
Tipps von der Karriereberaterin So reagieren Sie richtig, wenn ein Headhunter sich meldet


Top oder Flop? Was Sie brauchen, ist ein sinnvoller Entscheidungsprozess
Foto: Contributor/ iStockphoto/ Getty ImagesHeiko (42) fragt: "Ich arbeite seit acht Jahren als Ingenieur für ein mittelständisches Unternehmen. Ich arbeite gern dort und habe nette Kollegen. In letzter Zeit vermisse ich neue Herausforderungen, vieles ist zur Routine geworden. In den vergangenen Monaten wurde ich mehrmals von Headhuntern kontaktiert, die mir durchaus spannende Stellen, auch mit höherem Gehalt, angeboten haben. Ich habe immer abgesagt, weil ich Angst hatte, eine falsche Entscheidung zu treffen. Nun ärgere ich mich darüber. Wie kann ich bei einer nächsten Anfrage sicherstellen, die richtige Entscheidung zu treffen?"
Carmen Michaelis war zehn Jahre Führungskraft in einem Unternehmen, zuletzt stellvertretende Geschäftsführerin. Seit 2004 arbeitet sie selbstständig als Coach, Trainerin und Moderatorin für Unternehmen. E-Mail an karriere.leserpost@spiegel.de schreiben – Stichwort Carmen Michaelis .
Lieber Heiko,
freuen Sie sich zunächst über Ihre erfreuliche Situation: Sie arbeiten im Grundsatz gern dort, wo Sie arbeiten, werden umworben und sind in keiner akuten Notlage. Ein komfortabler Ausgangspunkt! Ohne Druck können Sie sich nun mit dem Thema beschäftigen und sich eine Grundlage für die nächste Anfrage erarbeiten. So können Sie vorgehen:
Machen Sie sich frei von der Vorstellung, es gäbe die richtige Entscheidung und eine Gelinggarantie. Ein erster Schritt: Entscheiden Sie sich zunächst nur, sich mit Ihrer Situation aktiv auseinanderzusetzen und das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen. So ist der Weg frei für eine gute Entscheidung, die Ihren Wünschen und Vorstellungen entspricht.
Drehen Sie nun die Blickrichtung um. Stellen Sie sich selbst, nicht das Angebot in den Mittelpunkt. Beginnen Sie damit, Ihre Bedürfnisse und Prämissen zu ermitteln. Bislang haben Sie sich mit den Angeboten der Headhunter auseinandergesetzt, nun überlegen Sie zuerst, wie ein Angebot aussehen muss, das Sie bewegen könnte, über einen Wechsel nachzudenken.
Denken und ermitteln Sie vom Großen zum Kleineren. Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und fragen Sie sich, losgelöst von Ihrem Job:
Wie will ich leben?
Was ist für mich unverzichtbar, um ein erfülltes Leben zu führen?
Was kann ich gut und tue ich gern?
Wo liegen meine Potenziale, und wie und wo kann ich sie bestmöglich einsetzen?
Dies ist eine erste Grundlage, um gute Entscheidungen treffen zu können, denn Sie gehen von Ihren generellen Bedürfnissen und Prämissen aus. Nun klären Sie detaillierter, was genau einen Job ausmacht, der Sie zufriedenstellt. Hierbei können Sie sich verschiedene Aspekte vornehmen:
Tätigkeit und Inhalte
Sinn der Arbeit
Gehalt und Sozialleistungen
Arbeitszeiten/Work-Life-Balance
Karriere/Weiterbildung
Ort
Unternehmensart und Größe
Entscheidungen fallen uns oft schwer, weil wir meinen, wir müssten uns zwischen zwei Alternativen entscheiden. Bei Ihnen: im alten Job zu bleiben oder ein neues Angebot annehmen. Gehen Sie weitere mögliche Optionen durch:
Sie berichten, es fehlen Ihnen die Herausforderungen in Ihrem Job. Könnten Sie diese auch in Ihrem jetzigen Umfeld bekommen? Teilen Sie Ihrem Chef Ihre Wünsche mit. Vielleicht können Sie mit einer konkreten Idee an ihn herantreten. Ein neues Projekt? Ein nächster Karriereschritt? Eine Qualifizierung, die Sie für andere Aufgaben befähigt? Die Mitarbeit in einem Netzwerk? Überlegen Sie, wie Sie Routinen durchbrechen oder ersetzen können. Etwa: die Abgabe von alten Aufgaben, neue Arbeitsweisen, die Veränderung der Tagesstruktur.
Kann es sein, dass Ihre bisherige Ablehnung der Angebote auch mit dem Gefühl zu tun hat, es ginge um Hopp oder Top? Gönnen Sie sich den Blick auf eine weitere Option: Sie müssen ja nicht gleich springen. Sollte ein Angebot wirklich gut klingen, können Sie unverbindlich in das Bewerbungsverfahren einsteigen. Was kann passieren? Sie kommen zu der Erkenntnis, dass Ihr alter Arbeitsplatz Ihnen mehr gibt und bedeutet, als Sie dachten. Oder: Das neue Angebot stellt sich als nicht passend heraus. Vielleicht merken Sie aber auch, wie reizvoll das Angebot und ein Wechsel sind. Ihren Hut bei einer attraktiven Stelle in den Ring zu werfen, bedeutet noch lange nicht, ihn dort auch zu belassen. Stellen Sie nach reiflicher Überlegung fest, dass es nicht das ist, was Sie wollen, können Sie einfach zurückziehen.
Visualisieren Sie Vor- und Nachteile
Wenn das neue Angebot reizvoll ist, brauchen Sie eine Entscheidungshilfe. Ziehen Sie nun Ihre Ergebnisse aus Ihren Überlegungen zurate. Zahlt dieses Angebot auf Ihre Bedürfnisse und Prämissen bestmöglich ein?
Sie können hierfür eine Matrix erstellen, in der Sie Ihre Prämissen eintragen und in einer nächsten Spalte bewerten, ob sie mit dem Jobangebot erfüllt sind. Alternativ bewerten Sie jedes Kriterium in seinem Erfüllungsgrad mit Prozenten. Allein die Auseinandersetzung damit wird Ihnen weiterhelfen. Zudem bietet Ihnen eine visualisierte Form einen etwas distanzierteren Blick und sorgt dafür, dass Sie sich gedanklich weniger im Kreis drehen.
Kopf versus Bauch
In einem Entscheidungsprozess haben Sie es immer mit zwei Gegenspielern zu tun: Kopf und Bauch. Fragen Sie auch Ihren Bauch und beziehen Sie das Gefühl in Ihre Entscheidung ein. Ihr Bauch gibt deutliche Signale, man nennt sie "somatische Marker". Das sind Körpersignale, die Zustimmung oder Ablehnung anzeigen. Gibt Ihr Körper Ihnen angenehme Signale wie ein Kribbeln im Bauch, ein beschwingtes Herzflattern - oder unangenehme Signale wie zum Beispiel ein Engegefühl in der Brust oder einen Knoten im Magen?
Freuen Sie sich auf das nächste Angebot, zu dem Sie dann gut vorbereitet die passende Entscheidung für sich treffen können!