Kuriose Stellenanzeige Schule sucht Vervielfältiger

Kopieren geht über studieren: Als Vervielfältiger hat man einen vielfältigen Job
Foto: Nadezhda Buravleva / iStockphoto / Getty ImagesDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Was fällt Ihnen als erster Job ein, wenn es darum geht, »eine interessante, abwechslungsreiche und anspruchsvolle Tätigkeit« auszuüben, in der Sie »wichtige Lebensbereiche der Stadt Berlin mitgestalten können«? Na? Türsteher im Berghain? BER-Flughafenchefin? Regierender Bürgermeister? Falsch, falsch, falsch.
Diese Beschreibung findet sich in der aktuellen Stellenanzeige einer Neuköllner Schule, die eine/n »Vervielfältiger/in (m/w/d)« in Vollzeit sucht.
Das klingt an sich ja erst einmal nach einem sehr vielfältigen Aufgabengebiet. Fast noch besser als Influencer, denn da träumt man ja erst einmal lange davon, ein echter Multiplikator zu werden, hier steigt man gleich ganz oben ein.
Im Schuldienst sieht die Sache allerdings ein wenig, nun ja, technischer aus: Man kopiert Zeugnisse und anderes Zeug. Und ist zuständig für »Overheadprojektoren, DVD-Player und Multimediawagen«, was leider weitaus weniger mit mobilen Lichteffekten, Musik und Getränken zu tun hat, als man sich das als Schülerin oder Schüler von einem richtig coolen Multimediawagen wünschen würde.
Immerhin eine echte Herausforderung bietet der Job: Man muss nicht nur Fotokopierer bedienen können, sondern auch Risographen (und nein, Ihr göttliches Risotto ist hier nicht gefragt). Die Technik der Risographie als Vervielfältigungsmethode gibt es seit den 1980er-Jahren, alles andere muss man sich vor Ort draufschaffen, das kriegen Sie schon hin – denn die Mitbewerberinnen und Mitbewerber wissen garantiert auch nicht viel mehr darüber als Sie. Und bis die Schule irgendwann einmal technisch so digital aufgestellt ist wie Ihr Schreibtisch zu Hause, haben Sie noch viel, viel Zeit, sich mit Risographie zu beschäftigen. Oder Keilschrift zu lernen.
Ganz vielleicht gibt es in Ihrem neuen Wirkungsbereich sogar noch Matritzendrucker; jedenfalls ist in der Stellenanzeige wolkig die Rede von »anderen in der Reprostation vorhandenen Geräten«. Das lässt hoffen, denn die Älteren von uns erinnern sich wehmütig an die gute alte Zeit, als die ganze Klasse schnuppernd über den frisch gedruckten lila Arbeitsblättern hing. Wir hatten ja sonst nichts.
Apropos sonst nichts haben: Bezahlt werden Sie nach Entgeltgruppe E3 TV-L . Ohne Berufserfahrung kommen Sie auf ungefähr 2400 Euro brutto, mit drei Jahren Berufserfahrung (was immer das im Bereich Vervielfältigung heißen mag) auf knapp 2700 Euro.