Rat vom Jobcoach Darf ich meine Liebe im Büro offen zeigen?
Das Problem:
Dirk hat mit der neuen Mitarbeiterin Angela aus der Nachbarabteilung angebandelt. Angela ist noch in der Probezeit und möchte nicht, dass die Kollegen von der Liaison etwas mitbekommen, bevor die Beziehung gefestigt ist. Jetzt möchte Dirk seine Angela zum Valentinstag mit einem opulenten Rosenstrauß auf Ihrem Schreibtisch überraschen - und damit seine ernsthaften Absichten unterstreichen. Er fragt, ob er das tun soll.

Svenja Hofert ist Karriere- und Managementcoach und hat mehr als 35 Bücher geschrieben, unter anderem "Agiler Führen" und "Karriere mit System".
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Der Fall ist konstruiert, zeigt aber gleich mehrere Fallstricke auf, die sich bei Liebeleien im Büro auftun können. Karriereberaterin Svenja Hofert warnt:
Lieber keine Rosen, Dirk. Sie sollten auf den Strauß verzichten. Das Büro ist kein passender Ort für einen solchen Liebesbeweis, schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt der Beziehung und noch dazu in Angelas Probezeit.
Die Kultur in Unternehmen unterscheidet sich weltweit, landesspezifisch, regional, je nach Branche und auch nach Stil. In Firmen, die familiär geprägt sind, wundert sich niemand über enge Verwandtschaft und Beziehungen am Arbeitsplatz. Ich kenne Betriebe, die von Ehepartnern geführt werden oder in denen sich Partner einen Job teilen. Konventionell geprägte Unternehmen dagegen pflegen eine professionelle Distanz. In solchen Firmen spricht manch einer nicht mal über seine Urlaubspläne.
Natürlich gibt es auch Mischformen und "Eigengewächse". Da ist ein Techtelmechtel auf unteren Hierarchieebenen erlaubt und auf oberen nicht - wobei wir hier immer von informellen, also ungeschriebenen Regeln sprechen. Diese sind für neue Mitarbeiter dementsprechend schwer zu erkennen.
Manche dieser Regeln sind zum Beispiel abhängig von den Jahreszeiten. Im Karneval, an Weiberfastnacht, gelten etwa im katholischen Rheinland Ausnahmezustände. Sie glauben nicht, wie unterschiedlich Affären im Karneval im Vergleich zum Rest des Jahres gesehen werden. Firmen außerhalb des Rheinlandes kennen Ähnliches vielleicht von Betriebsfeiern.
Gefährlicher Flurfunk
Im normalen Büroalltag jedoch können Rosen auf dem Schreibtisch peinlich werden. Ich kann Angela gut verstehen. Was, wenn die Affäre mit Ihnen nur kurze Zeit währt? Da wäre es unklug, sie vor den Kollegen öffentlich zu machen. Allzu schnell würden sonst Absichten unterstellt, die Sie gar nicht haben: "Der X bevorzugt die Y nur, weil die was miteinander haben." Wenn solche Vermutungen im Flurfunk die Runde machen, sind sie kaum noch aufzuhalten.
Das heißt nicht, dass Sie Ihre Schmetterlinge im Bauch ignorieren müssen. Aber: Wenn aus der Beziehung etwas Ernstes werden soll, ist besondere Diskretion angesagt. Deshalb empfehle ich, andere Wege der Liebesbekundung zu wählen: Apps für den Valentinstag oder einfach Nachrichten per Handy. Ein morgendlicher Biep ist unverfänglich und mit den richtigen Emoticons können Sie nichts falsch machen.
Oder wie wäre es mit einer Einladung zum romantischen Dinner zu zweit? Da passen dann auch die Blumen auf den Tisch. Aber achten Sie darauf, dass das Restaurant nicht gerade auf dem Nachhauseweg der Kollegen liegt und diese durchs Fenster sehen können. Sie können sicher sein: Die anderen spüren das Knistern. Aber damit der Topf in der Gerüchteküche kochen kann, braucht es ein paar Zutaten. Liefern Sie diese zu diesem Zeitpunkt besser noch nicht. Das wäre für Angela in der Probezeit nicht gut.
Die "Neue" mit den Blumen
Die Kollegin steht noch unter besonderer Beobachtung, und Vorgesetzte und Kollegen bilden sich erst noch ein Urteil über sie. Dabei möchte Angela wohl kaum als "die, die in der Probezeit mit dem aus der Nachbarabteilung angebandelt hat", in die Firmengeschichte eingehen. Außerdem kann es sein, dass Kollegen Angelas private und berufliche Angelegenheiten vermischen.
Sollte sie schlechte Leistung erbringen, könnte dies der Liebelei mit Ihnen zugeschrieben werden. Nach dem Motto: "Die konzentriert sich nicht auf ihren Job, sondern hat nur ihre neue Beziehung im Kopf." Stattdessen arbeitet Angela vielleicht nicht so gut wie gehofft, weil sie nicht ausreichend eingearbeitet wurde.
So eine frühe Liebesgeschichte am Arbeitsplatz prägt das Bild einer Person für die Zukunft. Es "primt", wie es im Karriercoach-Sprech heißt. Priming ist die Beeinflussung menschlichen Verhaltens durch einen unbewusst wahrgenommenen Reiz. Wir sehen Blumen und schon assoziieren wir weitere Handlungen und Gefühlsregungen. Meine Hypothese ist, dass sich ein Valentins-Blumenstrauß da negativ auswirken könnte. Die "Neue" wäre dann immer mit dem Bild von Blumen auf dem Schreibtisch verbunden - nicht mit ihrer Leistung.
So einen Priming-Effekt können Sie allerdings auch positiv nutzen - wenn Sie zum Beispiel Ihre Frühlingsgefühle mit einer Aufforderung an sich selbst verknüpfen, die Sie als Zettel im Auto oder auf der Aktentasche deponieren: "Be charming." Das erinnert Sie nicht nur am Valentinstag, sondern dauerhaft daran, nett zu sein. So lassen sich Gewohnheiten beeinflussen - und vielleicht auch neue Beziehungen festigen.