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Training für Unternehmensberater: So zähmt man die Generation Y

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Unternehmensberater-Nachwuchs Keine Angst, wir sind noch angepasster als ihr

Arbeitgeber fremdeln mit der "Generation Y". Sinnsucher, freizeitorientiert, selbstbewusst bis überheblich - solchen Nachwuchs zu zähmen, wollen Berater an einer Privathochschule lernen. Und treffen in Rollenspielen auf Studenten ohne jeden Funken von Widerspenstigkeit.

Am Ende des Tages vermasseln dem Unternehmensberater ausgerechnet seine abgewetzten Turnschuhe das Gesamtergebnis. Lässigkeit und Coolness sollten sie beweisen. Doch das Urteil der vier Studenten, denen er im Assessment Center gegenübersitzt, lautet: Pfui. "Absolut casual" sah die Kleiderordnung vor. Für die Studenten heißt das: weißes Hemd, Jeans, polierte Lederschuhe. Der Consultant ist ihnen nicht fein genug. Was ist denn hier los?

Die Organisatoren der Privathochschule EBS im hessischen Oestrich-Winkel haben zum Rollenspiel gebeten. Titel: Assessment Center mit der Generation Y.

An dem Begriff kommen Personalabteilungen kaum vorbei. Die Jahrgänge ab 1980 waren geburtenschwach, als Mitarbeiter sind die "Ypsiloner" begehrt. Das wissen sie, stellen allerhand Sinnfragen und entsprechende Forderungen - mehr Geld und Spaß für weniger Arbeit.

Für Personaler und Teamchefs eine harte Nuss. Wie sollen sie reagieren, wenn der Nachwuchs sich kaum für klassische Karriereplanung und Statussymbole interessiert, dafür schon im Bewerbungsgespräch frech nach Freizeit fragt? Oder im Kapuzenpulli im Büro aufkreuzt? Das sollen sechs Unternehmensberater heute üben, in drei fiktiven Mitarbeitergesprächen plus Firmenpräsentation. Am Ende gibt es Feedback, von den Studenten für die Berater: Bewerbung und Bewertung einmal umgekehrt.

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Gang runterschalten: Die Generation Y und die Karriere

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Eine tolle Idee sei der Rollentausch, findet der Turnschuh-Consultant. Er ist selbst erst Mitte 30, sagt aber, er verstehe diese Generation oft nicht. Vom Sinn des Assessment Centers sind nicht alle in seiner Firma überzeugt. Sie steckt in der Krise, Mitarbeiter werden entlassen. Die Kollegen des Mutterhauses sollen deshalb von der Fortbildung nichts erfahren. Keine Namen, keine Fotos.

Die Lebensläufe so makellos wie die Lederschuhe

Die Studenten posieren bereitwillig für die Kamera. Moritz Stegers, Frederic Rupprecht, Benjamin Thomsen und Christopher Noone, alle Anfang 20, haben gerade ihr Bachelorstudium in General Management abgeschlossen, für gut 40.000 Euro Studiengebühren. Die Lebensläufe der Privathochschüler sind so makellos wie ihre Lederschuhe: Einser-Abitur; Auslandssemester in Singapur oder Peking; Praktika bei McKinsey, PricewaterhouseCoopers, Deutsche Bank, Allianz, Lufthansa. Alle vier wollen Unternehmensberater werden - wie die Mehrheit der EBS-Studenten.

Dass sie vielleicht anders ticken als ihre Altersgenossen, dämmert ihnen selbst. Für die Rollenspiele haben sie daher einen Ypsiloner-Prototypen entworfen: Er hat gute Fachkenntnisse, überschätzt sich aber oft. Er möchte lieber an der Gesamtstrategie feilen, als sich um Details wie Rechtschreibfehler zu kümmern ("So was kann man ja outsourcen, das machen Leute in Indien viel schneller"). Er will genug Zeit für Hobbys haben und legt wenig Wert auf sein Äußeres. Die Berater sollen sich in Rollenspielen an diesen Punkten abarbeiten.

Student: Wie sieht es denn mit der Work-Life-Balance aus? Ich habe Angst, dass mein Social Life leidet.
Beraterin: Wir haben eine Kernarbeitszeit von 9 bis 19 Uhr. Ich gehe selbst zweimal die Woche zum Sport und versuche, um 19 Uhr zu gehen. Das schaffe ich nicht immer, es gab auch schon Tage, da war ich froh, um 23 Uhr zu Hause zu sein.

Student: Ah, super. Das wollte ich nur mal kurz ansprechen.

Zehn Stunden täglich, manchmal um 19 Uhr nach Hause? Viele Menschen dürften sich eine gute Work-Life-Balance anders vorstellen. Benjamin Thomsen, 22, stört das nicht: "Ich arbeite gern viel, solange es nicht langweilig ist." Den Arbeitsvertrag bei der Boston Consulting Group hat er schon in der Tasche.

Absolventen wie ihn bekommen die sechs Berater nur selten zu Gesicht. In einem Großunternehmen arbeiten sie fürs Inhouse Consulting. Das gilt bei den EBS-lern als wenig sexy. Keine Dienstreisen, kein großer Markenname? Vergiss es.

