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Peta-Aktivistin: "Ich kann mit meinem Körper machen, was ich will"

Foto: Markus Huth

Von Beruf Tierschützerin Ich bin dann mal das Schnitzel

Kann man vom Tierschutz eigentlich leben? Und wie ist es, halbnackt oder als Pelztier verkleidet in Einkaufspassagen zu liegen? Eine Aktivistin berichtet aus ihrem Berufsalltag.

Anja Hägele kann sich noch gut an ihren ersten Einsatz erinnern. Sie lag halbnackt unter einer Plastikfolie in einer übergroßen Fleischschale, mitten auf einer belebten Straße in Jena. "Ich war so aufgeregt, ich wollte mit niemandem reden", sagt die 35-Jährige heute. "Dann kam das Fernsehen, und ich musste vor die Kamera." Das war 2006, damals war sie Praktikantin der Tierrechtsorganisation Peta. Nach zwölf Jahren und unzähligen Einsätzen als Fleisch, Pelztier oder halbnackter Blickfang ist Hägele inzwischen Petas Kampagnen-Chefin für den deutschsprachigen Raum.

Hägeles Arbeitsplatz ist die Zentrale in Stuttgart mit 80 festangestellten Mitarbeitern. Wer hier arbeitet, ernährt sich vegan und trägt weder Leder, Seide noch Wolle. "Arbeitsrechtlich darf man das niemanden vorschreiben, aber ich finde das okay", sagt Hägele.

Im Vergleich mit Umweltorganisationen wie Greenpeace, Nabu oder WWF gilt Peta als besonders radikal. Der gemeinnützige und spendenfinanzierte Verein kämpft gegen Massentierhaltung, Zoos, Tierversuche und fordert vegane Ernährung für alle Menschen - oft mit provokanten Aktionen. 2004 wurde eine Kampagne von deutschen und internationalen Gerichten verboten: Peta hatte Massentierhaltung mit Häftlingen in NS-Konzentrationslagern verglichen.

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Peta-Aktivistin: "Ich kann mit meinem Körper machen, was ich will"

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Zum Markenzeichen von Peta-Kampagnen gehört nackte Frauenhaut. Hägele sagt, dass sie sich gern zum Wohl der Tiere ausziehe. "Die Chance, dass in den Medien berichtet wird, ist dann höher. Unsere Gesellschaft funktioniert leider so", sagt sie. "Für mich ist das nicht sexistisch, schließlich kann ich mit meinem Körper machen, was ich will."

Doch manchmal geht es selbst ihr zu weit. Als sie bei einer Aktion zum Wassersparen in Amsterdam nackt hinter einem Duschvorhang stand, habe ein Pressefotograf seine Kamera unter den Vorhang geschoben. "Dem hab ich klargemacht, dass das nicht okay ist."

Der Großteil ihres Berufslebens spielt sich allerdings im Stuttgarter Büro ab. Täglich melden sich besorgte Bürger, vom Nachbarn, der sich über verwahrloste Haustiere beschwert, bis zum Whistleblower, der Missstände in einem Konzern anprangert. Wenn der Fall wichtig genug ist, springt die Kampagnen-Maschine an. Vor wenigen Wochen zum Beispiel, als bekannt wurde, dass ein Krankenhaus in Halle angehende Ärzte zu Trainingszwecken an lebenden Schweinen operieren ließ, die an dem Eingriff verenden.

30.000 Aktivisten in Deutschland, Österreich, Schweiz

Ein typischer Peta-Aktionsplan besteht aus drei Stufen:

  • Die Aktivisten fordern den Missetäter zunächst schriftlich auf, sein Handeln zu ändern und schlagen Alternativen vor. Dem Krankenhaus wurde etwa nahegelegt, Operationen an synthetischen Körpern oder menschlichen Leichnamen zu üben.
  • Reagiert der Angeschriebene nicht oder unbefriedigend, kommt Stufe zwei: eine Pressemitteilung. "Die meisten knicken an dieser Stelle ein", sagt Hägele. So auch die Geschäftsführung des Krankenhauses. Sie lud die Tierschützer ein und zeigte sich kompromissbereit.
  • Stufe drei blieb in diesem Fall aus: eine Aktion vor Ort und der Pranger im Netz.

Hägele kann sich auf ein Netzwerk von über 30.000 ehrenamtlichen Aktivisten im deutschsprachigen Raum stützen. Sie werden angeschrieben und mobilisiert - zum Unterschreiben einer Petition, zum Teilen von Beiträgen in sozialen Medien oder als lautstarke Demonstranten vor Ort. "Diese Menschen helfen aus Tierliebe, und wir nehmen jeden, vom Schüler bis zum Rentner", sagt Hägele.

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Das anonyme Jobprotokoll: So sieht der Alltag wirklich aus

Auch sie selbst hat sich schon als Kind für Umweltschutz interessiert. "Ich fragte mich, warum mein Hund so viel Liebe bekam, aber Schweine nicht." Nach dem Abitur studierte sie Politik- und Kulturwissenschaften mit dem Ziel, später für ein Umweltministerium oder eine grüne NGO zu arbeiten. Dann sah sie auf MTV ein Werbevideo von Peta - und bewarb sich für ein Praktikum.

Peta zahlt Einsteigern ein Jahresgehalt von 30.000 Euro bei 40 Wochenstunden. Hägele verdient als Führungskraft inzwischen 40.000 Euro, hat 27 Urlaubstage und eine flexible Arbeitszeit auf Vertrauensbasis. "Wir wollen Mitarbeiter angemessen entlohnen, sodass sie keinen Zweitjob brauchen und sich ganz dem Tierschutz widmen können", sagt sie. Und das heißt auch: bei miesem Wetter in Einkaufspassagen frieren und Unterstützer rekrutieren. In Deutschland, Europa oder sogar noch weiter weg.

"Ich bin mal in den USA verhaftet worden", sagt Hägele. Peta habe die Aktion bei den Behörden nicht korrekt angemeldet gehabt, sie landete in einer New Yorker Gefängniszelle mit nichts weiter an als einem gelben Bikini. Trotzdem sagt sie: "Ich empfinde es als Privileg, meine Leidenschaft als Beruf auszuüben." Diese Leidenschaft geht sogar so weit, dass Hägele ihren Besitz einmal Peta vererben will. "Mein Arbeitgeber steht in meinem Testament."

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