

Ratsch! Wer zur Mittagszeit durch die kleinen Gassen von Barcelona bummelt, kennt das Geräusch. Mit ohrenbetäubendem Lärm rasseln die Rollläden der kleinen Geschäfte zu Boden. Es ist Siesta, und langsam kehrt Ruhe ein in den Sträßchen abseits des Touristenrummels.
Auch Jordi Cerqueda macht um halb zwei im Stadtteil Gracia die Schotten seines kleinen Textileinrichtungsladens dicht, in dem er Vorhänge und Stoffe verkauft. Für den 63-Jährigen beginnt dann eine ganz besondere Tageszeit, seine Mittagspause liebt er über alles: "Sie ist eine körperliche und mentale Erholung." Eine Stunde nimmt er sich Zeit für ein gutes Essen mit der Familie. Manchmal trifft er auf dem Nachhauseweg noch Nachbarn und Kunden, hält hier und da ein Schwätzchen. "Die Beziehung zu den Menschen im Viertel ist mir sehr wichtig", sagt er.
Cerqueda öffnet seine Boutique insgesamt 40 Stunden, von Montag bis Samstag. Außerhalb der Öffnungszeiten besucht er Kunden oder arbeitet im Büro. Am Mittag durchzumachen ist für ihn unmöglich: Er schmeißt den Laden allein.
Der Ursprung der Siesta reicht bis zum Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 zurück. In der Kriegszeit brauchten viele Spanier zwei Jobs, um die Familie zu ernähren: einen morgens und einen nachmittags. Da entstand die Gepflogenheit, dazwischen eine spätere und längere Essens- und Ruhepause einzulegen. So regelmäßig wie Cerqueda halten heute allerdings nur noch wenige Siesta.
Die moderne Arbeitswelt in Spanien sieht längst aus wie im restlichen Europa, besonders in Metropolen wie Barcelona. Große Ladenketten und Kaufhäuser wie das El Corte Ingles in der Innenstadt schließen mittags nicht. Katalonien gehört zu den wirtschaftsstärksten Regionen Spaniens, viele multinationale Unternehmen haben hier ihren Sitz - und deren Angestellten kennen die Siesta höchstens noch von ihren Eltern oder Großeltern.
Nickerchen hinter der Verkaufstheke
Jordi Cerqueda kann sich ein Leben ohne gemütliche Mittagspause nicht vorstellen. Manchmal isst der Katalane in einer der gemütlichen Bars mit landestypischer Küche, wie dem cCal bBoter, ein paar Straßen weiter. Den Besitzer kennt er und weiß, wann es dort sein Lieblingsessen gibt. Wenn Cerqueda dann seine Faves a la Catalana löffelt, strahlt er zufrieden über das ganze Gesicht. Die katalanische Küche kann besonders im Winter sehr deftig sein. Liegt der Eintopf aus Saubohnen mit Schinkenspeck und Presswurst nicht schwer im Magen? "Normalerweise wird das Gericht mit etwas Minze abgeschmeckt", sagt er. "Dann ist es besser verdaulich."
Nach dem Essen frönt Jordi Cerqueda seinem täglichen Ritual, macht sich auf dem Sofa lang und schläft sofort ein. Nebenbei dudelt der Fernseher vor sich hin. "Man sagt, dass die ideale Siesta eine Dauer von maximal 20 bis 30 Minuten haben soll. Wer zu lange schläft, wacht in schlechterem Zustand auf als vorher", sagt er. Drängen sich die Termine mal etwas dichter, hält der Geschäftsmann einfach sein Nickerchen im Sitzen - hinter der Verkaufstheke im Laden. "Ich kann überall schlafen", sagt er. Im Sommer lege er sich sogar manchmal auf den Boden, das kühle. "Modell Fakir", scherzt er.
Spanien sucht den Super-Schnarcher
Dass der Mittagsschlaf keineswegs nur etwas für ältere Herren ist, bewies die Nationale Vereinigung der Siesta-Freunde im Oktober 2010. Sie stellte in einem Einkaufszentrum in Madrid blaue Sofas auf und ließ Hunderte Menschen zum Schlafwettbewerb antreten. Bewertet wurden unter anderem die beste Schlafposition und das lauteste Schnarchen. David Blanco, Präsident der Siesta-Freunde, verkündete, dass es in ganz Spanien noch immer viele Fans der Tradition gebe. Es sei eher eine Typfrage, wer Siesta mache: Die Relaxten könnten es besonders gut, die Gestressten weniger.
In Spanien entscheidet allerdings noch ein ganz anderer Faktor über die Siesta: der Wohnort. Ciriaco Hidalgo arbeitet bei der VW-Tochter Seat. Er pendelt viel zwischen der Zentrale des spanischen Autobauers in Martorell und dem Hauptstadtbüro in Madrid. Die Mittagspausen sind völlig gegensätzlich: In Martorell reicht die Zeit oft nur für einen kurzen Zwischenstopp in der Kantine. In Madrid dauert das Essen schon mal zwei Stunden - und kommt erst nach 14 Uhr auf den Tisch.
