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Studie zur "Generation Praktikum" Glücklich ohne Geld und Karriere

Nur 290 Euro Verdienst pro Monat: So wenig Geld bekommen laut einer Studie deutsche Praktikanten im Schnitt. Dabei ist mehr als die Hälfte trotzdem mit ihrem Einblick in die Berufswelt zufrieden. Ist die "Generation Praktikum" am Ende eher eine "Generation Selbstausbeutung"?
Kopieren oder Kaffeekochen: Deutsche Praktikanten sind überwiegend zufrieden

Kopieren oder Kaffeekochen: Deutsche Praktikanten sind überwiegend zufrieden

Foto: DDP

Wenig oder gar kein Geld, kaum Karrierechancen - aber zufrieden: Zu diesem Ergebnis kommt der Praktikantenreport 2012, für den die Betreiber des Portals "meinpraktikum.de" die Einträge ihrer User aus dem Jahr 2011 ausgewertet haben. Dabei entpuppt sich die einst so zornige "Generation Praktikum" als recht zahm. Insgesamt sind 65,8 Prozent aller Praktikanten zufrieden mit ihren Einblicken in die Berufswelt. Und das trotz einer durchschnittlichen Vergütung von nur 290 Euro pro Monat.

Eine Studie der Personalberatung alma mater hat deutlich höhere Zahlen errechnet. Auf 605 Euro Bruttolohn pro Monat kommen die Personaler. Dafür wurden allerdings nur akademische Nachwuchskräfte befragt, die aufgrund ihrer Qualifikation schon eine höhere Entlohnung erwarten können. Der Praktikantenreport 2012 widmet sich dagegen allen abgegebenen Bewertungen, darunter auch Praxiserfahrungen in vielen Ausbildungsberufen oder Schülerpraktika. Beide Studien kommen aber zu dem Ergebnis, dass auch trotz aller Debatten um die Ausbeutung von Praktikanten noch immer viele Unternehmen keine Entlohnung anbieten.

Der Praktikantenreport 2012 registriert sogar 40 Prozent unbezahlte Praktika in Deutschland. Dabei wurden zuerst die Branchen Gesundheit, Öffentlicher Dienst und Bildung genannt. Hier sind jeweils 80 Prozent der Praktikanten unbezahlt. In Unternehmensberatungen, der Konsumgüterindustrie und im Bereich Internet/Multimedia sind es dagegen nur zehn Prozent. In diesen gut bezahlten Bereichen - die Spitzenverdiener kommen auf über tausend Euro im Monat - waren die Praktikanten insgesamt glücklicher mit ihren Einblicken in das Berufsleben. Die Gründe für diese Zufriedenheit sehen die Praktikanten vor allem in den spannenden Aufgaben und der hohen Verantwortung, die ihnen übertragen wird.

Skeptischer Blick in die Zukunft

Für die Studie hatten die Praktikanten 5547 Wertungen über 3840 Unternehmen in 1330 Städten abgegeben. Im Schnitt dauerte ein Praktikum bei rund 7,75 Stunden Arbeit pro Tag zehn Wochen. Dabei blicken viele skeptisch in die Zukunft. 58,2 Prozent stufen ihre Karrierechancen als schlecht ein.

Zufrieden mit ihren Erfahrungen sind vor allem Praktikanten in den Branchen Konsumgüterindustrie, Versicherungen, Telekommunikation und Internet/Multimedia (84 Prozent). In der Gastronomie und der Metallverarbeitung sind über 50 Prozent der Bewerter dagegen unglücklich.

Außerdem verzeichnet die Portalbetreiber einen deutlichen Unterschied zwischen Hochschulpraktika und sonstigen Praxiserfahrungen wie Vorstudienpraktika oder einem verpflichtenden Schülerpraktikum. Je qualifizierter die Teilnehmer, desto zufriedener sind sie - nur 27 Prozent der Studenten sind von ihrem Praktikum enttäuscht. Bei den Schülerpraktikanten beträgt diese Quote 45 Prozent.

"Generation Praktikum" nur konstruiert?

Damit kratzt die Studie an der These von der ausgebeuteten, aber gut ausgebildeten "Generation Praktikum" oder auch der "Generation Prekär". Unter diesen Begriffen ist in den letzten Jahren ein Streit um die Behandlung von Praktikanten in deutschen Unternehmen entbrannt. Den Arbeitgebern wurde von Fachleuten wie dem Jurist Michael Stelzel oder der Soziologin Tatjana Fuchs vorgeworfen, gut qualifizierte Praktikanten als billige Arbeitskräfte auszunutzen.

Einige Experten wie der Sozialforscher Harald Schomburg oder seine Kollegen Kolja Briedis und Karl-Heinz Minks halten die "Generation Praktikum" aber vor allem für ein von den Medien konstruiertes Gebilde. Das Phänomen des von einem zum nächsten wandernden Praktikanten mit Hochschulabschluss sei höchstens in einigen wenigen Branchen anzutreffen. Schomburg schlug deshalb den Begriff "Generation Vielfalt" vor. Studien wie die des DGB und der Hans-Böckler-Stiftung konnten das Phänomen ebenfalls nicht bestätigen.

Nach zwei Petitionen mit insgesamt über 100.000 Unterschriften wollte der damalige SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz zum Schutz der Praktikanten 2008 ein Gesetz zu Arbeitsverträgen und Entlohnung einführen. Die politischen Einigung scheiterte aber in der Großen Koalition mit CDU-Bildungsministerin Annette Schavan.

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