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Krank durch Arbeit Mehrheit der Deutschen klagt über Stress im Job

Noch Arbeit, schon Freizeit - wer weiß das so genau? Die Grenzen verwischen, Stress im Beruf ist für die meisten Deutschen die Regel. Laut einer Gewerkschaftsstudie müssen zwei Drittel der Arbeitnehmer regelmäßig Überstunden schieben, die Folgen sind fatal.
Szenenfoto aus Charlie Chaplins "Modern Times": Arbeitnehmer müssen ständig rotieren

Szenenfoto aus Charlie Chaplins "Modern Times": Arbeitnehmer müssen ständig rotieren

Foto: dpa Picture-Alliance // picture-alliance /

Jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland macht wegen wachsender Arbeitsbelastung mindestens zehn Überstunden in der Woche. 52 Prozent der Beschäftigten fühlen sich dabei erheblich gestresst und gehetzt - und zwar umso mehr, je länger sie arbeiten. Das sind zentrale Ergebnisse der jährlichen Umfrage "Gute Arbeit" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Befragt wurden diesmal 6083 Beschäftigte aus mehr als einem Dutzend Branchen.

Aus den Antworten lässt sich ablesen, dass die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmt: Gut ein Viertel (27 Prozent) der Beschäftigten muss nach eigenen Angaben sehr häufig oder oft auch in der Freizeit für die Firma erreichbar sein. Fast jeder Siebte (15 Prozent) arbeitet sehr häufig oder oft unbezahlt in der Freizeit. 49 Prozent der Befragten geben an, dass sie 2011 mindestens zweimal zur Arbeit gegangen sind, obwohl sie sich "richtig krank" gefühlt haben.

Für DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach zeigt die Umfrage: "Der Arbeitsplatz gilt als Stressfaktor Nummer eins." 72 Prozent der Beschäftigten, die mehr als zehn Überstunden pro Woche machten, fühlten sich gehetzt. "Die psychischen Belastungen durch Arbeit sind so hoch, dass die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten gefährdet sind." Sie sieht die Arbeitgeber am Zug: Notwendig seien "Arbeitsbedingungen, die weniger Stress produzieren", kein Konditionstraining zur besseren Stressbewältigung.

Zwei Drittel der Mitarbeiter arbeiten länger

Insgesamt arbeiten laut Umfrage zwei Drittel der Mitarbeiter länger, als es vertraglich vereinbart wurde. Jeweils ein Viertel aller Beschäftigten leistet bis zu fünf Überstunden in der Woche oder fünf bis neun Überstunden, elf Prozent 10 bis 14 Stunden und neun Prozent 15 und mehr Überstunden. Nur drei Prozent arbeiten weniger als im Arbeitsvertrag festgeschrieben. Nur eine Minderheit leistet das vereinbarte Pensum.

Buntenbach wies darauf hin, dass die Fehlzeiten der Arbeitnehmer in den Betrieben aufgrund psychischer Leiden seit 1984 um 80 Prozent zugenommen haben - und damit "explodiert" seien. Stress am Arbeitsplatz sei inzwischen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel.

IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban sagte dazu: "Das Gefühl, gehetzt zu sein, ist ein Faktum, das genauso hart ist und genauso ernst zu nehmen ist wie das Resultat einer Blutdruckmessung oder Gefahrstoff-Analyse." IG-BCE-Vorstandsmitglied Edeltraud Glänzer forderte, die "Rekordhatz für die Beschäftigten" per Tarifvertrag zu stoppen.

Forderung nach Anti-Stress-Verordnung

Urban warb erneut für eine Anti-Stress-Verordnung - mit klaren Vorschriften für erlaubte Belastungen im Job. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe sich für mehr psychosoziale Prävention in der Arbeitswelt zwar offen gezeigt, es gebe aber noch "strategische Differenzen" über den Weg dorthin.

Trotz Stress hängen offenbar viele Beschäftigte an ihrem Job: Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK stimmt ein Großteil der Arbeitnehmer (85 Prozent) der Aussage "Meine Arbeit macht mir Freude" zu. Damit hat sich der Wert in den vergangenen Jahren erhöht: 2008 lag er noch bei 79 Prozent.

Die Mehrheit (61 Prozent) würde sich auch wieder für den gleichen Beruf entscheiden, wenn sie noch einmal ganz von vorne anfangen könnte - 2008 sagten das noch etwas weniger Befragte (58 Prozent). Für die Umfrage im Auftrag der "Apotheken Umschau" wurden 1040 Erwerbstätige befragt.

Günther Voss, dpa/mamk
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