Inspiration für Berufswahl Mit sieben Fragen zum Traumjob

Whatchado: Ali Mahlodji (r.) hat das Start-up zusammen mit seinem Kumpel Jubin Honarfar gegründet
Foto: Florian AuerHeinz Fischer weiß genau, warum er österreichischer Bundespräsident geworden ist: "Das Coolste an meinem Job ist, dass ich mir jeden Tag sagen kann: Was ich mach, ist eigentlich für das ganze Land wichtig." Mit mehr als 70.000 Klicks zählt das Video zu den beliebtesten auf der Internetplattform whatchado.com.
Whatchado ist amerikanischer Slang und eigentlich eine Frage: What do you do? Was machst du? Sie steht für die Idee eines Start-ups, das derzeit in Österreich gefeiert wird: Whatchado sammelt Lebensläufe in Videoform. Ob Bäckerlehrling, Rechtsanwalt, Nachhilfelehrer oder hochrangiger Politiker - jeder antwortet auf dieselben sieben Fragen nach Job und Werdegang. Mirela Pejic, die junge Straßenbahnfahrerin, erscheint auf Augenhöhe mit Heinz Fischer, dem Bundespräsidenten. Eine Art Handbuch der Lebensgeschichten.
Gründer und Geschäftsführer ist Ali Mahlodji. Er und seine 32 Mitarbeiter haben ein Büro im 4. Wiener Bezirk. Das Team wird stetig größer, denn mit Whatchado lässt sich mittlerweile Geld verdienen. Große Konzerne wie Microsoft, McDonald's, SAP und Nestlé zählen schon zu den Kunden. Sie präsentieren sich als Arbeitgeber - über die Lebensläufe der interviewten Mitarbeiter.
Imagefilme gebe es auf der Plattform prinzipiell nicht, sagt Mahlodji. Es gehe immer um den Menschen. Die Firmen zahlen pro Jahr einen bis zu vierstelligen Betrag für die Mitarbeitervideos. Etwa 25 deutsche Unternehmen sind schon dabei, wie die Deutsche Bahn, Aldi Süd, die Techniker Krankenkasse und die Stadt München. Mahlodjis Ziel: "Wir wollen in diesem Jahr nach Deutschland expandieren."
Was haben Microsoft oder Aldi mit einem Heilmasseur zu tun, der sich ebenfalls unter den mehr als 1500 Videos findet? Um das Konzept zu verstehen, muss man Ali Mahlodji ein wenig erzählen lassen. Der 32-Jährige, Flüchtlingskind iranischer Abstammung, sagt, dass alles in der Schule angefangen habe, mit der Frage des Lehrers, wo es beruflich mal hingehen solle: "Ich hatte keine Ahnung, mir fehlte die Übersicht." Schon damals, mit 14 Jahren, habe er sich ein Handbuch gewünscht, in dem jeder Erwachsene seinen Lebensweg beschreibt.
Die Schule schmiss Mahlodji kurz vor dem Abitur, er machte eine Maurerlehre, sattelte später auf IT-Management um. Mit 26 Jahren wusste er immer noch nicht, welcher Job für ihn der richtige ist. Mit Freunden, denen es ähnlich ging, griff er seine alte Schulidee auf und rief Whatchado ins Leben.
"Plötzlich hatten wir ein Businessmodell"
Zunächst war es ein Freizeitprojekt, das sich den Lebensgeschichten von Menschen widmete. Im Juli 2011 gingen die ersten 17 Videos online. "Wir wussten damals gar nicht, wie man damit Geld verdienen könnte", sagt Mahlodji. Dann gab es einen Beitrag in den ORF-Nachrichten. "Schon am nächsten Tag haben sich mehrere Firmen bei uns gemeldet, die mit ihren Mitarbeitern auch dabei sein wollten", sagt er. "Wir hatten plötzlich ein Businessmodell." Im vergangenen Jahr schrieb das Unternehmen eine schwarze Null, für das laufende Geschäftsjahr erwartet Mahlodji einen kleinen Gewinn.
Mahlodji sagt, er wolle vor allem jungen Leuten helfen, die berufliche Orientierung suchen. Die Lebensläufe anderer Menschen sollen ihnen Möglichkeiten aufzeigen. Dabei hilft auf der Plattform, die für die Nutzer kostenlos ist, eine Funktion, die sich Job-Dating nennt. Der Nutzer beantwortet Fragen nach seinen beruflichen Vorstellungen und bekommt Videos von Menschen angezeigt, die ähnlich ticken. Auch zukünftig, betont der Firmengründer, würden Leute interviewt, die dafür nicht bezahlen müssen - Gärtner, Taxifahrer oder NGO-Mitarbeiter. Prinzipiell kann jeder mitmachen. "Für jedes bezahlte Video erstellen wir ein unbezahltes. Das ist unser Kern."
Whatchado hat bereits viele Preise abgeräumt, 2013 etwa den UN World Summit Award und den Deutschen Preis für Onlinekommunikation. Die EU ernannte Ali Mahldodji zum Jugendbotschafter auf Lebenszeit. "Schon cool, als ehemaliger Schulabbrecher, oder?", sagt er. Und erst im Januar gab es eine kräftige Finanzspritze. Knapp eine Million Euro erhielt Whatchado von drei Privatinvestoren, darunter Brigitte Ederer, Ex-Vorstandsfrau bei Siemens.
Alles scheint glatt zu laufen für das Wiener Start-up. Alles? Vor kurzem wurde es doch für einen Moment holprig - nicht ganz unvorhergesehen. Auf der Internetplattform erschien ein Video mit Heinz-Christian Strache, dem Chef der rechtspopulistischen FPÖ. Es gab heftige Kritik, unter anderem auf der Whatchado-Facebook-Seite. Ali Mahlodji, der gebürtige Iraner, sah sich gezwungen, Stellung zu beziehen. Hätte Whatchado den FPÖ-Mann ausgeschlossen, schreibt er auf seinem Blog, "würden wir gegen unsere eigenen Prinzipien der Gleichbehandlung arbeiten".

KarriereSPIEGEL-Autor Sebastian Höhn (Jahrgang 1979) ist freier Journalist und Fotoreporter. Er lebt in Berlin.Homepage: Sebastian Höhn, Journalist und Fotograf