Neuer Film mit Devid Striesow "Schauspieler können von Beratern lernen"

Striesow und Schüttler im Film "Zeit der Kannibalen": Berater, die die Welt verändern wollen
Foto: DPA/ Farbfilm
Der Schauspieler Devid Striesow (Jahrgang 1973) ist dem TV-Publikum seit Anfang 2013 als saarländischer "Tatort"-Kommissar bekannt, im Kino war er unter anderem in "Yella" und "Drei" zu sehen. Striesow lernte an der Ernst-Busch-Schule und lebt in Berlin.


KarriereSPIEGEL: Unternehmensberater wissen alles besser, schmeißen Leute raus und streichen dafür auch noch horrende Gehälter ein. Stimmt's?
Striesow: Privat hatte ich noch nie mit dieser Branche zu tun. Aber natürlich dachte ich vor den Dreharbeiten an Leute, die zu Effizienz aufrufen und eigentlich meinen: Billigproduktion, Stellenabbau, Gewinnmaximierung. An dieser Sicht hat sich auch nach dem Film nichts geändert.
KarriereSPIEGEL: In "Zeit der Kannibalen" spielen Sie einen Unternehmensberater. Wie haben Sie sich vorbereitet?
Striesow: Ich habe mich mit der Branche beschäftigt, mit dem Umfeld, in dem diese Menschen arbeiten, mit ihren Zielen und Karrierevorstellungen. Wir haben uns auch eine Menge Dokumentarfilme angeschaut, unter anderem einen ganz tollen von Harun Farocki.
KarriereSPIEGEL: Hat sie etwas überrascht an der Haltung von Consultants?
Striesow: Oh ja. Sie haben eine ganz spezielle Sicht auf die Dinge. Sie wollen auf Gedeih und Verderb Partner in der Beratung werden. Sie müssen es bis Mitte 30 geschafft haben, sonst ist es aus - sie richten all ihr Streben darauf aus. Damit ist ihr Horizont ein ganz anderer als bei Schauspielern, es ist alles sehr rational.
KarriereSPIEGEL: Wäre das für Sie reizvoll?
Striesow: Ich finde grundsätzlich gut, wenn man sich ein Ziel aneignet. Im Film sagt meine Kollegin Katharina Schüttler: "Ich bin eigentlich Beraterin geworden, weil ich die Welt verändern wollte." Der Ansatz, das System von innen kippen zu wollen, gefällt mir. Man muss sich aber erst die Entscheidungsmacht erarbeiten, um die Dinge anders lenken zu können.
KarriereSPIEGEL: Consultants sind high potentials, die für die company Humankapital verwalten und masters of the universe werden wollen. Schon die Sprache klingt nach Machtfantasien und Zerstörung.
Striesow: Die Brutalität, die sich in dieser Sprache ausdrückt, gehört für die Branche zur Normalität. Damit haben wir in dem Film gespielt, um die Situationen zu überziehen, so kam der Humor des Films zustande - Kunst ist ja schließlich die Überhöhung der Realität. Formulierungen wie Humankapital sind extrem seltsam, da bleibt einem das Lachen im Hals stecken.
KarriereSPIEGEL: Manager schlüpfen in Rollen und wissen um die Bedeutung von Gesten. Was könnten sie von Schauspielern lernen?
Striesow: Ich glaube, eher können Schauspieler etwas von Beratern lernen. Denn sie beherrschen die Kunst, Selbstsicherheit auszustrahlen, auch wenn zu Hause die Hölle los ist. Sie trennen Privatleben und Beruf ganz konsequent. Schauen Sie sich die Rolle an, die ich im Film spiele: Wenn Berater Frank Öllers mit seiner Frau telefoniert, verkrampft er sofort; aber wenn er über Millionenbeträge und die Existenz anderer entscheidet, ist er ganz ruhig. Nimmt man eine entspannte Haltung ein, strahlt man nicht nur Souveränität aus, man bekommt sie auch. Jeder Beruf hat eben seinen sozialen Gestus.
KarriereSPIEGEL: Was meinen Sie damit?
Striesow: Das haben wir an der Schauspielschule gelernt. Ein Schreiner kommt nun einmal ganz anders in eine Kneipe als ein Consultant. Und wenn man gut ist, hat man diese Unterschiede beim Spielen im Körper.
KarriereSPIEGEL: Da hilft die globale Uniform: Als kleine Armee im Anzug marschieren Sie mit ihren Kollegen im Film die Hotelflure entlang.
Striesow: Ja, wir haben uns exakt an die Vorgaben der Branche gehalten! Ein weißes T-Shirt, darüber ein Hemd in gedeckten Farben, dazu eine ebenso unauffällige Krawatte mit doppeltem Windsor-Knoten. Es muss alles sehr gut sitzen, darf aber nicht nach Geld aussehen. Das war fürs Spielen ungemein nützlich: In solchen Klamotten läuft man anders als in einem Jogginganzug.
KarriereSPIEGEL: Sie haben im Film sogar einen Dreiteiler an - um Erster unter Gleichen zu sein?
Striesow: Nein, aber ich trage total gerne Dreiteiler. Und es war für meine Rolle prima: Mit einer Hand in der Hosentasche kann man da nassforsch sein, ohne die Contenance zu verlieren. Ich habe meinen Öllers so angelegt, dass er von außen fast phlegmatisch wirkt, weil er so in sich ruht. Mit dem Dreiteiler kann er ausrasten - und mit einer kleinen Geste sofort wieder lässig sein.
KarriereSPIEGEL: Der Film zeigt eine Welt mit Kunstsprache und Kostümen, es geht um Performances in einer künstlichen Realität: Wie ähnlich sind sich Berater und Schauspieler eigentlich?

