

Punkt, Punkt, Komma, Strich: Wenn so die Unterschrift ihres neuen Arbeitgebers aussieht, der da neben ihnen den Vertrag unterschrieben hat, wundern Sie sich nicht weiter - er hat sich seinen Friedrich-Wilhelm mit hoher Wahrscheinlichkeit anfertigen lassen.
"Eine designte Unterschrift macht vor allem eins deutlich: Sie ist dem Schreiber wichtig - er kriegt sie aber selbst nicht hin", sagt Susanne Dorendorff. Die Hamburgerin ist Schreibcoach, hat sich auf Handschriften spezialisiert und bringt auch Kindern bei, wie sie ihre Sauklaue loswerden. "Die Kunden, die eine neue Unterschrift wollen, sind zu 98 Prozent Männer, viele Unternehmensberater", erzählt sie. "In der Branche brauchen sie das - da geht es um Image pur."
Die Unterschrift ist in vielen Bereichen ein Statussymbol, und das in Zeiten, in denen kaum noch einer mit der Hand schreibt. Günstig ist das Signaturdesign nicht: Zwei bis vier Buchstaben kosten bei Dorendorff 2400 Euro, für 7000 gibt es das Gesamtpaket aus zwei Unterschriften - einmal mit Initialen, einmal ganz ausgeschrieben - von und zu sowie Titel kosten extra. "Sie kaufen keine neue Schrift", rechtfertigt sie die Preise. "Wir erarbeiten das gemeinsam in mehreren Gesprächsrunden, in denen sich der Kunde seine neue Signaturvariante aneignet. Das ist vergleichbar mit einer anspruchsvollen Rhetorikschulung."
Das Hauptproblem ihrer Einschätzung nach: Die meisten hätten kein gutes Verhältnis zu ihrer Schrift. Das fange bei Businessmeetings an: Autoschlüssel lege man auf den Tisch, um über die Marke seinen Rang zu demonstrieren - nur Füller sehe sie da nie. Wenn es nach ihr ginge, sähe das bald anders aus: "Besitzer erkennen sich am edlen, handgefertigten Unikat. Wer so etwas hat, kann auch gut schreiben." Und demonstriert damit natürlich nebenher, dass er das Einkommen hat, mehrere tausend Euro für einen Füller auszugeben.
Was man beachten sollte, um mit seiner Unterschrift Eindruck zu schinden, verrät Dorendorff hier:
"Füller? Braucht man nicht unbedingt. Aber die Haptik ist enorm wichtig, auch beim Kugelschreiber. Dabei kommt es auf Handgröße und Gewicht des Geräts an. Wichtig: eine breite Feder und leicht fließende Tinte. So wird der Schriftduktus dynamischer und raumgreifender. Bloß keine dünne Feder nehmen! Das sieht nach fipsigen Spinnenbeinen aus."
"Die gute Unterschrift beginnt am Stift: Vom Anfassen des Füllers - parallel zum Zeigefinger wie Essstäbchen halten - übers Aufsetzen der Federspitze bis zum Schlusspunkt müssen Sie gestisch vermitteln: 'Achtung, hier schreibe ich!' Das ist Territoriumseroberung, dieser weiße Raum gehört nur Ihnen! Wo Sie mit Tinte Spuren hinterlassen, kann kein anderer mehr schreiben."
"Männer schreiben keine Schnörkel. Die meisten wollen eine schwungvolle Signatur, mit großen Anfangsbuchstaben und Bögen. Hauptsache, keine zackige Schrift, die aussieht wie eine Herzkurve im Krankenhaus. Denn die wirkt nicht autoritativ, sondern aggressiv. Die psychologische Wirkung von Schriftbildern ist nicht zu unterschätzen."
"Eine Unterschrift muss immer ein spürbares Ende haben. Ruhig am Schluss mit der Federspitze noch einmal extra länger draufhalten, damit ein Punkt entsteht. Das signalisiert: Ich habe das letzte Wort, ich bin der Entscheidungsträger, kein Mitläufer."
"Die Person mit der prägnantesten Unterschrift steht in der Hackordnung ganz oben. Die anderen müssen sich unterordnen. Es ist doch so: Bei jeder Konferenz schielen alle nach rechts und links - und wenn da einer eine beeindruckende Unterschrift hat, will der andere nicht zurückstehen. Problematisch wird's, wenn Sie merken, dass Ihre Unterschrift besser ist als die Ihres Vorgesetzten. Sie müssen zeigen, dass Sie zwar Ambitionen haben, sich aber nicht über ihn stellen. Dafür am besten einfach mit dünnerer Feder unterschreiben, das wirkt weniger dominant."
