Termindruck, Überstunden, Verdichtung Weniger Arbeitszeit, mehr Belastung

Stress am Arbeitsplatz: Auch Teilzeit schützt davor nicht – im Gegenteil
Foto: FG Trade / Getty ImagesTeilzeit kann mehr stressen als eine Vollzeitstelle: Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Regionalportals meinestadt.de, die dem SPIEGEL exklusiv vorliegt. Mehr als die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten (54 Prozent) schätzen den eigenen Gesundheitszustand als »sehr gut« oder »gut« ein. Bei den in Teilzeit Arbeitenden waren es nur 44,6 Prozent. Ein Fünftel der Teilzeitfachkräfte gab »weniger gut« oder »schlecht« an – rund fünf Prozent mehr als bei den Vollzeitbeschäftigten.
Arbeitsrecht, Coaching, aktuelle Nachrichten und menschliche Geschichten: So verpassen Sie keine Artikel aus dem Bereich Job & Karriere des SPIEGEL.
Laut einer Erhebung des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) vom Dezember 2022 weist Deutschland mit rund 28 Prozent Teilzeitbeschäftigung an der Gesamtbeschäftigung die viertgrößte Teilzeitquote in Europa auf – hinter den Niederlanden, der Schweiz und Österreich. Dabei klafft die Schere zwischen den Geschlechtern weit auseinander: Die Teilzeitquote bei Frauen liegt bei 47,5 Prozent, bei den Männern sind es nur 10,7 Prozent. Fast die Hälfte der weiblichen Angestellten arbeitet also in Teilzeit – aber nur ein Zehntel der männlichen.
Mütter sind belasteter als Väter
Nicht nur gesundheitlich fühlen sich die Teilzeitkräfte besonders belastet. Auch andere Faktoren machen ihnen zu schaffen, wie die Studie zeigt. Knapp ein Drittel der Teilzeitkräfte gab an, sich durch die Arbeitssituation »ziemlich belastet« zu fühlen, weitere knapp 7 Prozent sogar »sehr«. Der größte Faktor war die psychische Belastung, die mehr als der Hälfte zusetzte; gut 40 Prozent klagten über Termindruck und Zeitmangel, ein gutes Drittel über Mehrarbeit und Überstunden. Die Vermutung liegt nahe, dass der Druck auch durch familiäre Belastung steigt. Die Teilzeitquote von Müttern liegt laut Statistischem Bundesamt (Destatis) fast zehnmal so hoch wie die von Vätern. Mütter jüngerer Kinder arbeiten in Deutschland doppelt so häufig in Teilzeit wie im EU-Durchschnitt.
Für die repräsentative, branchenübergreifende Studie befragte das Marktforschungsinstitut Bilendi im September 2022 insgesamt 3000 Fachkräfte in Voll- und Teilzeit im Alter von 18 bis 65 Jahren. Knapp zwei Drittel der Teilzeitkräfte gaben an, dass sie die Auswirkungen des Fachkräftemangels spürten: Mehr als ein Viertel macht Überstunden, weil Kollegen fehlen. Knapp ein Drittel sagt, die Arbeit habe sich im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten verdichtet, es gebe mehr zu tun.
Flexible Gestaltung der Arbeitszeit bleibt ein Manko
Trotzdem hinken vor allem die Teilzeitkräfte den neuen Anforderungen hinterher. Gegenüber den vor der Coronapandemie erhobenen Zahlen hat es bei Vollzeitbeschäftigten einen Booster an Digitalkompetenz gegeben: Gut ein Fünftel schätzt sie als »sehr hoch« ein, während Teilzeitkräfte das nur zu knapp 13 Prozent tun. Sie fühlen sich auch bei der Weiterbildung benachteiligt: knapp 56 Prozent der Vollzeitler gaben an, regelmäßig betriebliche Weiterbildungen zu bekommen, aber nur 44 Prozent der Teilzeitkräfte. Wunsch und Wirklichkeit klaffen auch bei der Gestaltung der Arbeit auseinander, besonders bei den Aspekten »Selbstständigkeit des Arbeitens« und »Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung«, die sich viele wünschen, aber nicht im gewünschten Maß bekommen.