
Vanille aus dem Kongo: Die Königin der Gewürze
Deutscher Farmer im Kongo Vanille aus dem Herzen der Finsternis
Clemens Fehr schaut in den Himmel. Was für ein Blick! Oben glitzert das ewige Eis des Gletschers, hier unten, neben dem alten belgischen Farmhaus, wabert tropische Schwüle. Seit den frühen Morgenstunden pilgern kongolesische Farmer mit schweren Säcken zum verwitterten Gebäude im Schatten der legendären Mondberge.
Wie ein Lauffeuer hat sich im Ostkongo herumgesprochen, dass er wieder da ist: der Allemand auf seinem Motorrad. Nun kommen sie in der Hoffnung auf ein gutes Geschäft. Clemens Fehr, Spross einer badischen Winzerfamilie, lebt mit seiner Familie im ugandischen Kampala, einige Hundert Kilometer entfernt. Aber alle paar Wochen knattert er auf seiner BMW-Geländemaschine in den Kongo und besucht die Kleinbauern. Einige Dutzend haben sich an diesem Tag auf der großen Wiese versammelt und ihre Ernte mitgebracht: Vanille- und Chilischoten, Kakao.
"Mach uns einen guten Preis", rufen sie, "und vor allem bezahl uns in bar." Dazu lachen sie und reden aufgeregt durcheinander. Der Kongo zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, der Osten ist geprägt durch Bürgerkrieg und anhaltende Kämpfe. Seit die Gegend um die Großen Seen im Chaos versinkt und vor allem durch Gemetzel an Frauen und Kindern Schlagzeilen macht, kommen nur noch selten weiße Farmer in die entlegene Region. Fehr ist eine Ausnahme: ein Tropenlandwirt aus Leidenschaft, mit einem großen Herz für Afrika.
Der promovierte Forstwissenschaftler, 54, hat viel Erfahrung als Entwicklungshelfer, zunächst in Thailand, ab 1999 in Uganda. Es war Liebe auf den ersten Blick, sagt Fehr: "Afrika hat mich sofort in seinen Bann gezogen - die Herzlichkeit der Menschen, die Wildheit der Natur, die Freiheit."
Der "Mzungu" mit dem Motorrad
Wenig später folgte das private Glück. Auf der Rückreise von Entebbe nach Brüssel lernte Fehr ein Jahr darauf seine zukünftige Frau kennen: Corinne. Deren Vorfahren waren schon in der Dreißigerjahren aus Belgien in den Kongo gekommen und hatten in den Fünfzigerjahren begonnen, in der Nähe der Mondberge Kaffee anzubauen. Als sich später die Lage im Kongo immer weiter verschlimmerte, siedelte die Familie ins benachbarte Uganda um. Das alte Farmhaus verfiel.
Auf Vanille stieß Forstwirt Fehr eher zufällig: "Ich wollte das eigentlich nur als Hobby betreiben." Berühmt für die "Königin der Gewürze" sind Madagaskar und andere Inseln im Indischen Ozean, doch Fehrs Zuchtversuche auf der eigenen Farm in Uganda waren so erfolgreich, dass er beschloss, das Geschäft mit Vanille zu intensivieren. Chilischoten und Kakao kamen hinzu. Fehr gründete die Firma Mountains of the moon und reiste in den Kongo, um dort Bauern mit der Vanilleproduktion vertraut zu machen.

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Ein mühsamer Beginn: "Anfangs waren die kongolesischen Bauern sehr skeptisch, was Vanille angeht", erzählt Fehr, "diese Orchideen kannten sie überhaupt nicht." Nach und nach wich das Misstrauen der Neugier; als die erste Ernte eingefahren werden konnte, kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr.
Mittlerweile haben sich mehr als 600 kongolesische Kleinbauern auf das edle Gewürz, das auf Auktionen Spitzenpreise erzielen kann, spezialisiert und beliefern den "Mzungu", den Weißen mit dem Motorrad. Sie ziehen die empfindliche Pflanze an den Hängen der Mondberge - nicht weit entfernt vom Virunga-Nationalpark, Heimat der letzten Berggorillas. "Wichtig für die Qualität ist die rund fünfwöchige Verarbeitung, die Trocknung und Fermentierung", so Fehr. Deshalb reist er regelmäßig in den Kongo und beobachtet den Produktionsprozess.
Eine Erfolgsgeschichte aus den Mondbergen
So wie heute: In dunklen, heißen Räumen dünstet die Vanille und verströmt einen betörenden Duft. Emsig schleppen Mitarbeiter in ihren orangefarbenen Overalls Säcke hin und her. Draußen trocknet Kakao auf riesigen Planen. Für einen Moment vergessen sind der Krieg und all die Schreckensmeldungen, die man in Europa aus dieser Region sonst zu hören bekommt.
Die Vanille stammt eigentlich aus Mexiko. Die Azteken schätzten sie als cacixanatl, was so viel wie tiefgründige Blume bedeutet. Damals waren die von den Azteken unterjochten Totonaken das einzige Volk der Erde, das den Vanilleanbau beherrschte und darum seinen Tribut auch in Vanille entrichten musste. Erst nach Mexikos Unabhängigkeit 1810 gelangten Stecklinge nach Europa, die Niederländer nahmen sie mit in ihre damalige Kolonie Java. Die Franzosen begannen 1822 mit dem Vanilleanbau auf der Insel Réunion, die damals Ile Bourbon hieß und der Bourbonvanille ihren Namen gab. Erst später zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Madagaskar zum Zentrum der Vanille-Kultur.
Fehrs Vanille nimmt einen langen Weg. Aus sechs Kilogramm grüner Frucht, für die Bauern umgerechnet rund 44 Euro erhalten, wird gut ein Kilo brauner Schoten. Verarbeiten, vermahlen in einer französischen Gewürzmühle, einlagern, verpacken, verschicken - etwa vier Monate verstreichen, bis die Vanille für etwa 75 Euro pro Kilo die Kunden erreicht.
Dazu gehören inzwischen Schokoladenhersteller wie Zotter in Österreich, Lovechock in Holland oder Theo Chocolate in den USA, ebenso der dänische Speiseeishersteller Hansen und einzelne Restaurants. Alle Produkte sind organisch und Fair-Trade-zertifiziert, Ende des Jahres soll sogar der erste Demeter-Kakao die Farm im Kongo verlassen.
Fehr und den Vanillebauern von den Mondbergen ist eine kleine kongolesische Erfolgsgeschichte gelungen - und aus dem Entwicklungshelfer längst ein Geschäftsmann geworden.