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Rollladen runter: Jordi Cerqueda, 63, macht um halb zwei in Barcelona die Schotten seines kleinen Textileinrichtungsladens dicht. Seine Mittagspause liebt er über alles. Eine Stunde nimmt er sich Zeit für ein gutes Essen - und ein Nickerchen. mehr...
Erster Gang: Wenn es im Cal Boter, einer gemütlichen Bar ein paar Straßen von seinem Laden entfernt, Faves a la Catalana gibt, lässt Cerqueda das Essen zu Hause ausfallen. Der Eintopf aus Saubohnen ist sein Lieblingsgericht.
Zweiter Gang: Zum Hauptgang isst Jordi Cerqueda Butifarra, eine Art grobe Bratwurst. Dazu gibt es escalivada - gegrilltes, mariniertes Gemüse, das aber kalt gegessen wird. Und Brot.
Prost: Aus dem Porró direkt in den Mund - das ist die typische Art des Weintrinkens in Katalonien. Klappt aber nur mit viel Übung, sonst gibt es hässliche Rotwein-Flecken.
Nachtisch: Mató ist eine Frischkäsecreme aus Ziegenmilch mit Honig.
Nickerchen: Der Mittagsschlaf gehört für Cerqueda zum Essen dazu. Normalerweise legt er sich zu Hause aufs Sofa. Wenn er nur wenig Zeit hat, schläft er im Stuhl hinter der Theke.
Schnell, schnell: Ciriaco Hidalgo (rechts) arbeitet bei der VW-Tochter Seat. Er pendelt viel zwischen der Zentrale des spanischen Autobauers in Martorell und dem Hauptstadtbüro in Madrid. In Martorell reicht die Zeit oft nur für einen Snack während einer Besprechung. In Madrid dauert das Essen schon mal zwei Stunden.
Wer hat an der Uhr gedreht? Jeden Morgen nimmt das Verhängnis seinen Lauf - für Langschläfer, die ihr Beruf zum Frühaufstehen zwingt. Müde schleppen sie sich durch den Tag, der nicht ihren chronobiologischen Bedürfnissen entspricht, finden erst spät ihre Hochform und bauen im Laufe der Woche ein übles Schlafdefizit auf. Muss das so sein? Muss es keineswegs, schreibt Buchautorin Bettina Hennig in ihrem
Plädoyer für Arbeitszeiten, die Nachteulen mehr entgegenkommen. mehr...
Aber wie überzeugt man davon auch den Chef? Bettina Hennig hat da sechs Tipps...
1. Beobachten Sie Ihre Vorgesetzten!
Schleicht Ihre Chefin auch ganz gern später durch die Bürotür und versucht dann, durch wilden Aktionismus ihr Versäumnis zu kaschieren? Gibt der Chef öfter mal vor, eine Panne, einen Termin bei der Bank, beim Arzt oder Vertrauenslehrer seines Kindes zu haben? Dann sind das Ihre Frau oder Ihr Mann. Nichts ist besser für Ihr Vorhaben als Vorgesetzte, die ebenfalls Eulen sind. Andernfalls... hm. Sieht es nicht ganz so gut aus. Denn Lerchen zeichnen sich durch Rigidität und Prinzipienreiterei aus. Sie stilisieren ihre Fähigkeit, früh aufzustehen, zur Tugend. Entweder nehmen Sie einen langen Kampf auf sich oder wechseln den Job. Hilft ja nichts! Schlafen müssen Sie.
2. Sortieren Sie Gegner aus.
Wer belehrt Sie, dass Sie schon wieder zu spät kommen? Wer gibt Ihnen das Gefühl, dass Sie nachlässig und faul sind, weil Sie morgens nicht so gut drauf sind? Das sind Ihre Gegner. Rächen Sie sich mit Erfolg - und vielen Verbündeten. Drängen Sie die Gegner ins Abseits (Obacht: Wenn ein Foto wie dieses frühmorgens entsteht, wird der Mann links eher kein Mitstreiter).
3. Suchen Sie sich Verbündete.
Welcher Kollege, welche Kollegin nimmt es morgens - typisches Zeichen! - nicht so genau mit der Pünktlichkeit? Wer hängt abends (ebenfalls typisches Zeichen) ohne Murren ein paar Minuten dran? Das sind Ihre Freunde. Tun Sie sich zusammen, sprechen Sie über Ihren Plan, sammeln Sie Argumente, gehen Sie alle möglichen Szenarien durch. Nur Sie kennen Ihre Vorgesetzten, die Stärken, Schwächen, und Eitelkeiten - da versuchen Sie anzusetzen.
