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Freiberufliche Consultants Jetzt mach ich die Überstunden für mich

Zwölf-Stunden-Tage sind für Berater nichts Besonderes - auch nach dem Ausstieg bei McKinsey und Co. Trotzdem ist die Selbstständigkeit für viele verlockend: Da beutet man sich wenigstens selber aus.
Berater als Vermittler: Comatch-Gründer Christoph Hardt (links) und Jan Schächtele

Berater als Vermittler: Comatch-Gründer Christoph Hardt (links) und Jan Schächtele

Foto: Comatch

Montagmorgen hin, Donnerstagabend zurück. Jan Schächtele hat den Rhythmus seines alten Lebens beibehalten. Sechseinhalb Jahre war er Berater bei McKinsey, jetzt hat er sein eigenes Unternehmen: Zusammen mit seinem ehemaligen Kollegen Christoph Hardt vermittelt er über Comatch freiberufliche Berater an Mittelständler und Konzerne. Von Montag bis Donnerstag teilen sich beide eine Wohnung in Berlin, dann fahren sie nach Hause: Schächtele nach Hamburg, Hardt nach Würzburg.

"Manchmal ist das gar nicht so schlecht", sagt Schächtele. "Natürlich wünscht man sich oft, abends zu Hause zu sein, aber so wartet meine Partnerin nicht auf mich, wenn ich mal länger im Büro bleibe." Länger im Büro bleiben heißt für Schächtele bis 21 oder 22 Uhr abends. Das bedeutet einen 13- oder 14-Stunden-Arbeitstag. Und oft geht es danach noch weiter, denn auch in der Gründer-WG drehen sich viele Gespräche um den Job.

Für das Verschmelzen von Berufs- und Privatleben gibt es im Management-Sprech ein Wort: Work-Life-Blending. Beratungsfirmen, Forschungsinstitute und Arbeitgeberverbände sind sich schon seit Langem einig, dass der nahtlose Übergang von Arbeit- und Freizeit ein Trend ist. Aber hätten die beiden Gründer dann nicht einfach bei McKinsey bleiben können? Immerhin knacken Berater dort schon nach wenigen Jahren die 100.000-Euro-Marke beim Jahresgehalt.

Jan Schächtele

Jan Schächtele

Foto: Comatch

Schächtele sagt, er verdiene jetzt ein Drittel weniger als früher. Trotzdem sei er nun glücklicher: "Selbstbestimmt arbeiten zu können fühlt sich ganz anders an, das ist eine ganz andere Motivation."

Eine eigene Firma zu gründen, liegt für Consultants nah. Sie haben das Wissen, die Netzwerke, das Geld - und das Selbstvertrauen. Und vielen bleibt auch gar nichts anderes übrig, als sich nach Alternativen umzusehen, denn bei den großen Beratungen fliegt im Schnitt jedes Jahr einer von fünf Mitarbeitern raus. Up or out, befördert werden oder aussteigen, heißt das Prinzip, von dem nun auch Schächtele und Hardt profitieren wollen.

Denn wer nach der Beraterkarriere freiberuflich weitermachen will, war bei der Kundenakquise bislang weitgehend auf sich allein gestellt. Comatch ist seit März 2015 online, zwei Monate später kamen Newcoventure und Projectchamps dazu, zwei Start-ups, die ebenfalls damit werben, für Firmen "den richtigen Unternehmensberater zu finden". Dass sie sich gegenseitig Konkurrenz machen, sehen die Gründer gelassen. "Der Markt ist groß genug und bietet genug Potenzial für mehrere Anbieter", sagt Projectchamps-Chef Thomas Nugel.

Freelancer-Plattformen für Berater

Etwa 14.000 Menschen arbeiten derzeit freiberuflich als Einzelberater in Deutschland, schätzt der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU). Machen die Plattformen am Ende McKinsey und Co Konkurrenz?

Nein, sagt Klaus Reiners vom BDU. "Freiberufliche Berater decken ganz andere Inhalte ab, sie füllen eher die Lücken, die von den großen Beratungen nicht abgedeckt werden, und übernehmen kleinere Projekte." So sieht es auch Schächtele. Er fasst es im schönsten Beratersprech zusammen: "Wir sind keine Konkurrenz, wir helfen nur, die Dinge zu professionalisieren."

Wer eine große Consultingfirma wie McKinsey oder BCG engagiert, bekommt mehr als die Arbeitsleistung eines einzelnen Beraters: Ein Team mit Zugang zu eigenen Datenbanken und Analysewerkzeugen - und fleißigen Helfern in Fernost, die nachts Powerpointfolien basteln. Für viele mittelständische Firmen ist so ein Komplettpaket unbezahlbar - und auch unnötig, meint Schächtele. "Kleinere Unternehmen brauchen oft keine großen Marktanalysen, sondern schnell konkrete Hilfe."

Patrick Löchelt

Patrick Löchelt

Foto: Blende 11

1300 Euro ist der durchschnittliche Tagessatz eines Comatch-Beraters. Patrick Löchelt, 35, war einer der ersten. Bis Juli 2015 war er bei der Boston Consulting Group festangestellt, das "Beraterabitur" hatte er schon geschafft: Er war auf der Stufe des Projektleiters angekommen. Auch er sagt, er arbeite jetzt kaum weniger als früher, aber "ich bin eh kein Typ für einen 9-to-5-Job". Entscheidend sei, dass er sich die Arbeitszeit nun frei einteilen könne - zwischen Beratungsaufträgen, dem Aufbau eines Start-ups und seinem kleinen Sohn.

"Dass ich keine Akquise betreiben muss, macht die Arbeit als Freiberufler deutlich einfacher", sagt Löchelt. Außer bei Comatch ist er noch auf a-connect und ConMendo registriert, dort werden Berater allerdings nicht weitervermittelt, sondern direkt für bestimmte Projekte gebucht.

Ein Nachteil der Selbstständigkeit für Löchelt: Er muss sich nun von der Beschaffung von Marktdaten bis zur Hotelbuchung um alles selbst kümmern, ohne "Knowledge-Team" und "Admin-Support". Und auch das Netzwerk der alten Kollegen vermisst er.

Hardt und Schächtele fühlen sich manchmal nicht mehr wie Kollegen, sondern wie ein altes Ehepaar. Sie haben festgelegt, wer morgens wann ins Bad geht, laufen gemeinsam ins Büro. Und lassen schon mal einen Praktikanten fünf Monate im Flur der WG schlafen. "Berlin ist einfach die Start-up-Stadt", sagt Schächtele. Und, wieder ganz Berater: "Da haben wir schnellen Zugriff auf Kapital und Mitarbeiter."

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