25 Prozent Unterschied "Tariforientierte" Firmen reden die Bezahlung schön

"Tariforientiert" - das klingt auf den ersten Blick nach einer fairen Sache für die Arbeitnehmer: Ein Betrieb ist zwar nicht an den Tarifvertrag gebunden. Aber bei den Löhnen orientiert er sich daran, was tariflich gezahlt wird.
Nur: Meist orientiert er sich stark nach unten. Im Schnitt liegt die Bezahlung in "tariforientierten" Firmen um 24,6 Prozent unter dem Tariflohn. Das hat das Institut für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim ermittelt. Die Studie liegt SPIEGEL ONLINE vor, hier finden Sie die Pressemitteilung der Universität.
Die Arbeitgeber neigen dabei zur Schönfärberei. Laut der Studie geben 77 Prozent der tariforientierten Firmen an, die Bezahlung sei mit dem Tarif vergleichbar. "19 Prozent geben sogar an, besser als Tarif zu bezahlen", erklärt Stefan Berwing, der die Studie durchgeführt hat. Umso erstaunlicher findet er den durchschnittlichen Unterschied von rund 25 Prozent.
Aufschlussreich ist folgender Vergleich: Sogenannte tarifferne Betriebe sind ebenfalls nicht an den Tarifvertrag gebunden - und sie geben erst gar nicht an, sich an diesen Vereinbarungen zu orientieren. Hier liegt der Bezahlungsunterschied bei 28,4 Prozent - also nur 3,8 Prozentpunkte schlechter.
Indirekte Wirkung der Tarifverträge schwindet
Für die Studie hat Berwing Daten des IAB-Betriebspanels ausgewertet. Das ist eine jährliche repräsentative Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unter 16.000 Betrieben aller Wirtschaftszweige und Größen. Sie wird seit 1996 in allen west- und ostdeutschen Bundesländern durchgeführt.
Die Ergebnisse findet Berwing problematisch: "Das Ausmaß der Tariferosion ist wesentlich stärker als bisher vermutet", sagt er. Bisher habe man angenommen, dass Beschäftigte in tariforientierten Betrieben zumindest indirekt von Flächentarifen profitierten. "Dies ist jedoch definitiv nicht der Fall."
Seit Jahren nimmt die Zahl der Arbeitsplätze, die direkt an einen Tarifvertrag gebunden sind, ab. Für Arbeitnehmer wird es dadurch immer schwerer, Lohnsteigerungen durchzusetzen.
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