4. Lassen Sie sich einen Termin geben.
Tragen Sie ihre Wünsche vor. Und rechnen Sie mit dem Schlimmsten: Änderungen sind nie willkommen. Sie machen Angst. Und: Selbst wenn Ihre Chefin oder Ihr Chef noch so tolerant gegenüber Ihrem Anliegen ist, auch sie oder er muss sich nach oben hin verantworten, Veränderungen durchsetzen, für neue Strukturen werben. Deshalb ist es gut, hier gleich ein paar Lösungen im Gepäck zu haben. Streichen Sie die Vorteile der Umstrukturierungen hervor: Will Ihre Chefin das beste Team im Unternehmen leiten? Erklären Sie ihr, dass ihr Team effektiver ist, wenn jeder dann arbeitet, wenn er am fittesten ist. Fordert der Chef Überstunden? Machen Sie ihm deutlich, dass das kein Problem ist, wenn man später kommt. Legen Sie Studien vor, und verlangen Sie Verbindlichkeit. Vereinbaren Sie ein nächstes Treffen. Bleiben Sie hartnäckig, treiben Sie Ihre Ziele voran. Machen Sie den Vorgesetzten klar, dass Sie und Ihre zahlreichen Verbündeten nicht locker lassen - es aber mit einer besseren Performance entlohnen, sollten Ihre Wünsche Gehör finden.
5. Sie haben sich durchsetzen können?
Applaus und Gratulation. Der Dank etlicher Kollegen wird Ihnen ewig nachschleichen. Nun gilt es, andere Abteilungen oder andere Firmen für die neuen Strukturen zu erwärmen. Nehmen Sie Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen anderswo auf. Erklären Sie, wie Sie es geschafft haben, und lassen Sie sich von Erfolgen inspirieren oder erzählen, wo es Probleme gibt. Je mehr Betriebe ihre Arbeitszeiten umstellen, desto selbstverständlicher wird es, verschiedene Arbeits-, Lebens- und Lebensformen zu integrieren.
6. Sie sind selbst in einer leitenden Position?
Yes, you can! Führen Sie flexible Arbeitszeiten ein - Ihre Leute werden es Ihnen danken.
Und wenn das alles nichts hilft? Versuchen Sie, eine Stelle mit angenehmeren Arbeitszeiten, mit flexibleren und toleranteren Vorgesetzten zu finden. Oder einen Job, der Ihrem Rhythmus stärker entspricht. Bäcker sollten Sie eher nicht werden, Verkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt ist auch keine Option. Aber es gibt andere Berufe, die wie gemacht sind für nachaktive Menschen: Barkeeper zum Beispiel oder Theater-Schauspielerin. Auch als Nachtredakteur oder Tourmanager einer Rockband können Sie mit Ausgeschlafenheit punkten.
Bettina Hennig: Die Autorin ist bekennende und praktizierende Nachteule. Mit "Der frühe Vogel kann mich mal!" hat sie ihr erstes Sachbuch veröffentlicht und bricht eine Lanze für Langschläfer.
Wer hat an der Uhr gedreht? Jeden Morgen nimmt das Verhängnis seinen Lauf - für Langschläfer, die ihr Beruf zum Frühaufstehen zwingt. Müde schleppen sie sich durch den Tag, der nicht ihren chronobiologischen Bedürfnissen entspricht, finden erst spät ihre Hochform und bauen im Laufe der Woche ein übles Schlafdefizit auf. Muss das so sein? Muss es keineswegs, schreibt Buchautorin Bettina Hennig in ihrem
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4. Lassen Sie sich einen Termin geben.
Tragen Sie ihre Wünsche vor. Und rechnen Sie mit dem Schlimmsten: Änderungen sind nie willkommen. Sie machen Angst. Und: Selbst wenn Ihre Chefin oder Ihr Chef noch so tolerant gegenüber Ihrem Anliegen ist, auch sie oder er muss sich nach oben hin verantworten, Veränderungen durchsetzen, für neue Strukturen werben. Deshalb ist es gut, hier gleich ein paar Lösungen im Gepäck zu haben. Streichen Sie die Vorteile der Umstrukturierungen hervor: Will Ihre Chefin das beste Team im Unternehmen leiten? Erklären Sie ihr, dass ihr Team effektiver ist, wenn jeder dann arbeitet, wenn er am fittesten ist. Fordert der Chef Überstunden? Machen Sie ihm deutlich, dass das kein Problem ist, wenn man später kommt. Legen Sie Studien vor, und verlangen Sie Verbindlichkeit. Vereinbaren Sie ein nächstes Treffen. Bleiben Sie hartnäckig, treiben Sie Ihre Ziele voran. Machen Sie den Vorgesetzten klar, dass Sie und Ihre zahlreichen Verbündeten nicht locker lassen - es aber mit einer besseren Performance entlohnen, sollten Ihre Wünsche Gehör finden.
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