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Trainee-Blogs: Heute war wieder ein super Tag!

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Trainee-Blogs Danke für meine Arbeitsstelle!

Firmen-Blogs versprechen einen authentischen Einblick in die Arbeitswelt. Damit Unternehmen menschlicher wirken, lassen sie gern ihre Trainees über den Alltag schreiben. Heraus kommt oft eine krude Mischung aus Erfahrungsbericht und PR-Politur: Alles super - und tausendmal danke, Chef.

Versuchen wir es einmal selbst: Heute war wieder ein besonders guter Tag bei SPIEGEL ONLINE. Die Kollegen waren freundlich, der Kaffee schmeckte lecker, und alle durften gemeinsam an der besten Nachrichtenseite Deutschlands arbeiten. Und dann erst der Ausblick aus dem 13. Stock! Ich sage nur... WOW. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Gestern war es hier auch schon ziemlich super, und ich freue mich echt schon auf morgen.

Wer im Internet nach Firmen-Blogs sucht, der könnte meinen, dieses Land sei ein einziger liebevoller Arbeitgeber. Wo sonst im Web anonym gern über den Chef geätzt wird, erzählen Angestellte in den offiziellen Web-Tagebüchern von liebenswerten Bürogemeinschaften und spannenden Arbeitsaufträgen.

Diese Firmen-Blogs werden häufig von Trainees geschrieben. Weil manche Kollegen nicht einmal wissen, was ein Blog genau ist, müssen die netzaffinen Nachwuchskräfte das Image der Firma polieren und den Internetauftritt etwas menschlicher gestalten. Oft kommt dabei ein Mischmasch aus PR-Text und Erfahrungsbericht heraus.

"We'll stay the crazy ones"

Wer neu im Job ist, würde sich bei allzu deutlicher Kritik vermutlich um den Arbeitsplatz bloggen. Und deshalb schreiben Trainees lieber ausführlich über die betrieblichen Vorzüge. Die Nachwuchskräfte des Energiekonzerns EnBW Baden-Württemberg berichten etwa von "sympathischen Kollegen, neuen Freunden, herausfordernden Aufgaben und viel Freude".

Im Blog des Elektronikunternehmens Bosch findet ein Fazit nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit seinen Höhepunkt in dem Satz: "Dabei habe ich wieder einmal gemerkt, wie viel Freude mir mein Trainee-Programm macht."

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Berufsstart: Lassen Sie mich durch, ich bin Trainee!

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An anderer Stelle bedankt man sich schlicht für die Arbeitsstelle. So lässt eine junge Nachwuchskraft in ihrem Trainee-Blog wissen: "Danke, liebe Programmleitung für das tolle Jahr und die Wegbegleitung, vielen Dank an die Geschäftsführung (...) (we'll stay the crazy ones) und an all die tollen Menschen, die uns in dem Jahr als Mentoren, Betreuer, Berater und Freunde zur Seite standen."

Schnell entsteht ein ganz ähnliches Problem wie bei Unternehmensvideos, mit denen sich vorzugsweise Azubis immer mal wieder blamieren. Gezeigt werden sollen eigentlich echte Mitarbeiter in ihrem natürlichen Arbeitsumfeld - aber daraus werden oft delikate Peinlichkeiten mit viel Potential zum Fremdschämen.

So kann es auch bei Trainee-Blogs kommen. Die Leser fragen sich dann: Ist so viel Betriebsglück überhaupt zu fassen? Auch die Mutter von Janine Sieling, 25, hatte Zweifel, als sie das Trainee-Blog der Flughafengesellschaft Fraport  sah. "Das hört sich ja fast zu schön an, um wahr zu sein", sagte sie. Heute bloggt ihre Tochter selbst als Trainee im Luftsicherheits-Controlling. Seit über einem Jahr textet Janine Sieling regelmäßig für ihren Arbeitgeber, schreibt über den Ablauf des Trainee-Programms, beantwortet potentiellen Interessenten Fragen zum Betrieb - und zwar ohne Einfluss der Firmenleitung, wie sie sagt. Erscheint ein neuer Eintrag auf der Website, wird allerdings automatisch auch das Personalmarketing von Fraport informiert. Bisher sei sie aber in keinen Konflikt gekommen, so Sieling: "Mir hat noch nie jemand reingeredet."

