Harry, Meghan und die Firma Windsor "Und schon kracht's"

Bei der Bekanntgabe der Verlobung von Harry und Meghan im November 2017 herrschte im Hause Windsor noch gute Stimmung
Foto: Toby Melville/ REUTERSSPIEGEL: Herr Binz, warum wollen Harry und Meghan nicht mehr Vollzeit im Familienunternehmen mitarbeiten?
Mark Binz: Das ist ein ganz klassischer Konflikt: Der jüngste Bruder, der wohl nie an die Macht kommt - Harry ist aktuell an sechster Stelle der Thronfolge -, will nicht länger aufs Erbe warten, sondern verfolgt eine andere Lebensplanung. Dazu kommt seine Ehefrau: Angeheiratete Familienmitglieder können manchmal einen negativen Einfluss auf die Stabilität des Unternehmens ausüben. Und schon kracht’s.
SPIEGEL: Wie meinen Sie das?
Binz: Partner haben große Macht. Sie beobachten genau und hinterfragen vieles. Sie reden auf ihren Mann beziehungsweise ihre Frau ein: "Schau mal, dein Bruder macht viel mehr Urlaub als du. Was dein Vater alles über die Firma abrechnet, solltest du dir nicht gefallen lassen. Mach doch auch mal das Handy aus im Urlaub." Frauen sind da übrigens oft wirkungsmächtiger als Männer.
SPIEGEL: Frauen also als Grund allen Übels?
Binz: Oh nein, das sage ich nicht aus Chauvinismus, sondern aus Respekt. Frauen sind empathischer und verstehen sofort die Zusammenhänge. Männer - in diesem Fall Schwiegersöhne - stehen oft viel länger auf der Leitung. Ein Beispiel in meiner Praxis betraf einen Lebensmittelproduzenten. Die zwei Brüder hatten beide neu geheiratet. Die Ehefrauen heizten den Wettbewerb zwischen den Brüdern an und beschworen so einen Konflikt zwischen den Gesellschaftern herauf bis es zum Bruch kam.
SPIEGEL: Neue Mitglieder tun sich vielleicht auch einfach schwer mit dieser sehr besonderen Work-Life-Balance im Familienunternehmen.
Binz: Generell kann man zwei Arten von Kulturen in Familienunternehmen unterscheiden. Für die einen gilt: Family first, für die anderen: Firma first. Ich habe in den vergangenen 40 Jahren so viele große Familienunternehmen erlebt, die zwar heute noch existieren, aber bei denen der Weg gepflastert ist mit Ehebrüchen, Selbstmorden, zerrütteten Verhältnissen, Magengeschwüren und Herzinfarkten. Ich frage dann immer, ob es das wert ist? Mein Freund Götz Werner, der Gründer der dm-Drogeriemärkte, sagt zu Recht: Gewinn ist kein Ziel, sondern das Resultat, das sich von selbst einstellt, wenn man alles richtig gemacht hat und insbesondere die Interessen der Kunden und der Mitarbeiter gut bedenkt.
SPIEGEL: Was gilt für die Queen – Firma first?
Binz: Ja. Sie hat sehr wohl erkannt, dass sie auch Chefin eines bedeutenden Wirtschaftsimperiums ist. Doch die Königin weiß, wenn sie jetzt autoritär reagiert und Harry zur Räson gebracht hätte, wäre es zur Spaltung der Familie gekommen. Sie hat jedoch die Zeichen der Zeit erkannt und Harry seine Freiheit gegeben.
SPIEGEL: Kann man als Teilhaber eines Familienunternehmens denn so einfach kündigen?
Binz: Das kommt auf die Gesellschaftsform an. Bei Personengesellschaften geht das. Die Kündigungsfristen sind aber oft sehr lang, zum Teil bis zu 30 Jahren. Hinzu kommt, dass die Abfindung meist in mehreren Jahresraten ausbezahlt wird.
SPIEGEL: Und bei Kapitalgesellschaften?
Binz: Bei GmbHs und Familien-AGs ist eine Kündigung im Gesetz nicht vorgesehen. Sie müssen also einen Käufer finden. Nach den Satzungen kommt in der Regel als Käufer nur ein Mitgesellschafter infrage, also ein anderes Familienmitglied. Und dann ist die Frage: Wie viel ist ein anderes Familienmitglied bereit zu zahlen? Vermutlich deutlich weniger als den Marktpreis.
SPIEGEL: Aber es muss doch eine Lösung geben, wenn jemand partout nicht mehr dabei sein will.
Binz: Juristisch kann man immer dann auf Auslösung einer Personen-Gesellschaft klagen, wenn man beweisen kann, dass das Verhältnis der Gesellschafter so nachhaltig zerrüttet ist, dass man sich nur gegenseitig blockiert und das Unternehmen gefährdet. In diesem Fall hat der Liquidator die Aufgabe, das Unternehmen im Rahmen einer Auktion, bei der jeder Gesellschafter mitbieten kann, bestmöglich zu verwerten. Das erinnert an den Streit in der Fleischerei-Dynastie Tönnies, den ich ja viele Jahre lang betreut habe. Hier geht es aktuell genau um diese Streitfrage. Sofern der Neffe Robert beweisen kann, dass eine Zerrüttung besteht, kann er den Verkauf des Familienunternehmens auch gegen den Willen seines Onkels erzwingen.
SPIEGEL: Sie schüren also bewusst Streit?
Binz: Das ist eine Frage der Perspektive. Gesellschafter in Familienkonflikten sind mal Opfer, mal Täter.
SPIEGEL: Ihren Ausstieg haben Harry und Meghan ja ohne Rücksprache mit der Familie öffentlich verkündet. Ist das Teil einer Provokations-Strategie?
Binz: Durch eine öffentliche Ankündigung erhöht man intern den Druck, seinen Willen durchzusetzen. Damit schaffen sie Fakten und müssen nicht lange mit der Familie diskutieren. Wir wissen nicht, was im britischen Königshaus hinter den Kulissen vor sich ging. Aber ich habe nach all den Jahren mit Familienunternehmen eine gewisse Ahnung, wie das dramaturgisch gelaufen sein könnte. Ohne ein öffentliches Statement wäre Harry vermutlich zur Queen gegangen und hätte mit Tränen in den Augen zu hören bekommen: "Aber das kannst du mir nicht antun, denk doch mal an deine Familie." Dann wäre Harry nach Hause gefahren und hätte zu seiner Frau gesagt: "Die Oma ist doch schon 93, ich habe es nicht übers Herz gebracht, lass uns noch mal warten." Sie haben natürlich enorme Emotionen im Spiel, wenn der Chef ein enger Verwandter ist. Meghan wusste das, und deshalb haben die beiden ihre Kündigung sozusagen öffentlich eingereicht.
SPIEGEL: Das Fatale ist ja - man kündigt der eigenen Familie. Können getrennte Familienunternehmer irgendwann wieder gemeinsam Weihnachten feiern?
Binz: Das kommt auf den Grad der Verletzungen an. Wenn die Gräben zu tief sind: Nein. Bei vielen anderen: Ja, denn oft fällt dann der Firmen-Ballast weg und man kann einfach wieder nur Familie sein. Bei den Royals bin ich da zuversichtlich. Blut ist bekanntlich dicker als Wasser.