"Zeit der Kannibalen"
Farbfilm Verleih, Länge: 93 Minuten
Buch: Stefan Weigl
Darsteller: Devid Striesow, Sebastian Blomberg, Katharina Schüttler
Striesow: Sie sind beide über weite Strecken ihres beruflichen Daseins allein. Sie verteidigen ihre Individualität und ihren Standpunkt - während sie im Team agieren. Und sie müssen sich in Hotels wohlfühlen. Nach außen muss es so aussehen, als ob die Arbeit super läuft, aber abends im Hotelzimmer ist man allein, die Familie weit weg.
KarriereSPIEGEL: Und weil der Film nur in Businesshotels spielt, waren Sie auch tagsüber nonstop im Hotel - was machen Sie denn, um ein Hotelzimmerleben erträglich zu machen?
Striesow: Zum Glück war ich auf einem Bauernhof in einem kleinen Tal untergebracht, das war eine hervorragende Abwechslung zum Dreh. Aber mir helfen mein Meditationskissen und die elektronische Ausrüstung samt Laptop, um runterzukommen. Ich nehme immer möglichst wenig mit, da gehe ich sehr effizient vor. Wie übrigens auch die Berater im Film: Mehr als zwei Anzüge haben die nicht im Koffer.
KarriereSPIEGEL: Ihre nächste Rolle ist das andere Extrem: Sie spielen den Aussteiger in der Verfilmung des Bestsellers "Ich bin dann mal weg". Brauchten Sie diesen Kontrast?
Striesow: Mal ehrlich, im Vergleich zu Öllers ist jede Rolle ein Kontrast, er bleibt einfach unsympathisch. Aber das Buch von Hape Kerkeling hat mich fasziniert: wie er darüber schreibt, in seiner Karriere ganz nach oben zu schießen und dann mit Tinnitus auf den Boden zu knallen. Letztlich kennen wir das ja alle: Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich fragt, wofür man all die Energie in den Job pumpt. Da hilft am Ende nur noch Yoga.

Das Interview führte KarriereSPIEGEL-Autorin Anne Haeming (Jahrgang 1978), freie Journalistin in Berlin.