KarriereSPIEGEL-Autorin Anne Haeming (Jahrgang 1978) ist freie Journalistin in Berlin.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Pimp my Write: Schon die Unterschrift von Prominenten ist öffentlicher Auftritt, sagt Schreibcoach Susanne Dorendorff. Auf den folgenden Bildern analysiert sie die Signaturen berühmter Persönlichkeiten - darunter ein echter Friedrich Wilhelm.
Bundespräsident Joachim Gauck: "Das ist nicht gestylt, das ist seine echte Unterschrift - alle Buchstaben vorhanden, sehr solide. Er hat es nicht nötig, sich zu verstellen oder sich etwas anderes auszudenken, er mag sich."
Fußball-Nationalspieler Mario Götze: "Das ist total gekünstelt! Er unterschreibt fast wie ein Kind, das in der Pubertät mit seiner Signatur gespielt hat. Er sucht sich noch. Und so alt ist er ja auch noch nicht." (Um genau zu sein: Jahrgang 1992 - d. Red.)
Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Sehr brav und komplett unverstellt. Sie unterschreibt so, wie sie wirkt."
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: "'Ursula' schreibt sie Buchstabe für Buchstabe aus, das 'von der Leyen' ist quasi nur ein Strich. Das mag daran liegen, dass sie sich vor allem als Ursula wahrnimmt, der Nachname ist ja angeheiratet und offenbar nicht so wichtig."
CSU-Vorsitzender Horst Seehofer: "Das 'H' ist wirklich gekünstelt, kreist an dem Buchstaben rum und kann sich nicht entschließen loszulegen - und dann kommt nur ein Strich. Der gibt sich mit seinem Namen keine Mühe, es wirkt leicht arrogant."
Vizekanzler Sigmar Gabriel: "Diese Unterschrift ist nicht homogen aus einem Guss. Sie ist nicht aufgesetzt, sondern authentisch. Der ist so."
US-Präsident Barack Obama: "Der schreibt eine Null und streicht sie mit dem B-Strich durch: Das geht gar nicht! In der Medizin steht das Zeichen für 'leer' und 'negativ' - als Symbol für Durchschnitt ist es auch nicht besser. Kurz: Nichts, was man sein möchte. Aber mit den Kreisen und dem langen Strich am Ende zeigt er: Ich beanspruche sehr viel Raum."
US-Finanzminister Jacob J. Lew: "So etwas darf man sich nicht antun. Wer so schreibt, sich diese designte Unterschrift zulegt und damit sagt: Das bin ich! - der hat offenbar keine Beziehung zu seinem Namen." (Lew ist US-Finanzminister - seine kringelige Unterschrift stand auf allen Dollarnoten. Bis Obama ihm verordnete, noch einmal lesbarer zu unterschreiben - d. Red.)
Model Heidi Klum: "Das Herzchen ist affig, so etwas sollte man nicht machen. Da fragt sich jeder sofort: Warum muss sie so betonen, dass sie ein Herz hat? Ansonsten: Das ist eine Schrift wie in der ersten Klasse - na gut, zweite Klasse."
SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein: "Meine Güte, er beansprucht ja Berg und Tal für sich! Klasse. Es ist ungewöhnlich, dass jemand dreimal so tief runtergeht mit der Schrift und im Vergleich kaum nach oben. Aber mit den Rundungen auf der Mittellinie bleiben die starken Ausreißer nach unten sehr harmonisch. Und: Er hat jeden Buchstaben seines langen Namens ausgeschrieben. Das signalisiert Sendungsbewusstsein."
... und hier noch ein echter "Friedrich Wilhelm": Kaiser Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen, hat seine Unterschrift unter die Erklärung des Kriegszustandes vom 31. Juli 1914 gesetzt.
Happy Birthday, lieber Füller: Am 12. Februar 1884 meldete Lewis Edson Waterman das Patent für den Füllfederhalter an. Die Schreiberlinge revolutionierten Haushalte und Geschäftswelt, weil flüssiges Schreiben mit ihnen kein Problem mehr war. Heute, 130 Jahre später, sind Füller so gut wie aus dem Alltag verschwunden.
Rechtmäßiger Füll-Halter: Erst unterzeichnete der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher 1992 den Maastricht-Vertrag - dann stahlen Einbrecher den Füllhalter, den er dabei benutzt hatte. Nach einigen Monaten schickten die Unbekannten ihn jedoch an Genscher zurück - der Grund ist nicht bekannt.
Das dauert: Damit man hinterher möglichst viele Erinnerungsstücke hat, nehmen US-Präsidenten bei der Unterschrift für jeden Buchstaben einen anderen Füller. Als Obama die Gesundheitsreform unterschrieb...
... gab es anschließend 22 Souvenir-Füller - zwei Unterschriften à elf Buchstaben.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden