Ausgewandert nach Tasmanien »Unter meinem Büro wohnt ein Wombat«

Dies ist nicht der Wombat, der unter dem Büro von Frank Garbe wohnt (der ist eher kamerascheu), aber er sieht genauso aus wie dieser Wombat, der auf Maria Island in Tasmanien lebt. Fotos von Frank Garbe finden Sie unten in der Bildergalerie.
Foto: Viktor Posov / Getty Images»Es gibt nicht viele Länder, in denen man eineinhalb Jahre lang zelten kann. Kanada finde ich zum Beispiel ein großartiges Reiseziel, aber dort ist spätestens nach sechs Monaten Schluss mit dem Leben im Zelt. Es wird einfach zu kalt. In Australien kann man dem warmen Wetter hinterher reisen. Das haben wir gemacht.
12.000 australische Dollar, also etwa 7500 Euro, investierten meine Frau Monika und ich vor 15 Jahren in einen gebrauchten Landcruiser, um unsere Reise quer über den Kontinent starteten. Wir wollten ihn nach dem Trip wieder verkaufen. Heute fahre ich ihn noch immer. Auch nach mehr als 500.000 Kilometer läuft der Motor noch einwandfrei.
Wir leben auf Tasmanien, einer Insel knapp 500 Kilometer südlich von Melbourne. Denn nachdem wir uns das ganze Land angeschaut hatten, stand für uns fest: Wir wollen in Australien bleiben.

Leben am anderen Ende der Welt
Dass das problemlos möglich war, haben wir meiner Frau zu verdanken: Sie hatte sich 2004, nach einem sechswöchigen Urlaub in Australien, für eine permanente Aufenthaltsgenehmigung beworben. Ich hatte ihr Engagement damals gar nicht ernst genommen. Aber sie kniete sich richtig rein, füllte seitenweise Formulare aus und büffelte für den IELTS-Sprachtest.
Wir sind beide ausgebildete Sozialpädagogen – ein Beruf, der in Australien sehr viel mehr geschätzt wird als in Deutschland. Und so kam zwei Jahre später tatsächlich die Zusage für die australische Aufenthaltsgenehmigung. Dass wir dann auch wirklich auswandern würden, stand für uns zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht fest. Wir sahen in dem Visum vor allem erst mal die Chance für eine längere Reise. Unsere Arbeitgeber erlaubten uns, jeweils ein Jahr unbezahlten Urlaub zu nehmen – den wir dann noch mal um sechs Monate verlängerten, weil es uns in Australien so gut gefiel.
Dann finden Sie hier noch mehr! Für das Buch »Mittagspause auf dem Mekong« haben die SPIEGEL-Redakteurinnen Kristin Haug und Verena Töpper mit 35 deutschen Auswanderern in 28 Ländern auf sechs Kontinenten gesprochen. Der Jüngste ist 27, die Älteste 77 Jahre alt. Einige sind verheiratet, manche geschieden, viele haben Kinder, aber alle haben eines gemeinsam: Sie haben sich nicht beirren lassen von anderen und sind ihren eigenen Weg gegangen.
Zwei Wohnorte kamen für uns infrage: die Gegend südlich von Perth und Tasmanien. Dort schauten wir nach freien Stellen – und fanden beide unsere Traumjobs auf Tasmanien. Meine Frau in der Alkohol- und Drogenbekämpfung und ich als Ranger im Cradle Mountain Lake St. Clair Nationalpark.
Die Landschaft hier ist atemberaubend. Der Nationalpark ist Teil des Unesco-Weltnaturerbes Tasmanische Wildnis, es gibt noch ursprünglichen Regenwald, aber auch Moore, Heideflächen und hohe Berge. Der 65 Kilometer lange Overland-Track ist bei Fernwanderern so beliebt, dass man im Sommer vorab Tickets mit festen Startzeiten kaufen muss. Tatsächlich waren die sogar jetzt, zu Pandemiezeiten, schnell ausverkauft.
Tasmanien ist seit mehr als einem Jahr für ausländische Touristen abgeriegelt, aber nun haben die Tasmanier die Liebe zur eigenen Insel entdeckt. Die einheimischen Outdoorgeschäfte boomen, und im Nationalpark verzeichnen wir kaum weniger Besucher als in anderen Jahren. Nur im April war im Lockdown für sechs Wochen auch der Park geschlossen. Diese Zeit haben wir Ranger für die Instandhaltung der Wanderwege genutzt und neue Brücken gebaut. Allein im Park arbeiten zu können, mitten in der Natur, ohne den ganzen Trubel – das war herrlich.
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25.03.2023 05.58 Uhr
Keine Gewähr
Der Nationalpark ist rund 1600 Quadratkilometer groß, ich arbeite im südlichen Teil am Lake St. Clair. Deshalb bin ich auch oft mit dem Boot unterwegs. Bei der Ausbildung zum Ranger habe ich nicht nur den Bootsführerschein gemacht, sondern auch gelernt, wie man mit der Kettensäge umgeht oder sich aus einem Helikopter abseilt.
Als Mitarbeiter des Wildlife Service bin ich automatisch auch Teammitglied der Feuerwehreinheit, die bei Waldbränden zum Einsatz kommt. Einmal im Jahr gibt es deshalb einen Gesundheitscheck, bei dem wir unter anderem in unter 45 Minuten mit einem 21 Kilogramm schweren Rucksack 4,8 Kilometer weit laufen müssen. Vor zwei Jahren tobten auch auf Tasmanien schwere Waldbrände, da war ich an der Front im Einsatz. Die Arbeit war sehr gut organisiert, jeder wusste genau, was zu tun war. Die gute Vorbereitung hat sich da ausgezahlt.
Ich habe auch eine Weiterbildung für die Rettung gestrandeter Wale gemacht. Da übt man dann mit riesengroßen Attrappen. Auch dieses Wissen musste ich schon in der Praxis anwenden: Im September 2020 strandeten rund 400 Wale an Tasmaniens Westküste. Etwa 100 konnten wir wieder ins Meer helfen, indem wir die Tiere auf Planen gezogen und dann an Booten befestigt haben.
Einen Großteil meiner Arbeitszeit verbringe ich mittlerweile aber auch am Schreibtisch, plane Projekte, schreibe Förderanträge oder verhöre Besucher, die gegen die Parkordnung verstoßen haben. Eine Drohne steigen zu lassen, ist hier zum Beispiel streng verboten: Es irritiert die Adler. Trotzdem erwischen wir immer wieder Leute mit Drohnen, erst letzte Woche wieder. Der junge Mann war im Gespräch ganz einsichtig, er muss jetzt 700 australische Dollar Strafe zahlen.
In solchen Situationen hilft mir meine Ausbildung zum Sozialpädagogen. Ich weiß, wie man Streit schlichtet oder aggressive Menschen beruhigt. Das war sicherlich auch ein Pluspunkt bei meiner Bewerbung 2008.
Drei Monate bezahlte Auszeit nach zehn Jahren im Staatsdienst
Auf die Stelle als Ranger hatten sich damals 70 Menschen beworben. Mittlerweile ist der Wettbewerb noch sehr viel härter geworden – die Jobs im Nationalpark werden immer beliebter. Meine Ausgangsposition war damals sehr gut, weil ich zuvor schon im Park gearbeitet hatte.
Dabei begann meine Karriere hier mit einer Absage: Ich hatte mich 2006 als Overland-Track-Ranger beworben, ein zeitlich befristeter Job, bei dem man unter anderem die Hütten entlang des Wanderwegs kontrolliert.
Tatsächlich war ich zu spät mit der Bewerbung und hatte auch nicht alle Formalien eingehalten. Das Gespräch mit der zuständigen Ansprechpartnerin war aber sehr nett und sie empfahl mir einen Job im Besucherzentrum. Der war ideal, um mein Englisch weiter zu verbessern; ich musste ja jeden Tag mit Besuchern reden. Und dann habe ich mich raufgearbeitet, erst zum Field Officer, der vor allem draußen arbeitet und Wanderwege befestigt, bis jetzt zum Ranger. Unter meinem Büro wohnt ein Wombat, ich freue mich immer, wenn ich ihn höre.
Meine Frau arbeitet für das Gesundheitsministerium, wir sind also beide beim Staat angestellt. Das bringt viele Vorteile mit sich, unter anderem eine dreimonatige bezahlte Auszeit nach zehn Jahren im Dienst. Die können wir nun beide in Anspruch nehmen, wollen damit aber noch warten, bis internationale Flugreisen wieder möglich sind. Zwei der drei Monate würden wir gern in Deutschland verbringen, und ich hoffe, wir können das mit der nächsten Spargelsaison verbinden. Weißer Spargel gehört zu den wenigen Dingen, die ich hier wirklich vermisse.

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Ich glaube, alle Auswanderer kennen eine Phase der Euphorie, aber auch eine Phase der Trauer, in der man sich überlegt, was man alles zurückgelassen hat und wie das Leben in der Heimat nun wäre. Wir haben beide Phasen hinter uns und haben uns irgendwo in der Mitte eingependelt. Unser Zuhause ist jetzt hier.
In Deutschland zu arbeiten könnte ich mir nicht mehr vorstellen, dafür sind die Lebensbedingungen hier zu gut. Wir verdienen beide deutlich mehr als früher und haben auch nach Abzug der im Vergleich teureren Lebenshaltungskosten auf Tasmanien mehr Geld auf dem Konto.
Und es tut sich hier auch viel, vor allem Kulturveranstaltungen gibt es immer mehr. Mit meinem Filmclub gehe ich mittlerweile jede Woche ins Kino. Die Insel boomt, das merkt man auch an den Immobilienpreisen. Unser Haus mit großem Garten, das wir vor fünf Jahren gekauft haben, könnten wir uns heute gar nicht mehr leisten, es würde nun glatt das Doppelte kosten. Das Haus entspricht nicht ganz den deutschen Standards, weil es zum Beispiel nur einfach verglaste Fenster hat, aber frieren müssen wir trotzdem nicht. Wir haben Heizung und einen Holzofen. Der Winter auf Tasmanien ist sehr viel kürzer als in Deutschland und Schnee fällt eigentlich nur in den Bergen. Trotzdem finde ich es schön, alle vier Jahreszeiten zu haben.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir viel Glück hatten, wir haben genau den richtigen Zeitpunkt zum Auswandern erwischt. Und ich bin vor allem meiner Frau dankbar. Dank ihr konnte ich das australische Visum sehr einfach bekommen und habe mittlerweile sogar die doppelte Staatsbürgerschaft. Ohne ihre Initiative wäre ich wohl noch immer in Bruchsal.«