in diesen schwierigen Zeiten weitermachen.
SPIEGEL: Die Krise wird also als Ausrede vorgeschoben.
Assig: Die beiden haben sich auf ein Narrativ für die Trennung geeinigt. In dieser Hinsicht haben sie alles richtig gemacht. Sie haben eine Möglichkeit gefunden, auseinanderzugehen und beide das Gesicht zu wahren.
SPIEGEL: Jennifer Morgan war die erste Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns, die Erwartungen an sie waren riesig. Nun steht sie doch als Verliererin da.
Echter: Das würde ich so nicht sagen. Sie ist noch jung und hat noch zwei, drei Jobs im Topmanagement vor sich. Sobald sie den nächsten Posten hat, wird man auch anders auf ihre Errungenschaften bei SAP zurückschauen.
Assig: Ihr Fall erregt auch nur deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil SAP um ihre Ernennung so viel Wirbel gemacht hat: Seht her, wir haben nun eine Frau im Vorstand. Das finde ich eher schwierig für das Image von SAP als für die Karriere von Jennifer Morgan.
SPIEGEL: Sie hatte bei ihrem Amtsantritt gesagt: "Zu zweit zu sein, ist ein echter Vorteil. Wir haben doppelte Power. Und es sendet das richtige Signal in die Firma: dass Teamarbeit gefragt ist." Wird nun das Signal gesendet, dass Teamarbeit nicht gefragt ist?
Echter: Teamarbeit im Vorstand gibt es nicht! Und es muss sie auch gar nicht geben. Doppelspitze heißt nicht Konsens. Ein funktionierendes Führungsduo hat denselben Antrieb, dieselben Ambitionen, aber sehr unterschiedliche Talente und Kompetenzen. Jeder muss genau wissen, wo die Stärken des anderen liegen - und die Größe haben, sich im entscheidenden Moment zurückzuziehen und den anderen machen zu lassen.
SPIEGEL: Das Erfolgsrezept ist also Arbeitsteilung?
Assig: Ja, jeder muss ein Feld haben, auf dem er oder sie die Richtung vorgibt. Natürlich ist es wichtig, dass sich beide austauschen, aber es darf nicht ewig diskutiert werden, sondern es muss klar sein, wer wo bestimmt. Psychisch ist das extrem herausfordernd.
SPIEGEL: Weil beide sich den Weg an die Spitze erkämpft haben und dann nicht loslassen wollen?
Assig: Ganz genau. In Doppelspitzen treffen ja immer zwei starke Persönlichkeiten im vollen Lauf aufeinander. Die meisten kommen aus pragmatischen Gründen zusammen - und unterschätzen komplett, welche emotionalen und psychischen Herausforderungen das Führen im Duo mit sich bringt.
SPIEGEL: Haben Sie da ein Beispiel?
Assig: Am Anfang können beide noch so optimistisch starten - irgendwann kommt der Punkt, an dem sie sich vom anderen gekränkt fühlen werden. Ein falsches Wort in einer Pressekonferenz, eine vermeintlich ungerechtfertigte Kritik und schon kommen Gefühle auf, mit denen man selbst gar nicht gerechnet hatte.
SPIEGEL: Und wie kommt man da wieder heraus?
Echter: Zunächst muss man sich erst mal der eigenen Kränkung bewusst werden, das ist schon ein wichtiger Schritt. Und dann braucht man Hilfe von außen. Mit bilateralen Gesprächen allein kommt man nicht weiter. Als Team zu wachsen, gelingt nur mit einer dritten Person.
SPIEGEL: Also einem Coach. Machen Sie gerade Werbung für sich?
Echter (lacht): Wir sind ja selbst eine Doppelspitze, auch wir holen uns Hilfe von außen. Wir sind zwei starke Persönlichkeiten, wir wissen, wovon wir sprechen.
SPIEGEL: Bei der Deutschen Bank, bei Daimler, Thyssen Krupp und Eon, aber auch beim Berliner Staatsballett - Doppelspitzen scheinen nie länger als drei Jahre zu halten. Liegt das wirklich nur am fehlenden Coaching?
Echter: Drei Jahre sind doch eine lange Zeit! Im Topmanagement ist die Fluktuation generell sehr hoch, da finde ich es auch nicht ungewöhnlich, wenn jemand nach sechs Monaten seinen Posten wieder räumt. Und eine Doppelspitze ist eine sehr aufwendige Führungsform. In einem solchen Team muss jeder seinen eigenen Markenkern haben - und das Duo selbst braucht zudem einen gemeinsamen. Das ist harte Arbeit und passt nicht zu jeder Zeit zu jeder Firma.
Assig: Die meisten Doppelspitzen kommen auch in besonderen Situationen zustande, zum Beispiel, wenn ein Konzern einen anderen aufkauft, wenn eine Firma vererbt wird oder besondere Innovationen gestartet werden sollen. Da ist es auch völlig in Ordnung, wenn sich diese Duos wieder auflösen, sobald sie ihre Aufgabe erfüllt haben.
SPIEGEL: Beobachten Sie denn auch häufiger, dass in solchen Fällen die Frau geht und der Mann allein weitermacht?
Echter: Nein, das kann man so nicht sagen. Aus der Praxis kennen wir viele andere Beispiele. Und im Mittelstand oder bei Beratungsfirmen gibt es auch viele gemischte Doppelspitzen, die langfristig wunderbar zusammenarbeiten.
SPIEGEL: Liegt das vielleicht daran, dass sich dort die Führungsteams freiwillig zusammengetan haben und in Konzernen eher von oben zusammengewürfelt werden?
Assig: Das spielt bestimmt eine Rolle, aber auch aus pragmatischen Gründen zusammengewürfelte Doppelspitzen können wunderbar funktionieren.
SPIEGEL: Von diesen Duos hört man aber eher selten. Schlagzeilen gemacht haben in den vergangenen Monaten die gescheiterte Doppelspitze des Berliner Staatsballetts und nun SAP. Hat das nicht eine abschreckende Wirkung auf andere?
Assig: Das glaube ich nicht. Im Fall des Berliner Staatsballetts war die Idee hinter der Doppelspitze ja unheimlich gut, man wollte Tradition und Moderne zusammenbringen. Das ist zwar gescheitert, aber die Idee, das Ballett völlig neu zu erfinden, ist nun in der Welt und das allein ist doch schon ein Erfolg. Und das gilt auch für SAP. Wer etwas Neues wagt, geht damit auch das Risiko ein, dass es schiefgehen kann. Das ist doch völlig normal!