
Tipps vom Karrierecoach So besiegen Sie die Angst vor dem Vorstellungsgespräch


Simone, 35, fragt: »Ich suche einen neuen Arbeitgeber und habe auch schon einige Bewerbungen verschickt. Meine Unterlagen scheinen zu überzeugen, denn ich erhalte oft eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Doch nach dem ersten Gespräch geht es nie weiter. Ich habe inzwischen so eine Angst, dass ich in den Terminen sehr nervös bin und nicht richtig zeigen kann, was mich wirklich ausmacht. Was kann ich dagegen tun?«
Bernd Slaghuis ist Karrierecoach und hat seit 2011 in seinem Kölner Büro mehr als tausend Angestellte und Führungskräfte bei ihren nächsten Schritten im Beruf begleitet. Er betreibt den Karriere-Blog »Perspektivwechsel« und ist Autor des Buchs »Besser arbeiten«. Haben Sie eine Frage an den Coach? Dann schreiben Sie eine E-Mail an karriere.leserpost@spiegel.de – Stichwort Bernd Slaghuis
Liebe Simone,
auch wenn Sie mit Fachwissen und einigen Jahren Berufserfahrung im Lebenslauf punkten, entscheiden im Vorstellungsgespräch am Ende Ihre Haltung und Persönlichkeit. Schließlich sollten Ihre Gegenüber im Anschluss mit gutem Gefühl der Meinung sein, dass sie soeben die passende Person für die zu besetzende Position und eine sympathische neue Kollegin kennengelernt haben. Niemand wünscht sich die angsterfüllte Bittstellerin als neue Mitarbeiterin. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Perspektive und innere Haltung verändern. Wer weiß, vielleicht machen Ihnen Vorstellungsgespräche ja demnächst sogar Freude?
Auch eine Absage kann eine gute Entscheidung sein
Ein Vorstellungsgespräch ist das Gespräch über gegenseitige Vorstellungen. Beide Seiten sollten die Chance und Gelegenheit haben, miteinander über ihre Erwartungen an eine zukünftig gute Zusammenarbeit zu sprechen. Ihre Gesprächspartner können zu dem Ergebnis kommen, dass Sie die Richtige für die Position sind und in das bestehende Team sowie zur Unternehmenskultur passen – oder auch nicht. Genauso können Sie für sich herausfinden, ob Sie Ihre Erfahrungen und Stärken in diese Position gut einbringen können und in diesem Arbeitsumfeld in den nächsten Jahren motiviert und gesund bleiben – oder auch nicht.
Wenn sich beide Seiten offen und ehrlich austauschen und auf dieser Basis eine bewusste Entscheidung treffen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es wirklich passt. Jede Absage eines Arbeitgebers sowie auch jede Ablehnung eines Vertragsangebots sind damit ebenso gute Entscheidungen wie die gemeinsame Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags.
Verlassen Sie die Haltung des Prüflings
Viele Jobwechsler betrachten ein Vorstellungsgespräch noch als die nächste, härteste Prüfung ihres Lebens. Sie wollen überzeugen, sich beweisen und kämpfen sich durch den strengen Auswahlprozess. Sie trainieren ihre Selbstpräsentation, verraten als Schwächen maximal ihren Perfektionismus sowie ihre Ungeduld und berichten von ihren größten Erfolgen, als gäbe es kein Morgen. Sie fürchten die Fragen nach ihrer Wechselmotivation und hoffen, dass die gut kaschierte Lücke im Lebenslauf nicht aufgedeckt wird. Sie wollen pflichtbewusst Erwartungen erfüllen, die sie nicht kennen, sowie treffsicher jene Antworten abfeuern, von denen sie glauben, dass Personaler sie hören möchten. Einseitiges Gefallenwollen statt echtem Kennenlernen.
Wer derart blind den neuen Job ergattert, darf sich nicht wundern, wenn es vom ersten Tag an nicht passt. Verlassen Sie die kämpferische Haltung des Prüflings und machen Sie sich bewusst, dass jedes Gespräch mit einem potenziellen Arbeitgeber auch Ihrem Selbstschutz dient.
Neugier und echtes Interesse statt Prüfungsangst
Ist es nicht großartig, dass sich ein Arbeitgeber für Sie als neue Mitarbeiterin interessiert? Ihre Bewerbungsunterlagen haben die Neugier geweckt, Sie intensiver und persönlich kennenzulernen. Was gibt es Spannenderes, als einen Blick hinter die Kulissen eines Unternehmens zu werfen, das Sie interessiert, und mit den Menschen dort über Ihre Ziele und Zukunftspläne zu sprechen?
Fokussieren Sie sich für Ihr nächstes Vorstellungsgespräch weniger auf Ihre perfekt einstudierte Selbstpräsentation, sondern auf alles das, was auch für Sie wichtig ist, um eine gute Entscheidung zu treffen. Was sollte bei einem neuen Arbeitgeber erfüllt sein, damit es Ihnen in den nächsten Jahren dort gut geht? Schreiben Sie es auf und überlegen Sie sich passende Fragen, um in den Gesprächen ein gutes Gefühl hierfür zu entwickeln.
Es sind genau diese neugierige Haltung sowie Ihr echtes Interesse als Mensch anderen Menschen gegenüber, die ihnen Gelassenheit und Stärke geben werden. Auch wenn Ihr Gegenüber das Gespräch leitet, so können Sie viel dazu beitragen, dass es ein guter Austausch auf Augenhöhe wird. Das darf Freude machen. Ihren Gesprächspartnern wird es gefallen.