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Privatgeräte im Büro: Ein Bürgermeister bittet zur Kasse

Foto: Michael Probst/ AP

Privatgeräte im Büro Die Kühlschrankpauschale aus der Provinz

Der Bürgermeister einer Kleinstadt im Sauerland hat den Groll seiner Belegschaft auf sich gezogen: Sie müssen für den Strom zahlen, den ihre Privatgeräte im Büro verbrauchen. Die Klage eines Mitarbeiters blieb erfolglos - denn der Bürgermeister hat gute Argumente.

Das Büro von Ingo Müller hat Premiumlage. Es liegt im Rathaus der Stadt Werdohl, 18.000 Einwohner, mitten im Sauerland. Vor den Fenstern des schmucken Altbaus fließt die Lenne, drinnen kümmert sich Müller um Grundbesitzabgaben. Er ist Verwaltungsangestellter beim Ordnungsamt und mag sein Einzelbüro. Nur die Kaffeeküche ist ihm zu weit weg.

"Wenn ich mir von da unten etwas hole, höre ich mein Telefon nicht", sagt Müller. Er arbeitet im Erdgeschoss, die Küche liegt im Keller. Zum Glück gibt es auf seiner Etage einen Kühlschrank. Schon sein Vorgänger hatte ihn in einem Aktenraum aufgestellt, vor ein paar Jahren kaufte Müller zusammen mit sechs Kollegen ein neues Gerät. Obendrauf stellten sie Kaffeemaschine und Wasserkocher. Seither nutzen sie die provisorische Kaffeeküche zusammen, niemand störte sich daran. Bis im vergangenen Jahr ein Brief des Bürgermeisters die Runde machte.

Die Mitarbeiter der Stadt sollten eine Pauschale für den Strom zahlen, den ihre privaten Geräte verbrauchen, hieß es darin. Wer nicht zahlt, müsse seine Geräte entfernen. Seitdem werden Müller pro Monat vier Euro vom Gehalt abgezogen, so viel kostet die Kühlschrankpauschale. Der Strom für Wasserkocher und Kaffeemaschine wird extra berechnet, dafür sind noch mal vier Euro fällig. Müller, Mitglied im Personalrat und bei Ver.di, wollte das nicht hinnehmen. Mit Rückendeckung der Gewerkschaft verklagte er seinen Arbeitgeber auf Zahlung von 24 Euro, der Kühlschrankpauschale von sechs Monaten. Vergangenen Freitag wies das Arbeitsgerichts Iserlohn seine Klage ab (Az. 2 Ca 443/14).

"Irgendwann ist es auch mal gut"

Der 41-Jährige ist von dem Urteil enttäuscht. "Die Pauschale ist pingelig und peinlich." Die Stromabgabe sei eine Gemeinheit, genauso wie die vielen anderen Sparmaßnahmen, die im vergangenen Jahr in Werdohl eingeführt wurden. "Die Steuern wurden erhöht, Stellen nicht neu besetzt und Fortbildungsmittel gekürzt", erzählt er. Die Strompauschale sei der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. "Irgendwann ist es auch mal gut. Man muss ja nicht alles hinnehmen."

Michael Grabs kennt diese Reaktion. Der stellvertretende Bürgermeister von Werdohl brachte das Sparpaket inklusive Strompauschale mit auf den Weg. Anfangs war die Stimmung in der Belegschaft deshalb schlecht. "Aber es ging nicht anders, die Stadt ist hoch verschuldet." Allein die Kassenkredite der Kleinstadt betrügen 40 Millionen Euro, hinzu kämen 20 Millionen Euro an Investitionskrediten. Daher kam Werdohl der "Stärkungspakt Stadtfinanzen" gerade recht: Kommunen, die einen klaren Sparkurs einschlagen, bekommen Finanzhilfen aus der nordrhein-westfälischen Landeskasse. "Wir haben die Bürger und unsere Mitarbeiter gebeten, Ideen einzureichen, wie wir sparen können."

Eine davon war die Strompauschale. "Der Vorschlag kam aus unserem Haus", sagt Grabs. Ursprünglich sah er allerdings etwas anders aus: Sportvereine, die am Wochenende in der öffentlichen Turnhalle gekühlte Getränke zum Verkauf anbieten, sollten einen Teil ihres Gewinns an die Stadt weitergeben. "Die Getränke lagern sie in Kühlschränken, die zum Teil die ganze Woche laufen. Von dem Verkaufsgewinn wollten wir einen Teil abhaben, um den Strom zu zahlen." Dann habe man sich gefragt, warum das nicht in allen städtischen Einrichtungen mit allen Geräten so gemacht wird. "Wir wollten den Bürgern das Signal geben, dass alle bei den Einsparungen mitmachen."

Auch eine Handy-Pauschale war in Planung

Wie hoch die Pauschale sein sollte, wurde durch Messungen in den öffentlichen Einrichtungen ermittelt. 4500 Euro will die Stadt so jährlich einsparen. "Insgesamt haben wir momentan 60 Strompauschalen, davon zwölf für Kühlschränke und 48 Gerätepakete. Den Rest sparen wir über den Strom ein, der jetzt nicht mehr verbraucht wird." Nicht wenige Kollegen hätten es sich angesichts der Kosten überlegt und ihre Geräte abgebaut.

"Schön ist das für uns alle nicht - aber immer noch besser, als die Nutzung der Geräte ganz zu verbieten", sagt Grabs. Denn auch darüber habe man in der Stadtverwaltung anfangs nachgedacht. "Rein rechtlich wäre sie damit auf der sicheren Seite", sagt Arbeitsrechtler Martin Krömer. "Mitarbeiter dürfen die Betriebsmittel des Arbeitgebers nicht gegen dessen Willen nutzen. Dazu gehört auch Strom." Für den Verbrauch privater Geräte Geld zu verlangen, sei deshalb grundsätzlich erlaubt.

Beinahe hätten städtische Mitarbeiter in Werdohl auch zahlen müssen, wenn sie im Büro ihr Privat-Handy aufladen wollen. Vier Euro im Monat wollte die Verwaltung dafür veranschlagen. "Das haben wir aber wieder gekippt, nachdem wir rausbekommen haben, dass das nur ein paar Cent kostet", sagt Grabs. "Die Lokalpresse hat vorgerechnet, dass das viel zu viel war", spöttelt Ingo Müller.

Er will das Urteil akzeptieren. Etwas anderes bleibt ihm auch nicht übrig, der Streitwert von 24 Euro ist zu gering, um eine höhere Instanz anzurufen. Die Geräte stehen nach wie vor im Aktenraum, Müller teilt sich die Stromkosten mit seinen Kollegen. Auch für die Kaffeemaschine, die in den letzten Tagen besonders viel zu tun hatte: "Ich hatte viele Journalisten da", sagt Müller. "Die hatten einen ganz schön hohen Kaffeeverbrauch."

Foto: Foto: H. Günther

Anja Tiedge (Jahrgang 1980) arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.

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