Etwa tausend Besucher verfolgen jeden Monat die Erlebnisse der Nachwuchskräfte. Bewerber kennen im Vorstellungsgespräch die Einträge fast auswendig. Tatsächlich liegt die Stärke von Trainee-Blogs darin, durch persönliche Beschreibungen eine halbwegs realistische Vorstellung davon zu bekommen, was einen in der Firma erwartet. Wer zwischen den Zeilen liest, kann sich darüber hinaus vielleicht sogar eine Meinung zur Stimmung im Betrieb machen.

So etwas wie "liberale Zensur"

Eine wirklich weiterführende Diskussion über vermeintliche Firmeninterna hinaus findet dagegen selten statt. Dabei böten gerade Blogs die Gelegenheit für grundsätzliche Gedanken und Anregungen für die eigene Branche. Aber Trainee-Blogs funktionieren vor allem als Werbefläche, die möglichst authentisch Nachwuchs akquirieren soll. Da kann es nicht schaden, den Bewerbern vom guten Klima oder dem Auslandspraktikum zu erzählen.

"Für uns ergibt ein Trainee-Blog aus mehreren Gründen Sinn", sagt Alexander Pschera, 47, Geschäftsführer der PR-Agentur Maisberger. "Unsere Trainees bekommen Schreibpraxis, es unterstützt das Teambuilding, und man kann sich über unsere Agentur informieren."

Zwar gibt es für die Blog-Einträge keine Vorschriften, aber die Zeilen der Trainee-Kräfte werden vor Veröffentlichung von einem Teammanager gegengelesen. Pschera nennt das "liberale Zensur". Damit wolle er verhindern, dass unerfahrene Kollegen versehentlich Betriebsgeheimnisse ausplaudern. Und natürlich sei das Blog "kein Megafon für Montagsfrust", sagt Pschera.

Nur zu meckern ist nicht toll

Für Maisberger bloggt  zum Beispiel auch Nathalie Merkle, 29. "An unseren Beiträgen über Grillfeste oder die Weihnachtsfeier kann man schon sehen, dass unser Betriebsklima nicht schlecht ist", sagt sie. Das erlaube einen echten Blick hinter die Kulissen. Zu wirklich kritischen Gedanken fühlte sich bisher jedoch noch kein Trainee berufen. Man wolle sich ja "nicht ins Bein schießen". Alle seien schließlich zufrieden. Die meisten bleiben bei der PR-Firma.

Dabei hätte Pshera angeblich gar nichts gegen Kritik. Doch dafür seien die hauseigenen Blogger wohl noch etwas zu zahm. "Das Problem fängt im Kopf des Schreibers an", so der Agentur-Chef. Pschera würde gern mal etwas Widerspruch lesen: "Dann aber auch mit Verbesserungsvorschlägen. Nur zu meckern ist schließlich nicht so toll."

Ernsthafte Gedanken muss er sich da wohl erst mal nicht machen. Für Maisberger-Bloggerin Merkle war das Trainee-Blog ein maßgeblicher Grund, sich bei der PR-Agentur zu bewerben. "Es gibt viele Agenturen, aber nicht alle kümmern sich so gut um ihre Trainees wie hier."

Durch ein Podcast-Video im Trainee-Blog habe sie damals einen ziemlich guten Einblick in die Firma erhalten. Ist es denn wirklich alles so gewesen wie im Werbevideo gezeigt? "Ehrlich gesagt: Es war sogar noch besser", sagt PR-Profi Merkle. Man könnte ihr diesen Satz sogar glauben. Vor zwei Wochen wurde sie von der Agentur übernommen.

Foto: Frauke Lüpke-Narberhaus

KarriereSPIEGEL-Autor Jonas Leppin (Jahrgang 1983) ist Journalist in Hamburg. Zuvor hat er Politik, Geschichte, Jura studiert und die Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert.

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