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Spanische Mittagsruhe in Gefahr Schluss mit der Siesta

Zur Mittagszeit legt sich der Spanier gern aufs Ohr oder geht ausdauernd speisen. Abends wird dafür umso länger gearbeitet. Reformer fordern jetzt: Früher in die Firma! Mehr schaffen! Neue Betriebszeiten sollen dem Land aus der Krise helfen. Ohne Siesta, por favor.
Siesta-Wettbewerb in Madrid (2010): Es gewinnt, wer am schnellsten einschläft

Siesta-Wettbewerb in Madrid (2010): Es gewinnt, wer am schnellsten einschläft

Foto: Paul White/ ASSOCIATED PRESS

Jesús López hat einen krisensicheren Arbeitsplatz. Das dachte er zumindest. Das Restaurant des Madrilenen ist zur Mittagszeit ein beliebter Treffpunkt für Geschäftsleute. Bei Bohnen mit Paprikawurst werden Verträge überarbeitet, Gerüchte diskutiert und Erfolge gefeiert. Zwei Stunden und mehr widmen die Büroleute in der Regel dem Mahl. Doch jetzt fragen sich viele, ob sich Spanien diese Tradition noch leisten kann.

Die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone schlägt sich mit unzähligen Problemen herum, die Arbeitslosigkeit liegt bei 21,5 Prozent und bei jungen Leuten sogar doppelt so hoch, Schulden häufen sich. An der Produktivität pro Arbeitsstunde gemessen liegt Spanien unter den 17 Euro-Ländern an zehnter Stelle.

Helfen könnte die Abschaffung der traditionellen Siesta, meinen Wirtschaftsexperten: Die Leute sollten früher Feierabend machen und dann zum Beispiel Sport treiben oder sich mit ihren Kindern beschäftigen. Dann wären sie bei der Arbeit auch ausgeruhter, motivierter und damit leistungsfähiger.

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Foto: A9999 Db Upi/ dpa/dpaweb

Über ein Ende der Siesta wird in Spanien schon länger debattiert. Nun denkt darüber selbst die Vereinigung kleiner und mittelständischer Betriebe nach, die über 90 Prozent der spanischen Unternehmen vertritt. "Wir möchten überlange Arbeitstage vermeiden, die nichts zur Produktivität beitragen", sagt Teresa Diaz de Teran vom Mittelstandsverband.

Der Ursprung der Siesta reicht bis zum Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 zurück. In der Kriegszeit brauchten viele Spanier zwei Jobs, um die Familie zu ernähren: einen morgens und einen nachmittags. Da entstand die Gepflogenheit, dazwischen eine spätere und längere Essens- und Ruhepause einzulegen.

Essen, eine Stunde verdauen, dann langsam wach werden

Wer heute wann und wie lange Pause macht, vermag das Arbeitsministerium nicht zu sagen. Die Regierung versuchte 2005 ein gutes Beispiel zu geben und verfügte, dass alle Ministerien um 18 Uhr schließen. Doch eine Arbeitszeit von 9 bis 17 Uhr oder ein noch früherer Beginn ist Wirtschaftsexperten zufolge die Ausnahme. Selbst der Energieriese Repsol in Madrid macht zwei Stunden Mittagspause, ebenso wie einige Abteilungen der Banco Santander, der größten Bank des Landes.

Nach zwei bis vier Stunden Mittagspause sei die erste Stunde zurück am Arbeitsplatz für die Katz, weil man erst einmal verdauen und wieder wach werden müsse, gesteht ein Kunde von Restaurantbesitzer López. Der junge Mann arbeitet in einer Bank, bis 20 oder 20.30 Uhr sitze er jeden Tag im Büro. Seinen Namen will er lieber nicht nennen. "Ich glaube, wenn wir eine halbe oder dreiviertel Stunde hätten, um schnell etwas zu essen, und dafür früher 'rauskämen, würde das mehr bringen", sagt er.

Häufig blieben Arbeitnehmer, selbst wenn sie nichts zu tun hätten, lange im Büro - um dem Chef als fleißig aufzufallen, sagt Monica Oviedo: "Diese Vorstellung sitzt bei uns tief drinnen." Oviedo arbeitet in der Umweltabteilung des Stromanbieters Iberdrola. Ihre Firma ist eine Ausnahme: Als erstes Großunternehmen führte der Energiekonzern eine durchgehende Schicht von 7 bis 15 Uhr ein. Auch in anderen Unternehmen gelten diese Arbeitszeiten, aber nur im Sommer.

Oviedo hat eine flexible und sogar noch etwas kürzere Arbeitszeit, weil sie drei kleine Kinder hat. "Alle meine Freundinnen beneiden mich", sagt sie. Und Iberdrola berichtet, die Unfallzahlen und Fehlzeiten seien zurückgegangen, Arbeitsmoral und Produktivität gestiegen.

Von Daniel Woolls, dapd/vet
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