Also sollen die Gäste üben, wie man Studenten die interne Unternehmensberatung als Arbeitgeber schmackhaft macht. Mit dem Joker Work-Life-Balance versucht es die einzige Beraterin im Assessment Center, nennen wir sie Maike Schröder. Fünf Jahre habe sie für eine externe Beratung gerackert und aus dem Koffer gelebt: "Ich hatte keine Freizeit. Null." Eines Morgens fragte sie sich: Was ist, wenn ich morgen sterbe? Im Inhouse Consulting sei sie nun glücklich - "keine Ellenbogen-Mentalität", kein Up or Out, stattdessen verabredeten sich die Beraterinnen, um "Germany's Next Topmodel" zu gucken.

Die Antwort bitte in Bulletpoints

Zum Beweis gibt's an dieser Powerpoint-Stelle eine Fotocollage - Menschen im Ruderboot oder vor einem Boxring. "Unsere Firma ist eine Familie, das leben wir auch so", sagt Schröder. Die Studenten lachen. Das habe sie sehr irritiert, so die Beraterin später. Ein Teil des Rollenspiels?

Juror Frederic Rupprecht, 21, den sein Dozent als "Heißdüse" ankündigte, beruhigt Schröder: "Du warst ganz nah bei uns." Nur bitte ein bisschen mehr Emotionen und knackigere Antworten, "drei Bulletpoints pro Frage". Dass die meisten Kommilitonen keinen Bock auf Inhouse Consulting haben, tja, das sei nun mal so. "Interne Beratung ist eher was für später."

Auf zur nächsten Übung, zum "Erwartungsgespräch".

Student: Sind die Aufgaben denn auch abwechslungsreich? Ich finde nichts schlimmer als Langeweile.

Berater: Auch ein Statusbericht kann herausfordernd sein. Das ist nicht langweilig. Selbstverständlich muss auch ich Tätigkeiten machen, an denen ich nicht so viel Interesse habe. Aber es gibt keinen Job, der jeden Tag spannend ist. Da muss man halt mal für sechs Monate die Zähne zusammenbeißen, dann kommt das nächste Projekt. Bei uns im Team wird Spaß ganz groß geschrieben. Da macht jeder mal 'nen lockeren Spruch.

Student: Ah, super.

Im Entwicklungsgespräch soll sodann der Berater einem jungen Kollegen klar machen, dass aus der Beförderung nichts wird und er gefälligst auf seine Rechtschreibung achten soll. Sehr gelobt wird der Turnschuh-Consultant. Dabei behandelt er sein Gegenüber wie ein Kindergartenkind: Wenn er ab jetzt brav sei und sorgfältiger arbeite, dürfe er bei einem wichtigen Vorstandsprojekt mitmachen. "Eine tolle Lösung", jubelt Rupprecht später in der Feedback-Runde.

Die unkompliziertesten Mitarbeiter aller Zeiten

Das Wort "Kritik" fällt kein einziges Mal an diesem Tag, stattdessen heißt es stets: "Lass uns mal über deine Entwicklungspotentiale reden." Überhaupt sprechen Studenten und Berater erstaunlich ähnlich, von Sparring und Inputs, von Feedback on the fly, Sales-Zielen und der Zeit-Range.

Verstehen Sie Beratersprech?

Den Studenten kommt das flüssig über die Lippen. Ihre Hochschule hat sie für diesen Tag als studentische Unternehmensberater engagiert, Tagessatz 350 Euro. Die EBS zahlt ihnen etwas weniger, sie ist notorisch klamm. Für 2013 rechnet man an der Wirtschaftshochschule mit einem Verlust von rund zwei Millionen Euro, die Miete für ein Gebäude in Wiesbaden musste gestundet werden.

Bis 2018 will die EBS darum die Drittmittel-Einnahmen von Konzernen, Kanzleien oder Alumni um 25 Prozent auf 10,5 Millionen Euro steigern. Das Assessment Center mit der Generation Y gehört dazu. Die Rollenspiele haben die Studenten selbst ausgearbeitet.

Berater: Ich war sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit, aber Entwicklungspotential sehe ich noch in Ihrem äußeren Auftreten. Das sollten Sie überdenken und sich zum Beispiel mal die Frage stellen: Könnte ich mich nicht täglich rasieren?

Student: Ah, okay.

Man könnte munter über den Sinn von Kleidervorschriften debattieren - die Mark Zuckerbergs dieser Welt tragen keinen Schlips. Doch Sinnfragen sind bei den vier Jungjuroren nicht gefragt. Wäre das wirklich die Generation Y, könnten sich Arbeitgeber freuen. Diese Jungs sind die unkompliziertesten Mitarbeiter aller Zeiten: Gib mir viel Geld, und ich mache alles, was du willst.

Dennoch sind sich die Berater einig, wie realitätsnah die Gespräche gewesen seien. "Es ist, was es ist", sagt Maike Schröder. "Wer nach acht Stunden nach Hause gehen will oder in Flip-Flops ins Büro kommt, ist bei uns falsch."

Foto: Jeannette Corbeau

Autorin Verena Töpper (Jahrgang 1982) ist KarriereSPIEGEL-Redakteurin.

Foto: Beatrice Blank
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