
Genossenschaftliches Projekt: "Thinken" statt Trinken
Eine Bar als Genossenschaft Trinken mit Solidarprinzip
Es hätte auch eine Bäckerei sein können. Oder ein Designbüro. Aber es wurde eine Bar - zumindest soll es eine werden. Nicht eine Eckkneipe, in der man abends ein Kölsch schlürft. Sondern ein Ort, der noch viel mehr bietet: Konzerte, Ausstellungen, Open Stages vielleicht. Mit einem ganzen Stab an Menschen, die das Projekt gemeinsam stemmen.
So stellt sich das Kai Berthold vor, einer der Initiatoren des Projekts "Trinkgenosse" in Köln. Die Idee: genossenschaftlich eine Bar gründen, um mit vielen Leuten gemeinsam ein Projekt zu stemmen. Und um die Genossenschaft wieder bekannter zu machen: "Viele Leute in unserem Alter wissen gar nicht genau, was Genossenschaften machen", sagt Kai.
Das soll sich mit dem Projekt ändern. Kai möchte Leute dafür begeistern, mitzumischen, eigene Ideen umzusetzen, etwas zu gestalten. Und dabei auch zu lernen, wie wichtig es ist, seine Stimme zu erheben: "Wir sehen das Ganze auch als ein Demokratievermittlungsprojekt." Im besten Fall verbessert es also die Gesellschaft auch ein bisschen.
Fasziniert von Genossenschaften
Die Idee kam dem 32-Jährigen während des Studiums. An der Köln International School of Design hat er einen Bachelor im Fach "Integrated Design" gemacht. Design, das meint in diesem Studiengang nicht nur die Gestaltung von Lampen, Stühlen oder Tischen.
Ganz explizit sollen auch aktuelle Gesellschaftsthemen diskutiert und überdacht werden - mit Raum für eigene Ideen: "In einem Projekt zum Thema Gentrifizierung sind wir auf Genossenschaften gestoßen" erzählt Kai. Das Prinzip hat ihn fasziniert: "Weil Wohnungsgenossenschaften verhindern, dass ärmere Menschen aus den Städten verdrängt werden."

Genossenschaftliches Projekt: "Thinken" statt Trinken
Ein Solidarprinzip, über das Kai mehr wissen wollte. Er fragte bei Freunden, Bekannten und Kommilitonen nach, was sie über diese Wirtschaftsform wissen. Und stellte fest: wenig bis gar nichts. Das hat ihn überrascht: "Wir haben uns dann gefragt, wie wir das Genossenschaftsmodell wieder interessant machen können." Und schnell war klar: Ein guter Ansatz muss her. Etwas, was die Genossenschaft erlebbar macht. So entstand die Idee, eine Bar zu gründen. Das Projekt bekam den Namen "Trinkgenosse".
Das ist vier Jahre her. Seitdem haben er und ein wachsendes Team an Leuten viel Zeit in die Ausarbeitung gesteckt. Mehrmals im Monat finden Workshops statt - die einige Weggefährten erstmal abgeschreckt haben: "Ich dachte an Abende, in denen alle im Stuhlkreis sitzen und ewig debattieren", erzählt Julian Eckes, 35, der wie Kai aus Trier kommt und fast seit Beginn des Initiative dabei ist. "Aber Kai verfügt über ein gutes Methodenwissen. So gelingt es gut, auch schwierige Entscheidungen zu treffen."
Crowdfunding-Kampagne läuft
Tatsächlich legen die Gründer viel Wert darauf, dass alle von den Workshops profitieren. Sie achten darauf, dass alle gehört werden, jeder seine Meinung sagen kann - und sich nicht der lauteste durchsetzt. "Wir bemühen uns, auch schwierige Diskussionen locker und flüssig zu gestalten", sagt Kai. Offenbar mit Erfolg. Von Teilnehmern gebe es oft Lob.
Das bestätigt Hilmar Korth, der zusammen mit Kai an der Uni Wuppertal den Master "Public Interest" macht - und sich von dessen Begeisterungsfähigkeit habe anstecken lassen. So kommt auch er nun regelmäßig zu den Treffen in die Alte Lederei in Köln, eine umgebaute Werkstatt mit Konferenzraum. Er plant Workshops, diskutiert mit: "Das hat schon etwas Erfüllendes."
Ob sich das Projekt umsetzen lässt, ist dabei noch offen. Seit Mitte Oktober läuft eine Crowdfunding-Kampagne, um die Idee auch finanziell auf ein Fundament zu stellen. Dabei bleiben die Macher bescheiden: "Wir haben zunächst 25.000 Euro angesetzt", erklärt Julian. Wer Anteile an der noch zu gründenden Genossenschaft reservieren möchte, kann Gründerbriefe für 250 Euro erwerben. Natürlich sind auch Spenden gerne gesehen.
Nachmachen erwünscht
Mit dem bisherigen Verlauf sind die Macher zufrieden: "Wir haben jetzt auch Unterstützer, deren Namen wir nicht kennen." Sie hoffen, dass viele Leute einsteigen. Dass sie dann loslegen können mit der Bar, mit der Ausarbeitung des Konzepts, mit der Suche nach passenden Räumen.
Außerdem setzen sie auf Nachahmer in anderen Städten. "Wir wollten Nachfolgeprojekte mit Rat und Tat unterstützen, es soll auch Anleitungsliteratur entstehen", sagt Kai. Dabei immer das Ziel: dass viele Meinungen gehört werden, viele Menschen mitmischen. So genossenschaftlich wie möglich eben.

KarriereSPIEGEL-Autorin Britta Mersch arbeitet als freie Journalistin in Köln. Und Mutter ist sie auch.